Der älteste Teenager der Welt wird 80

24.06.2010 - 07:00 Uhr
Claude Chabrol: "Manchmal die Taube und manchmal die Statue"
cinemagia
Claude Chabrol: "Manchmal die Taube und manchmal die Statue"
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Claude Chabrol feiert heute seinen 80. Geburtstag. Trotzdem wird der Meister des französischen Kinos nicht müde, dem Bürgertum den Stinkefinger zu zeigen. Wir sagen: Weiter so!

Heute feiert ein Altmeister des europäischen Kinos seinen Geburtstag. Claude Chabrol, Mitbegründer der Nouvelle Vague, Bonvivant und unermüdlicher Filmemacher, wird heute 80 Jahre alt. Eigentlich ein schöner Anlass, um auf das Werk einer Legende zurückzublicken, doch schon das bloße Ausmaß seines Schaffens ist überwältigend. Seit Claude Chabrol 1958 vom Erbe seiner Ehefrau mit Die Enttäuschten ganz nebenbei den ersten Film der französischen Nouvelle Vague auf die Kino- und Festival-Leinwände brachte, hat er praktisch nicht mehr aufgehört zu drehen und mittlerweile 57 Kino- und 21 Fernsehfilme fertig gestellt.

Dabei sollte es eigentlich ganz anders kommen. Als Apothekersohn sollte Claude Chabrol in die Fußstapfen seiner Eltern treten und wurde in das Studium der Pharmazie gedrängt. Der junge Claude träumte allerdings von einem Leben als Bohémien und widmete seine Zeit lieber dem Kino. Als Gründungsmitglied der legendäre Kinozeitschrift „Cahiers du Cinema“ bildete er bald den Kern jener Gruppe junger rebellischer Kritiker, welche das französische Kino revolutionieren sollten.

Mit ihnen gemeinsam hatte er seine Vorliebe für Alfred Hitchcock und bei keinem seiner Kollegen finden sich die Spuren des großen Vorbildes so deutlich wie bei Claude Chabrol: Kaum einer seiner Filme kommt ohne einen Mord aus, schöne Frauen werden von seiner Kamera umschmeichelt und zu Göttinnen der Leinwand verklärt. Über allem schwebt ein schwarzer Humor und die Einsicht, dass der Regisseur in einem Film die Dinge zeigen muss und nicht nur erzählen darf.

Sein beliebtestes Feindbild ist dabei seit seinen Anfängen das französische Bürgertum, dem Claude Chabrol auch selbst entspringt. Mit der Verachtung eines rebellischen Teenagers gegenüber den eigenen Wurzeln ist er in den 50 Jahren seines Schaffens nicht müde geworden, der Oberschicht ihre Scheinheiligkeit, ihren Materialismus und ihre Abgründe vorzuwerfen. Mit ununterbrochener Beharrlichkeit führt er uns immer wieder Familien vor, hinter deren makellosen Fassade der Abgrund lauert und deren größte Sorge der Skandal ist.

Den Grund, weshalb uns als Zuschauer seine Filme trotz dieser einseitigen Thematik auch nach so vielen Jahren nicht langweilig werden, finden wir in der Leichtigkeit seiner Inszenierung, wie wir sie bei deutschen Regisseuren meist vergeblich suchen. Nie sind seine Figuren eindimensionale Wesen, ihre Moral ist immer ambivalent, denn “Filme mit einer Botschaft bringen mich entweder zum Kotzen oder zum Lachen” (FAZ). Dadurch gibt es auch nach fast 80 Filmen immer wieder neue Facetten zu entdecken, auch wenn bei einer solchen Masse an Produktionen natürlich nicht nur Meisterwerke entstanden sind. Claude Chabrol macht sich aber selbst diesen Umstand durch seinen unbändigen Humor zu eigen und wird nicht müde, seinen Film Die verrückten Reichen als einen der schlechtesten Filme aller Zeiten zu bezeichnen – sogar noch schlechter als die schlechten Filme seines an Arbeitseifer fast ebenbürtigen Kollegen Woody Allen.

Denn ein Gutes hat das hohe Alter, zu dem wir ihm heute ganz herzlich gratulieren wollen: Es bringt Gelassenheit, Weisheit und die Einsicht, dass man, wie er sagt, „akzeptieren muss, manchmal die Taube zu sein, und manchmal die Statue.“ Wir wünschen Claude Chabrol alles Gute und hoffen, dass er auch mit 80 Jahren nicht müde wird, uns zu beweisen, dass immer noch die rebellische Taube in ihm steckt.

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