Barbara Sukowa ist die Visionärin Hildegard von Bingen

22.09.2009 - 08:55 Uhr
Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen
Concorde Filmverleih GmbH
Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen
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Vision ist Porträt einer der faszinierendsten Frauengestalten des Mittelalters – der Äbtissin, Visionärin, Naturheilkundlerin und Komponistin Hildegard von Bingen. Barbara Sukowa spielt sie und beantwortet hier Fragen zu ihrer Rolle.

Barbara Sukowa spielt in Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen unter der Regie von Margarethe von Trotta die Hildegard von Bingen. Hier beantwortet sie Fragen zu ihrer Rolle und ihrer freundschaftlichen Beziehung zur Regisseurin.

Hildegard von Bingen war eine große Visionärin ihrer Zeit, gibt es auch heute noch etwas, dass man von ihr lernen kann?
Es gibt im Augenblick eine Tendenz, sich zunehmend diesen nicht wissenschaftlich belegten Dingen gegenüber zu öffnen, eine Tendenz, die immer stärker wird. Man steht unserem wissenschaftlichen Zeitalter, auch dieser ganz materialistischen Weltanschauung, die nach dem Zweiten Weltkrieg für uns sehr wichtig war, um eine Erklärung in das Chaos zu bringen, nicht mehr so unkritisch gegenüber. Es gibt überall Bemühungen und Bestrebungen, sich spirituellem Gedankengut und Religionen wissenschaftlich zu nähern. Im Zuge dieser Bewegung wird das Interesse an Hildegard von Bingen als Visionärin geweckt und steigen.

Wie schätzen Sie Hildegard von Bingen ganz persönlich ein?
Hildegard von Bingen war eine Frau, die sich etwas genommen hat, was ihr die damalige Gesellschaft verwehrt hat. Ihre gesellschaftlichen Möglichkeiten als Nonne und Äbtissin in einem Kloster waren eigentlich sehr begrenzt. Sie hat diese Grenzen gesprengt durch ihre Visionen, hat es geschafft, dass ihre Visionen von der Institution der Kirche anerkannt wurden und hat sich einen Freiraum geschaufelt, in dem sie sich im modernen Sinne verwirklichen konnte. Das hat viel damit zu tun, dass sie als Kind immer kränklich war. Ich spüre da einen Berührungspunkt mit Rosa Luxemburg, die ich auch mit Margarethe von Trotta erarbeitet hatte. Auch Rosa Luxemburg war als Kind krank. Manche Menschen, die als Kinder lange Zeit im Bett verbringen und nicht die Außenwelt erfahren können, entwickeln eine sehr starke Innenwelt und Fantasie. Das traf bei Hildegard von Bingen zu, einer Frau mit sehr wachem Intellekt, die zielstrebig, hartnäckig und kraftvoll trotz möglicher physischer Schwäche ist. Eine Kämpferin, die wusste, wie sie zum Ziel kommt und die sich oft klein gemacht hat, in der Männerwelt dieser Kirche, um gehört zu werden. Das hat sie sehr raffiniert eingefädelt und meiner Meinung nach hat sie auch geschickt manipuliert.

Was war die größte Herausforderung bei der Rolle für Sie?
Eine Frau zu verkörpern, die einfach ganz fest im Glaubensbild des 12. Jahrhunderts stand – die Menschen glaubten an Himmel und Hölle, die Verdammnis und die Auferstehung. Die Schwierigkeit dabei ist, dass diese Frau vor 1000 Jahren gelebt hat und man weiß, dass man sich eigentlich nicht wirklich in die Denkwelt eines solchen Menschen hinein versetzen kann, also sucht man aus dem Material das, was eine Resonanz mit Heute hat und zieht etwas aus der Person, was mit einem selber zu tun hat. Ich erhebe nicht den Anspruch zu sagen, ich stelle jetzt diese Frau aus dieser Zeit dar oder irgendeinen Menschen aus dieser Zeit.

Wie war Ihre Begegnung mit der Musik des Films? Sie sind seit vielen Jahren selbst als Sängerin erfolgreich.
Ich mag diese Musik, eine schöne und auch für die Zeit ein bisschen ungewöhnliche Musik, sie hat etwas sehr Heiteres und Spirituelles. Hildegard von Bingen folgte in ihren Kompositionen nicht den Regeln der Zeit, ob bewusst oder weil sie nicht anders konnte, weiß man nicht so genau. Es fiel mir jedenfalls nicht schwer, diesen Part zu singen.

Gehen Sie an einen historischen Stoff anders als an einen zeitgenössischen heran? Was ist “leichter” oder “schwieriger”?
Schwierig oder leicht hat eigentlich nicht so viel damit zu tun, ob ein Stoff historisch oder zeitgenössisch ist. Schwierig oder leicht hat damit zu tun, welche Nähe man zur Figur empfindet oder wie sehr man sie vielleicht verändern muss, was man bei sich selbst vielleicht durchstoßen muss, um die Figur zu verstehen. Bei einem historischen Film versucht man die Geschichte kennen zu lernen und die Grenzen der Menschen. Ich habe mir zur Vorbereitung alte Gemälde angeguckt und darauf geachtet, wie die Leute die Hände gefaltet hatten, welche Kleidung sie trugen und welche Pose sie einnahmen. Insofern ist es schon ein Unterschied, ob ich eine Hildegard von Bingen oder eine Frau von Heute verkörpere.

Sie haben schon mehrmals unter der Regie von Margarethe von Trotta gespielt. Was verbindet Sie über die Jahrzehnte?
Sicherlich eine Freundschaft. Für mich ist es immer besonders schön, mit Margarethe von Trotta zu arbeiten, weil sie selbst Schauspielerin war und Schauspieler wirklich versteht und somit beide Positionen kennt. Sie hilft und hört ganz genau hin. Zudem finde ich sie als Person spannend, auf der einen Seite ist sie klug und intellektuell, auf der anderen sehr warmherzig und allen möglichen Dingen offen gegenüber – auch irrationalen. Als sie anfing, Filme zu machen, mussten Frauen innerhalb der Männer bestimmten Filmwelt noch ziemlich kämpfen. Und da erschien sie manchmal härter als sie ist, weil sie sich durchsetzen musste. Die andere Seite von ihr, eine sehr humorvolle, ist über die Jahre immer noch größer geworden.

Quelle: Mit Material von Concorde

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