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Dean Martin, Star ohne Allüren

04.07.2017 - 17:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Mr. Everybody
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Mr. Everybody
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Der Mann hinter dem "Säufer"-Image

Mr. Cool, Crooner, Sänger, Schauspieler, Entertainer, Komödiant, Familienvater, Golfer, Showstar, Ehe- und Lebemann. Zusammen mit Frank Sinatra und Samny Davis jr. war er jahrzehntelang das US-Dreigestirn der Showstars, aber auch der Inbegriff der Leichtigkeit, der Coolness. Während Frank Sinatra fast pedantisch und minutiös alles vorbereitete, war Dino - so nennen ihn seine Bewunderer, seine Freunde und seine Familie - anders; man sah ihn nicht als "unnahbaren" Star an, sondern als jemanden, der quasi zur Familie gehörte, den man hoffte, zu treffen. Und wo man ihn treffen konnte in den letzten Jahren bis kurz vor seinem Tod an Weihnachten 1995, das war die Pizzeria "La Famiglia" in Beverly Hills oder LA, wo er sich mit einem Teller Spaghetti und einem Glas Wasser begnügte. Bei Sinatra unvorstellbar, aber eben: zwischen den beiden lagen Welten, auch was den Charakter anging. Sinatras Arroganz und Ignoranz trafen auf Dinos Natürlichkeit und Lässigkeit.

Allein durch seine Grösse von 1.80 m fiel er auf; damit er überragte seine 3 Kumpel (Sinatra, Davis, Crosby) um mehr als 1 Kopf (auch Jerry Lewis half etwas nach, wenn auch nicht so viel wie Sinatra mit seinen Schuhabsätzen) . Mit seinen rehbraunen Augen, dem Schmalz in der Stimme, dem Samtbariton, viel Charme, Lässig-, Leichtig- und Geschmeidigkeit war er ein Multitalent, ein Familienmensch, ein Sportler mit Disziplin, Prinzipien - und alles andere als ein Schwerenöter, Weiberheld oder Alkoholiker! Diese Rollen bzw. diese Attribute nahm man ihm gerne ab, obwohl er im Grunde das Gegenteil des labilen Narziss Sinatra war, der ironischerweise all diese Rollen erfüllte, aber über die man ihn nie identifizierte. Weder ein Autounfall noch ein Suizid geht auf Dinos Konto, aber er spielte gerne die Rolle seines Images, des Weiberhelden und des Alkoholikers. Dabei war er knapp 30 Jahre mit derselben Frau (Jeanne) verheiratet, hatte mit ihr 3 Kinder (2 Söhne, die beide verstorben sind, Ricci vor gut 2 Monaten, und 1 Tochter) und brachte in diese Ehe seine 4 halbwüchsigen Kinder (1 Sohn, 3 Töchter) aus der 1.Ehe mit. Ein verantwortungsvoller Daddy, der seinen Job machte, aber auch seine Ruhe brauchte, um dieses Showgeschäft zu meistern. Den Klatschnachrichten zum Trotz war er kein Partylöwe (wie Sinatra) oder Schürzenjäger - aber es half seinem Image. Deswegen hatte er auch ein Nummernschild mit der Bezeichnung "Drunky" drauf. Dabei war das alles nur Show. Jedes Glas, das er während seiner Auftritte zu sich nahm, war kein Whisky oder Bourbon, sondern....Apfelsaft. "Appelwoi" auf amerikanisch eben. Wie viel Überwindung hat ihn das wohl gekostet? Für mich ist Cider geradeso passabel, aber bei diesen vielen Auftritten? Mich friert's, aber Dino verhalf es zum Image: "Everybodys favourite drinker" analog zu seinem Erkennungssong "Everybody Loves Somebody Sometimes", der 1964 sogar die Beatles von der Top-Position vertrieb und 10 Jahre früher für Sinatra kein Hit war...warum auch immer.

