Wer kennt The Wire? Die beste TV-Serie aller Zeiten, die beste Show in der Geschichte des TV oder das TV-Ereignis des Jahres. In Deutschland wohl nur wenige, obwohl das Feuilleton die Serie mittlerweile begeistert feiert. Für Lukas Foerster von critic.de ist es die beste Polizeiserie dieses Jahrzehnts; in Sachen Kreativität und Risikobereitschaft stellt sie nicht nur Hollywood, sondern auch das amerikanische Independentkino mit Leichtigkeit in den Schatten. Spätestens nach einer halben Staffel erscheint nicht nur jede andere Polizeiserie blass und wie am Fließband produziert, lobt die Uh-Young Kim in der Taz. Die Serie ist perfekt gefilmt, ausgestattet und gecastet (in allen umfangreicheren Rollen wirken unbekannte Schauspieler, ausnahmslos brillant), schreibt Lars Jensen in der FAZ.
Inhaltlich und formal stellen amerikanische Serie mittlerweile das Kino in den Schatten. War es früher egal, ob der Zuschauer eine Folge von Knight Rider verpasst hat – in der nächsten macht er ja eh das Gleiche nur etwas anders – kann sich heute niemand wirklich leisten, eine Folge zu verpassen. Die Geschichten sind episch und komplex, funktionieren wie in The Wire wie klassische Dramen auf den Boden des heutigen, realen Baltimore. Mehr als 30 Personen stehen hier gleichberechtigt nebeneinander, erzählen ihre Geschichten von Moral und Verbrechen, von Karriere und Verfall. Verschachtelt, ständig auf Nebenerzählung verweisend, hochkomplex eben.
Nur … bisher hat sich kein deutscher Sender gefunden, der The Wire ausstrahlen will. Warum nur? Wie Andreas Hartmann von der Jungle World meint, sind amerikanische Erfolgsserien für das deutsche Fernsehen nur noch bedingt Garanten für Spitzenquoten. Zu schnell laufen mittlerweile die Verwertungsmechanismen. So ist es einfach, sich die Serie auf DVD zu organisieren und sich frei zu machen von den Sendezeiten. Auch das Internet stellt sich für Zweitverwerter mehr und mehr als Fluch heraus. Die Serie ist schon längst dort zu sehen, bevor sie hierzulande auf irgendeinem Sender mit vielen Werbeunterbrechungen zu unsäglicher Zeit ausgestrahlt wird. Als Beispiel nennt er die gefeierte Western-Serie Dead Wood, die niemals im deutschen TV gezeigt wurde, aber überall gelobt wird.
Vielleicht sollte sich Fans von The Wire gleich für die DVD entscheiden. Eine derart interessante Serie jeweils nur eine Stunde pro Woche zu sehen und dann doch etwas zu verpassen, wäre fatal. Die ganze Stärke von The Wire lässt sich im Stundentakt wahrscheinlich nur erahnen, in einem kompakten Durchlauf würde sie dagegen erstrahlen.