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Mein Kino-Moment 2014

01.01.2015 - 15:00 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Wenige Meter zwischen Glück und Unglück.
Weltkino Filmverleih GmbH
Wenige Meter zwischen Glück und Unglück.
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Wenn man im Kino bei einer Szene die Freudentränen zurückhalten muss und Gänsehaut vom Zeh bis zum Haaransatz entsteht, dann ist man dem ultimativen Glückserlebnis sehr nahe!

Ja, es gibt noch diese Momente im Kino, in denen man das perfekte Erlebnis spürt. Da weiß man dann auch wieder, warum sich ein Kinobesuch lohnt und es niemals ersetzt werden kann durch einen noch so großen TV zuhause inkl. gemütlichen Sofagammeln.

Auch wenn diese Momente nicht bei jedem Kinobesuch entstehen, man manchmal viele Filme abwarten muss und es vllt. auch nur eine kleine Szene ist - im Nachhinein weiß man, warum man Film- und Kinoliebhaber ist.

Bei mir gab es dieses Jahr eine dieser Szenen, die ich niemals vergessen werde. Ein Erlebnis an der Perfektion in einem an sich schon sehr sehr guten Film.

Wer den Film Mommy von Xavier Dolan bisher nicht gesehen hat, dem rate ich das weiterlesen ab, da ansonsten eine der tollsten Szenen der Filmgeschichte vorab verraten wird. Daher ein kleines

"SPOILERALARM"

So, nun aber von Anfang an:

Es war an einem Wochenende im Herbst, es war kalt und ein Bekannter war da. Gute Voraussetzung also für einen Kinobesuch. Mommy wollte ich schon lange sehen - Cannes-Gewinner, viele Lobpreisungen und Xavier Dolan als Regisseur, da kann wenig schief gehen. Dazu muss ich sagen, dass ich Laurence Anyways und Sag nicht, wer du bist sehr gut fand, aber keine "Meisterwerke", auch wenn man das Potential von Dolan zu jeder Minute erkennt.

Ein tolles Kino in München wurde auch schnell gefunden - das Monopol-Kino, das immer tolle Filmperlen zeigt und ohne Popcorn auskommt. Ich weiß schon gar nicht mehr ob es OT war oder nicht, aber ich glaube es war in Deutsch, was mich aber anhand der Unwissenheit im Nachhinein wohl nicht weiter gestört hat. Der Film lief in einem kleinen Saal mit ca. 40 Plätzen und kleiner Bar direkt integriert und er war ausverkauft. Das Publikum war buntgemischt, aber völlig ohne nervende Kinostörer mit Handy-Sucht. Selbst das die Kaffeemaschine der Bar immer wieder kurz lautstark geröhrt hat, hat das Kinoerlebnis nicht gestört. Die Leinwand war für die Raumgröße vollkommen in Ordnung und der Sound optimal.

Doch dann das: Das Bild war ein absolut unbekanntes Format - ca. ein 1:1 Format bei dem an beiden Seiten ein riesiger schwarzer Balken war. Ich war drauf und dran meinen Begleiter danach zu fragen, ob das normal sei (er hatte den Film bereits gesehen, aber zum Glück nichts verraten), aber dachte mir dann, es sei eben eine schlechte Filmquelle oder das Kino sei einfach falsch eingestellt. Einem wirklich guten Film gibt das auch wenig Abzug. Daher vergisst man das ganze irgendwann, auch wenn man es trotzdem weiterhin komisch findet und es irgendwie auch ständig präsent ist.

Der Film läuft, ist super interessant und fesselt total. Eine tolle Geschichte, tolle Charakterzeichnungen, grandioser Sound. Also an sich schon ein wirklich toller Kinofilm. Und dann diese eine Szene, diese Szene, die einem für ein Leben lang in die Hirnrinde gebrannt wurde.

Ein WOW-Effekt gepaart mit einem BOOM und WTF. Bei dem Film herrscht eine unglaubliche Intensität und Bedrohung, der junge Hauptdarsteller ist ständig unter Spannung und ein typischer Jugendlicher mit vielen Problemen. Doch irgendwann scheint es, dass sich das Blatt wendet und man sieht Antoine-Oliver Pilo (was für eine Entdeckung) auf seinem Longboard fahren, seine weißen Kopfhörer drauf mit tollem Sound, ein Lächeln auf den Lippen und er wirkt erstmals unbeschwert und glücklich. Und da passiert es - er fährt Richtung dem Publikum, greift die Ränder und zieht das 1:1 Format auf und lässt die schwarzen Balken verschwinden. Und das ganze passiert nicht nach ein paar Minuten, sondern nach einer gefühlt ewigen Zeit, in der man sich dann doch an das 1:1 völlig gewöhnt hat. Für mich eine einmalige Idee, gleichzusetzen mit dem Tabubruch in Psycho.

Man ist völlig unvorbereitet und wird von seinen Gefühlen überrumpelt. Ich war den Freudentränen nahe und spürte an meinem ganzen Körper Gänsehaut. Man möchte diesen Moment des nahezu perfekten Glücks praktisch ewig halten. Selten zuvor hat mich eine Filmszene so sehr in seinen Bann gezogen und gefühlstechnisch durchgerüttelt - zu vergleichen vielleicht mit dem Ende von Requiem for a Dream, der jedoch nicht das Glücks- sondern das Unglücksgefühl bedient. Plötzlich ist man ganz alleine im Kino und man vergisst alles um sich herum.

Auch noch heute grinse ich über beide Backen, wenn ich an diese Szene denke und nicht umsonst wurde Mommy zu meinem Lieblingsfilm 2014 (und das bei ca. 100 Kinofilmen in 2014). Der einzige Wermutstropfen an dem ganzen: Ich werde diese Szene nie wieder so erleben können - aber vllt. war es auch einfach die für mich perfekte Szene zu einem perfekten Moment mit perfekten Rahmenbedingungen. Etwas Besonderes, weil es eben nicht täglich auftaucht und daher auch einzigartig bleiben will!

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