Und heute nun, d.h. am 7.Juni 2017, wäre er 100 Jahre alt geworden! Wer kann sich das vorstellen oder von sich sagen? Wie viele Stars - vom 27er-Club abgesehen - erreichen die 100? Auf Anhieb fallen mir wenige ein aus der goldenen Àra Hollywoods, wie Kirk Douglas oder der 102jährige Bob Hope, aber die anderen? Wie hätte wohl Dino ausgesehen, wenn er die 100 erreicht hätte? Ich könnte mir am ehesten so vorstellen, wie er vor seinem Tod (da war er 78!) ausgesehen hat, von der Krankheit (Lungenkrebs) gezeichnet, bedingt durch sein einziges Laster, den Zigarettenkonsum. Die Krankheit, die 1 Jahr vor seinem Tod 1995 "durchbrach", liess ihn knapp 40 kg abmagern, wodurch er ein Schatten seiner Selbst wurde. Seine Gebrechlichkeit und die riesengrosse Brille, die sein eingefallenes Gesicht immens betonte, sprachen Bände. Er war mehr eine lebende Leiche denn der strahlende, weder je ganz schlanke noch füllige Dean gewesen war! Sein Sport (Golf!) gab ihm sein gesundes Aussehen - durchtrainiert träfe am besten zu. Denn Golfern sieht man ihren Sport nicht an. Sinatra war aufs Alter hin eher dicklich, Sammy Davis jr. ausgemergelt (Kehlkopfkrebs), Elvis übergewichtig (ernährungs- & medikamentenbedingt). Bob Hope, ein anderer Golfer, der wurde glaube ich 102 Jahre alt, aber der hat sich gehalten, galt bis zuletzt weder als Skelett noch als Dickwanst, obwohl er in seiner aktiven Zeit eher das "Pummelchen" war, oder wie es so schön früher von solchen Typen hiess: ein stattlicher Mann. Apropos stattlich: Stattlich diesmal im Sinne von "ansehnlich" war Dino durchaus!

Die Presse kam mir 1994 vor wie ein Leichenfledderer oder Aasgeier, die darauf warten, dass das sterbende Tier endlich aushaucht - und das nicht zum 1.Mal. Auch als Dinos zweiter Sohn Dean-Paul (sein Lieblingssohn) aus der 2. Ehe mit Jeanne Biegger, 1988 tödlich mit dem Flugzeug verunglückte, stürzte sich die Presse auf diesen "Bissen". Dessen Tod hat Dinos Lebenslust geschmälert, so dass er kurz danach, als Sinatra & Davis ein Revival der "grossen Drei" ("Rat Pack is back") versuchten (mit den "alten" Shows auf Tournee gehen), kurzfristig absprang und durch Liza Minelli ersetzt wurde; ohne Dean-Paul war ihm die Lust am Job vergangen, oder fühlte er sich mit 70 nicht mehr fit genug? Er war ja nicht die "Rampensau" wie Sinatra, der ohne Publikum nicht sein konnte; er hatte seine Familie, seinen Sport und wollte seine Ruhe. Wie schon früher, war es auch wieder auch hier Sinatra gewesen, der ihn zu etwas überredete, was Dino im Grunde nicht wollte. Nebenbei erwähnt: nein, Sinatra war nicht Deans bester Freund! Dicke Freunde waren sie nie - zu grundverschieden waren sie, obwohl beide Italoamerikaner von der Ostküste waren. In den Shows neckten sie sich zwar liebevoll "Deggo" (ich nehme mal an, in den USA das familiäre Wort für "Landsmann" oder "Italoamerikaner", obwohl man vom Paten her an "paisano" denken würde), aber mit Parties und Showgirls hatte Dino weniger am Hut; ihm ging's um den Job, für den frühmorgens fit und ausgeschlafen sein musste. Von wegen also Rat Pack! Diese Bezeichnung stammt übrigens von Lauren Bacall, Bogies Witwe, die bei einer Party (samt geladenem Sinatra) erschrak, als sie die trunkenen, durchnächtigten und verrauchten Gesichter der Partyteilnehmer sah, die für sie aussahen, wie "tote Ratten" ("Holmby Hills Rats"). Sinatra änderte das zu "Rat Pack" - der Name der "Bad Boy Group" war geboren!

