Ich, DuckTales & ein unerwartetes Meisterwerk

22.09.2015 - 09:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Ein ganz besonderes Level
Capcom
Ein ganz besonderes Level
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In der NES-Ära haben sich viele große Namen erstmals hervorgetan, doch so mancher Titel bleibt hierzulande unter dem Radar. Mein Herz für Klassiker nimmt sich heute endlich DuckTales zur Entenbrust.

Ich möchte diesen Text mit einem glaubwürdigen Gedankenexperiment beginnen. Wenn ihr auf dem Nachhauseweg jemals in einen Hinterhalt von Super Mario-Cosplayern geraten solltet, die euch Gewalt androhen, wenn ihr nicht die besten NES-Spiele aller Zeiten aufzählen könnt: Welche Titel würdet ihr nennen? Ja, Super Mario Bros. (offensichtlich), aber das wird ihnen nicht reichen. Metroid, The Legend of Zelda, Castlevania, Final Fantasy, allesamt wichtige Titel, aber ein Spiel würden wohl die wenigsten nennen: DuckTales.

Ente gut, alles gut

Nur so würdet ihr den drohenden Prügeln entkommen. Auch wenn es für die meisten nicht ersichtlich ist, so gehört DuckTales zu den besten Jump 'n' Runs der 8-Bit-Ära und das auch noch vollkommen zurecht. Wie ich schon in meinem Klassiker-Text zu Chip 'n Dale: Rescue Rangers 2 sagte , waren Lizenztitel zur damaligen Zeit noch etwas vollkommen anderes. Vor allem dann, wenn sie aus der Kollaboration von Capcom und Disney entstanden sind. Denn wenn es um anspruchsvolle und originelle Platformer ging, waren die Entwickler von Capcom in den späten 80er/ frühen 90er Jahren eine echte Hausmarke.

Und dieses handwerkliche Know-how passte perfekt zu den allseits bekannten und beliebten Helden der Disney-Cartoons, die zu der Zeit über den TV-Bildschirm flimmerten. Schon ein Blick auf das Team, das hinter DuckTales und dem Dagobert Duck-Abenteuer steht, macht deutlich, welche Kompetenz da eigentlich in der vermeintlich lieblos zusammengebastelter Lizenz-Ware steckt. Mit Keiji Inafune, Tokuro Fujiwara und Yoshihiro Sakaguchi waren gleich drei wichtige Kern-Entwickler der Mega Man-Reihe an DuckTales beteiligt.

In DuckTales dürfen wir die halbe Welt bereisen


Und diese spielmechanischen Wurzeln sind dem NES-Abenteuer durchaus anzumerken, was sogar mich als damals zehnjährigen Entenhausen-Fan positiv überraschte. Anstatt einfach dem Schema F zu folgen und einen DuckTales-Skin auf generische Basic-Level zu ziehen, machte sich das Team einige Gedanken. So kann Dagobert vor jedem Level wählen, wohin es ihn als nächstes verschlagen soll, eine derartige Abkehr von linearen Wegen war gerade für Jump 'n' Runs eine echte Neuerung, denn nur mit klar aufeinanderfolgenden Leveln konnte doch die nötige Lernkurve gezeichnet werden.

Kreuz & Quer

In DuckTales funktioniert das Leveldesign aber ein bisschen anders, denn hier ist nicht nur erlernbare Hand-Augen-Koordination vonnöten. Vielmehr sind die Spielabschnitte verschachtelt, komplex und mit zahlreichen Geheimwegen bestückt. Ein Drang zur 2D-Erkundung ist daher wichtiger als simples Timing beim Absprung. Teilweise müssen sogar Gegenstände aus anderen Leveln gesammelt werden, ohne die der Fortschritt im aktuellen Spielabschnitt nicht möglich ist. Auch das Gameplay erschöpft sich nicht nur im Weg von A nach B, denn Dagobert muss mit seiner Umgebung interagieren, kann Steine mit seinem Gehstock zu Geschossen werden lassen und klettert auch durch allerlei vertikale Areale.

Jedes der fünf Level besitzt ein eigenes Gimmick, das umfangreich in das Design integriert wurde. Einfach wie gewohnt durch das Level sausen, ist in DuckTales nicht möglich, auch wenn sich das Spiel mit etwas Übung sehr schnell erledigen lässt. Erst wenn der jeweilige Boss in den architektonisch sonderbaren Leveln gefunden und besiegt wurde, kehrt Dagobert in seine Zentrale zurück und kann sich den nächste versteckten Schatz vornehmen. DuckTales ist näher an Metroid als an Super Mario Bros. und genau das hebt diesen erstaunlichen Titel hervor.

Aber genug der geschwafelten Gameplay-Schwärmerei, denn auch abseits der trockenen Spielmechanik ragt DuckTales aus dem NES-Brei heraus. Natürlich kommen auch Fans der Cartoon-Vorlage auf ihre Kosten, denn das Spiel geizt nicht mit Gastauftritten und offeriert uns einen Look, der sich liebevoll am Original orientiert. Den ästhetischen Höhepunkt erreicht DuckTales aber mit dem Soundtrack. Auch wenn ihr das Spiel noch nie untergekommen ist, dürfte euch zumindest das Moon Theme  bekannt vorkommen.

Hier in meiner Lieblingsvariane:


Die Titelmelodie des Mond-Levels ist ein wahrer Ohrwurm und findet sich regelmäßig in den Top-Listen audiophiler 8-Bit-Enthusiasten wieder. Ihr seht (und hört) also, dass DuckTales ein hierzulande sträflich vernachlässigter Geheimtipp ist, den ihr nicht länger ignorieren solltet.

Das hilft sowohl gegen Langeweile als auch gewaltbereite Super Mario-Gangs.

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