Kriminelle Nonnen, Ben Affleck und die bösen Filme

04.06.2011 - 10:07 Uhr
Die Nonne & der Banküberfall
Warner Bros. Pictures / moviepilot
Die Nonne & der Banküberfall
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Die Woche neigt sich dem Ende zu und es hat sich wieder reichlich Ärger angestaut. Wir öffnen mal wieder das Ventil im Aufreger der Woche, um ihn etwas entweichen zu lassen.

Böse Menschen an jeder Ecke, Kriminalität wo wir nur hingucken, die Welt ist düster und gemein. Wir wissen das und therapieren uns auf unsere Weise, entweder mit Alkohol, Sport oder einem Besuch im Swinger Club. Aber es gibt Menschen, die sich noch immer auf der Suche nach den Gründen für alles, was falsch läuft in der Welt, befinden. Und ganz beliebt ist es, mit dem nackten Finger auf anziehende Filme zu zeigen. Vor kurzem kam es zu einem Zwischenfall, der Wasser auf die Mühlen der Prediger und Kritiker geben wird.

Der Aufreger der Woche geht um The Town – Stadt ohne Gnade von Ben Affleck, ein paar als Nonnen verkleidete Männer, einen Überfall und der Einfluss von Filmen.

Warum habt ihr ’ne Maske auf?
Kommen ein paar Nonnen in eine Bank… Was beginnt wie ein schlechter Witz, ist so tatsächlich passiert. Naja, wir wollen ehrlich sein: es waren keine richtigen Nonnen, sondern ein paar Gangster, die Nonnenmasken trugen, in die „TCF Bank“ in Palos Heights bei Chicago stürmten und diese überfielen – ganz genau so, wie es auch in dem Film The Town – Stadt ohne Gnade von Ben Affleck zu sehen ist. Wenig überraschend kamen gleich Stimmen auf, die die negative Vorbildwirkung von Filmen anprangern. Und ganz sicher werden sich einige dieser Leute zu Wort melden, die den gesellschaftlichen Masterplan in der Tasche haben.

Fernseher aus und ab zur Menschenjagd?
Die uralte Diskussion um die Verantwortung von Filmen wird wieder geführt werden. Die einen werden schreien, dass die Darstellung von Sex, Gewalt und kriminellem Verhalten jeglicher Art zu bedenklichem Verhalten animiert und zur Abstumpfung führt, die anderen werden dem widersprechen, indem sie argumentieren, dass nicht Filme der Auslöser sind, sondern soziale Herkunft, Bildung, Job oder einfach die Veranlagung. Auf den ersten Blick scheinen die Erläuterungen beider Gruppen irgendwie vertretbar. Aber eben nur auf den ersten Blick. Wir könnten nämlich ganz einfach fragen: Hätten die Räuber die Bank nicht überfallen, wenn es The Town – Stadt ohne Gnade nicht gäbe? Hätten Eric Harris und Dylan Klebold ohne Jim Carroll – In den Straßen von New York mit Leonardo DiCaprio kein Massaker an der Columbine High School angerichtet? Würde es ohne Natural Born Killers weniger sinn- und ziellose Morde geben? Wir beantworten diese Fragen selber: Nein, nein und nein. Die Räuber hätten die Bank trotzdem überfallen, weil sie offensichtlich scharf auf das Geld waren, sie wären nur anders verkleidet gewesen. Harris und Klebold brauchten keinen Film, um zu wissen, wie sie ihre Mitschüler umzubringen haben, von denen sie sich unterdrückt fühlten. Und wer sich entscheidet, einen Menschen einfach so zu töten, wie es Mickey (Woody Harrelson) und Mallory (Juliette Lewis) in Natural Born Killers tun, der macht das nicht, weil er einen Film gesehen hat, sondern weil schlicht etwas völlig falsch im Kopf abläuft.

Die Wurzel ist entscheidend
“Jugendliche mit Persönlichkeitsstörungen und aus zerrütteten Familien sehen sich mehr Gewaltdarstellungen im Fernsehen an. Sie verhalten sich aggressiver, und sie rechtfertigen ihr kriminelles Verhalten durch die Darstellung der Kriminalität im Fernsehen.” (Sieverts, Rudolf/Schneider, Hans Joachim (Hrsg.): Handwörterbuch der Kriminologie, Band 4, Berlin/New York, Walter De Gruyter 1979). Es ist nicht der Film, der den Einfluss hat, kriminelles Verhalten heraufzubeschwören. Es ist geradezu lachhaft, einem filmischen Werk einen solch eminenten Einfluss zuzuschreiben. Der Zusammenhang zwischen illegalen Taten und Art des Filmkonsums liegt nämlich darin begründet, dass Menschen mit ungünstigem Hintergrund dazu neigen, sich Filme anzugucken, die ihr Umfeld widerspiegeln. Die Zensur bzw. die Verteufelung von Filme, weil sie angeblich Negativverhalten verursachen, ist demnach schlicht falsch. Eine große Welle des Kannibalismus traf die Zivilisation nicht durch Nackt und zerfleischt oder Das Schweigen der Lämmer, sondern in Zeiten des Mangels während und nach dem 2. Weltkrieg. Die sozialen Umstände begünstigten abnormes Verhalten, nicht die scheinbaren Vorbilder. Ändern wir die Bedingungen des Lebens für alle zum Positiven, werden The Town – Stadt ohne Gnade, Freitag der 13., Saw, Heat noch sonst irgendwelche Filme im Übermaß als scheinbare Vorbilder für Straftaten missbraucht.

Wir regen uns darüber auf, dass unserer Leidenschaft Film immer wieder solche schlimmen Auswirkungen vorgehalten werden. Wir regen uns darüber auf, dass Filme (und auch Videospiele) auf den medialen Scheiterhaufen geworfen werden, wenn es darum geht, einen Schuldigen für eine Misere zu finden. Und wir regen uns darüber auf, dass ein paar maskentragende Deppen den Befürwortern von filmischer Begrenzung Auftrieb geben. Wie wäre es denn, wenn Eltern wieder Eltern werden und ihre Kinder anständig erziehen und darauf geachtet wird, dass die gesellschaftlichen Umstände sich verbessern? Dort sollte ein Hebel angesetzt werden. Das Bauernopfer Film hat nämlich schon längst ausgedient, meint ihr nicht auch? Bis diese Erkenntnis zu jedem vorgedrungen ist, ist das jedoch der Aufreger der Woche!

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