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Jahresrückblick: Meine Lieblingsfilme 2017

16.12.2017 - 16:14 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Nolan kann's.
Warner Bros.
Nolan kann's.
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In den letzten 12 Monaten gab es für mich filmtechnisch kaum richtige Enttäuschungen, zu Begeisterungsstürmen hinreißen konnte mich aber auch nur weniges (gefühlt noch weniger als 2016). Immerhin: Ausgerechnet ein von mir in der Vergangenheit oft verschmähter Mainstream-Regisseur rettete gewissermaßen das nächste Kinojahr voller Franchise-Müll. Gerade, wenn man denkt, einen könne nichts mehr überraschen...

2017 war für mich eigentlich ein solides Filmjahr, was aber wohl vor allem daran liegt, dass ich mehr denn je meine Nerven geschont und mir überwiegend nur angesehen habe, was mich auch wirklich interessente. Das bedeutet konkret: Franchises, Disney und Superhelden fanden ohne mich statt. Also dann, los geht's! (Ausschlaggebend ist eine deutsche Veröffentlichung entweder im Kino, auf Blu-ray/DVD oder Streaming-Portalen wie Netflix.)

Platz 10 : Nocturama

So ein Film, den man sich am Besten ohne Vorwissen anschaut und anschließend entweder begeistert oder extrem frustriert zurück bleibt (das Risiko sollte man eingehen). Moderner Terrorismus ist anonym und selbiges gilt gewissermaßen auch für "Nocturama", der in erster Linie über seine Form spricht. Und da wiederum ist er wesentlich inspiriert von Robert Bresson, wie ich meine.

Platz 9: Personal Shopper

Eine von zwei Geistergeschichten in meiner Topliste – allerdings mit einem ziemlich launischen Geist, der es einer famos aufspielenden Kristen Stewart alles andere als leicht macht. Olivier Assayas ist mit "Personal Shopper" sicher in vielen Belangen Risiken eingegangen, aber ich war von dem mysteriösen Geschehen durchweg fasziniert. Danach hatte ich Angst vor meinem Handy.

Platz 8: Detroit

Ein krasses Panorama über die Aufstände in Detroit von 1967, der andererseits genau zur rechten Zeit kommt. Bigelows Inszenierung ist wütend, aber zugleich besonnen – das hätten in der Form wohl nicht viele hinbekommen. Meiner Meinung nach ihr bislang sogar bestes Werk. Einmal von der 9/11-Thematik loszulassen, hat der Regisseurin sichtbar gut getan und das Kino braucht Leute wie sie mit sozialem bzw. politischem Bewusstsein. Daneben ist "Detroit" übrigens auch unfassbar spannend, und das über die gesamte stattliche Laufzeit (ca. 140 Minuten) hinweg.

Platz 7: Certain Women

Darstellerisch eine absolute Sensation, egal, ob man nun auf Dern, Williams, Stewart oder die überragende Lily Gladstone schaut. Aber auch der Rest passt und große Pointen hat Kelly Reichardt wieder einmal nicht nötig. Manche mögen "Certain Women" als öde und/oder nichts sagend abstempeln, mich haben die feinen Zwischentöne begeistert, die durch die Schauspielerinnen natürlich noch mal stärker zur Geltung kommen.

Platz 6: Die rote Schildkröte

Zugegeben: In "La tortue rouge" passieren ein paar abgefahrene Dinge, auf die man einfach irgendwie klarkommen muss – zum Beispiel zeugt ein Schiffbrüchiger mit einer Frau ein Kind, die eben noch als Schildkröte sein Floß zerstört hat. Vielleicht muss man ein kleines Bisschen spirituell veranlagt sein (vor dem Wort "christlich" scheue ich mich), um das hier ernsthaft gut zu finden, aber eventuell bin ich das ja. Außerdem mag ich Filme, in denen nicht geredet wird. Und diese Bilder... oh, diese Bilder...

Platz 5: The Meyerowitz Stories

Adam Sandler und Ben Stiller geben alles. Mal habe ich vor Lachen beinahe auf dem Boden gelegen, dann war ich wieder tief berührt – ein kleines Wunder, wie gut diese irre Familiendramödie (ein Pleonasmus?) funktioniert und wie sehr vor allem Baumbach seine Figuren im Blick behält. Hier ist der menschliche Faktor der Geschichte einmal nicht lediglich behauptet (ein Problem, das ich mit vielen seiner früheren Werke hatte).

Platz 4: Die irre Heldentour des Billy Lynn

Den neuen Ang Lee habe ich bislang auf kaum einer Bestenliste entdeckt und das ist irgendwie ein bisschen tragisch, schuf er mit "Billy Lynn's Long Halftime Walk" doch einen eindrucksvollen Anti-Kriegsfilm, der diese Bezeichnung auch absolut verdient. Der Regisseur fährt hier mal wieder sein ganzes Pensum an Lebensklugheit auf und untermauert vor allem seine Stellung als womöglich wichtigster Mittler des Kinos, der erkannt hat, dass es auf nicht alles eine Antwort gibt. Das Verwunderliche an diesem Film: Im Grunde könnte er auch eine Satire sein, wäre er denn nicht von so viel Empathie getragen.

Platz 3: Dunkirk

Hoyte van Hoytemas Kriegsbilder sind so unmittelbar, aber auch so erdrückend sinnlich und ich weiß selbst nicht, wie das zusammengeht. Noch unfassbarer ist allerdings, dass Nolan sich darauf verlässt, unnötigen Ballast konsequent abwirft und so ein wahres Kinoinferno abfackelt (hier brennt ja sogar das Wasser), bei dem Hans Zimmer tatsächlich mal perfekt im Sattel sitzt. "Dunkirk" ist für mich der Beweis, dass in Nolan ein fantastischer Genre-Regisseur steckt und das wiederum ist so ziemlich das größte Kompliment, das ich aussprechen kann, denn ich mag eigentlich keine Genre-Filme. Und ja, das waren jetzt ziemlich viele Widersprüche auf einmal.

Platz 2: Manchester by the Sea

"Manchester By The Sea" besitzt diesen verwaschenen Boston-"Charme", dem ich einfach verfallen bin. Vermutlich habe ich in der Hauptfigur Lee Chandler auch viel von mir selbst entdeckt, denn ich bin ebenfalls so jemand, der im Leben meistens nur seine Ruhe will und nach Möglichkeit jedes Bisschen Verantwortung meidet. Hier aber muss der Protagonist sich nach dem Tod seines Bruders mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen und zudem auf seinen Neffen Acht geben, womit das Feelgood-Pendel normalerweise mächtig ausschlagen würde. Nicht so aber bei Kenneth Lonergan, der weiß, wie man inmitten unglücklichster Umstände ein Fünkchen Hoffnung sät.

Platz 1: A Ghost Story

Mein Herzensfilm des Jahres, der mich viel über die Bedeutung von uns Menschen im Universum nachdenken ließ, spielt Casey Affleck hier doch ein trauriges Gespenst (seltsamerweise verschwindet er unter seinem Laken keineswegs), das viele Jahre an derselben Stelle verbringt und so buchstäblich nicht vorankommt – daneben besteht aber auch die Frage, wo es für uns überhaupt theoretisch hingehen könnte. Etwas bodenständiger betrachtet ist "A Ghost Story" dagegen einfach "nur" ein furchtbar zärtliches Meditieren über Verlust und Vergänglichkeit. So viel Liebe.


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