Die Schlagzeilen waren hässlich, unter aller Würde. Dino, kurz vor seinem Tod, wo er gestützt aus dem Restaurant ging, blieben mir lebhaft in Erinnerung. Aber der Inhalt des Artikels oder die Überschriften waren ein Schlag ins Gesicht - das hat Dino nicht verdient. Dass man schrieb, dass sein ausschweifendes Leben (zu viel Frauen, zu viel Sex, zu viel Alkohol, zu viel Zigaretten) seinen Tribut zollte und für seinen Niedergang verantwortlich war. Mich persönlich hat das geschmerzt, vor allem, seit ich im Dean Martin Fan Club (DMFC) in Arcadia/Pasadena, Kalifornien bin. Ich bin gespannt auf die nächste Nummer des Magazins, wo wahrscheinlich ausführlich (mit Bildern) vom 100.Geburtstag Dinos in seiner Heimatstadt Steubenville/Ohio berichtet wird; ich wäre so gern mal dabei, wären eben diese 10'000 km oder so nicht.

Was war's, das mich so an ihm faszinierte? Ich war 13 Jahre alt, andere Mädchen schwärmten von David und seinem kleinen Bruder Shaun Cassidy, Leif Garrett, die Bay City Rollers, die Rolling Stones, die Bee Gees. Und ich? Ich schwärmte für einen Sänger, der mein Grossvater hätte sein können! Aber ich blieb ihm treu, zusammen mit meinem Vater, der mich auf Dean Martin brachte (meine Mutter schwärmte für Elvis und Sinatra). Warum mein Vater auf Dino kam? Keine Ahnung, aber vielleicht, weil Dino irgendwie sein Seelenverwandter war (meiner auf jeden Fall). Introvertierte Leute, die extrovertiert wirken (wie Dino, ich und mein Vater), die erspüren irgendwie ihre Seelenverwandten. Ab da begann ich alles, was mit Dino zu tun hatte, zu sammeln, zu lesen, zu schauen und zu hören. Meine LP-, CD-Sammlung wuchs, meine Ordner mit Artikeln füllten sich und seine Filme - vor allem die Western - mochte ich sehr. Jerry Lewis, seinen Partner von früher, mochte ich nie (ich hab's nicht so mit Comedy oder Clowns). Und, gemäss Bio, war Jerrys Egozentrik der Grund zum Bruch: der wollte alles kontrollieren, alles machen, perfekt eben - im Gegensatz dazu, die Leichtigkeit von Dino, dem Wiederholungen noch und nöcher so zuwider waren wie langen Text zu lernen. Und dann die Kritik - nicht nur Jerrys, sondern auch mit Filmkritikern hatte Dino liebe Mühe, die ihn in der Folge lieber simple, einfältige Rollen übernehmen liess, statt dramatische (mit Ausnahmen wie "Airport"). Ich persönlich schätzte Dinos Dramen (Young Lions, Toys in the Attic, Mr. Ricco) und Western mehr als seine Komödien. Mich persönlich traf es immer, weil ich dachte bei letzteren, er nehme sein Spiel nicht ernst, zog's ins Lächerliche, und mit so was habe ich Mühe.

1994, 1 Jahr vor Dinos Tod, trat ich dann dem DMFC bei, der von einem ehemaligen Fan von Deans "Golddiggers", den Showgirls aus Dinos Wochenshow, und späteren Studioassistenten Neil Daniels gegründet wurde. Auch heute noch bin ich Mitglied (€ 30.--/p.a. inkl. 4 qualitativ gute Magazine). Darin wird mit Schund und Klatsch aufgeräumt, über Deans Leben, seine Filme, seine Freunde und Familie berichtet. Sehr interessant und lehrreich - die Sixties werden dann stets wach. Auch ist es für uns Deutschsprachige gut fürs English-Update. Online kann man dazu was beisteuern. Was ich aber bemerkt habe - anders als als ich in den USA war und gewisse Leute darauf ansprach, die in den Sixties gross wurden oder erwachsen waren - bei den Postings ist, dass die meisten Fans, wie alt die sind, weiss ja keiner, man kann's nur vermuten, durch Dino wieder an ihre Jugend erinnert werden, an die "gute alte Zeit", vor Internet und Smartphone, wo es nur 3 oder 4 TV-Programme/Kanäle gab….

Für mich als Heranwachsende war Dino ein Vaterersatz, hatte ich doch wenig von meinem Vater. Ich schrieb Dino Briefe, teilte damit meine Erlebnisse und Kummer, und liess ihn schliesslich auch zu einer Hauptfigur in meinen Romanen werden - so, wie er wirklich war. Natürlich bettete ich alles mit ein, was ich durch das DMFC über ihn erfuhr, und fand die Story atmosphärisch gelungen. Das bedingte ich, dass ich, die bis dahin nie weiter als bis zum Schwarzen Meer in Europa kam, mich in die USA-Reiseführer einlesen musste, vor allem Beverly Hills, LA, Kalifornien. Dadurch lernte ich vieles, was das TV nicht vermittelte, und konnte so irgendwie authentischer schreiben. Auf jeden Fall kommt's mir heute so vor, als wäre ich wirklich mit "Onkel Dino" familiär verbunden gewesen. Diese Stories, eine Reihe, die ich Dino zu Ehren "Everybody Loves Somebody" nannte, beinhaltet 5 Teile. Da ich nie ein Autogramm von ihm erhielt, was ich natürlich auch versuchte, habe ich ihn eben in meinen Teenager-Stories verewigt (ein Mix aus Tagebuch und Fantasie/Wunschdenken). Apropos Autogramm: Nach all dem, was man heute weiss, wurden die Autogramme selten (!) von den Stars signiert - verständlich, bei all den anderen Auftritten und Shows; daher kann ich meine fehlgeschlagene Anfrage auch verschmerzen.

Nach wie vor kann ich mich am besten bei "Rio Bravo" entspannen und fühle mich manchmal wie Dude, der beim Austausch Gut/Böse den Bösewicht Claude Atkins auf halbem Weg in den Sand wirft und somit auf die Seite der Guten zieht statt ihn seiner Bande auszuhändigen. So geschmeidig, so zerbrechlich, so männlich, so sinnlich, so clever, so agil, abgeschlagen und doch leicht verschmitzt wie in diesem Western habe ich ihn seither in keinem anderen Film erlebt. In diesen einen Film zeigt er sein gesamtes Können: Schauspieler (Wer kann schon einen Betrunkenen so darstellen, ohne betrunken zu sein?) und Sänger. Ich mag seine Komödien weniger, seinen US-James Bond-Verschnitt Matt Helm etwas, aber auch nicht sehr. Ich schau mir die Reihe nur an, weil ich als Babyboomer eben ein Kind der Sixties bin, und diese Zeit liebe. Aber die flachen Dialoge, die Ironie, das durch den Kakao-Ziehen (der Frauen und der Politik) gefällt mir ganz und gar nicht). Die Reihe lebt vom Gucken bzw. Hingucken zu den sexy Girls. Die Originalbücher (Vorlagen) haben mit Dinos Matt Helm nicht viel gemein. Der Original-Matt war ein stahlharter Bursche, ein Auftragskiller par exellence von der Regierung, eher hölzern, aber reaktionsschnell - anders als Dinos geschmeidiger, weltmännischer Matt, dem das Töten eher ein notweniges Übel war, denn "Job as usual".

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