Armin Mueller-Stahl hat Tom Cruise abgesagt

23.12.2008 - 11:00 Uhr
Armin Müller-Stahl in Buddenbrooks
Warner Bros. Ent.
Armin Müller-Stahl in Buddenbrooks
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NEWS» Armin Mueller-Stahl über seine Arbeit an Buddenbrocks und seine Absage an den Hollywood-Film Operation Walküre.

Haben Sie in Erinnerung, wann Ihnen die Buddenbrooks und Thomas Mann zum ersten Mal begegnet sind?
Als ich 18 war, im Krankenhaus. Mir wurden die Mandeln raus genommen, und ich habe Hermann Hesse – Narziß und Goldmund – und die Buddenbrooks gelesen. Damals habe ich sie nicht unter dem Aspekt gelesen, wie sie geschrieben sind, sondern was Thomas Mann geschrie ben hat. Das hat mich sehr interessiert. Die Figuren waren so gut beschrieben, dass ich so gar glaubte, auf der Straße Grünlich zu begegnen.

Armin Mueller-Stahl – das Gesicht Thomas Manns in den Manns und nun das Gesicht Jean Buddenbrooks. Es scheint kein Ende zu nehmen mit Ihrer Verbindung zu Thomas Mann.
Das habe ich mich auch schon gefragt, denn – um ganz ehrlich zu sein – ein ganz großer Fan bin ich von Thomas Mann nicht, obwohl dieser Roman eine unglaubliche Weitsicht eines jungen Menschen zeigt. Später war mir Max Frisch in seiner kurzen, kühlen Sprache viel näher. Das war dann die Zeit, in der ich auch darauf achtete, wie geschrieben wurde. Da schien mir Thomas Mann manchmal zu gewollt. Das passte dann auch zu dieser Figur Thomas Mann, die mir immer ein bisschen fremd blieb: Der sich im Anzug, mit Taschentuch und Krawatte morgens an den Schreibtisch setzte und mit seinem Mont-Blanc-Füller seine Romane schrieb. Das war nicht die Figur, die ich ein Leben lang begleiten möchte. Ganz anders verhält es sich mit Heinrich Breloer. Mit ihm habe ich gut zusammen gearbeitet: Wir haben fünf Monate an Thomas Mann gearbeitet und nie gestritten. Es war immer harmonisch, wir haben immer nach der besten Möglichkeit gesucht, die Figur zu spielen. Dann hat Heinrich Breloer mir einen Brief geschrieben und kam mich zu Hause besuchen. Ich habe zunächst gezögert, zuzusagen, denn ich hatte ein Angebot, in dem Film Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat mit Tom Cruise den General Beck zu spielen. Ein Angebot, das ich auch gerne angenommen hätte, das habe ich Heinrich Breloer auch gesagt. Ich habe ihn um Zeit zum Überlegen gebeten.

Was hat letztlich den Ausschlag gegeben für Ihre Entscheidung?
Ich hielt es einfach für fair Heinrich Breloer gegenüber. Und ich dachte mir, wenn ich mich jetzt langsam vom Film verabschieden will, dann sollte ich das mit einem deutschen Thema tun. Ich habe ja gleichzeitig auch noch einen US-Film mit Tom Tykwer gedreht, das werden dann, bis auf einen, der noch aussteht, meine letzten Filme sein. Merkwürdigerweise sterbe ich in all diesen Filmen. In den Buddenbrooks – Ein Geschäft von einiger Größe an einem Schlaganfall. Der interessanteste Tod wäre in Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat gewesen, General Beck bittet um eine Pistole und schießt dreimal daneben. Und beim Tom Tykwer werde ich erschossen. Das sind lauter Generalproben, so gesehen. Ich habe beinahe das Gefühl: “Wir töten ihn in jedem Fall. In jedem Film – nun soll er endlich gehen.” Das werde ich auch wirklich tun und ich freue mich schon sehr auf all die anderen Dinge, die ich hoffentlich noch erleben werde.

Wie sehen Sie die Figur des Konsul Jean Buddenbrook? War sie Ihnen sympathischer als die Figur des Thomas Mann?
Ich kann die Figuren nicht aufwiegen in Sympathie und Antipathie, das ist nicht meine Herangehensweise. Aber es ist eine Figur, die sicherlich einige Dinge von Thomas Mann mit sich trägt – das haben sie alle. Gute Schriftsteller transportieren sich immer in andere Figuren hinein, weil sie natürlich auch aus sich schöpfen. Jean Buddenbrook ist jemand, der mit einem großen Ehrgeiz, mit einem preußischen Pflichtbewusstsein aufgewachsen ist und sehen möchte, dass seine Kinder es zu etwas bringen. Er orientiert sich dabei an den ihm bekannten Kategorien – eine Kaufmannstochter, seine Tochter, soll wiederum einen Kaufmann heiraten, alles soll in ordentlichen Bahnen laufen. Wer ein Geschäft hat, muss sehen, dass es blüht, und sich vergrößert. In diesem Bergaufsteigen, wenn ich das mal so nennen darf, ist gleichzeitig auch die Katastrophe, das eigentlich Interessante, mit enthalten. Eine reine Erfolgsstrecke alleine ist ja nicht interessant. Siegen und Scheitern ist das Schicksal vieler Industrieller, nicht nur der damaligen, sondern auch der heutigen Zeit. Insofern ist solch eine Geschichte auch zeitlos.

Die Kostüme der Buddenbrooks sind sehr beeindruckend. Hat man da als Schauspieler den Eindruck: Das verändert einen?
Oh ja! Das ist ganz wichtig. Wenn man jemandem im Frack begegnet, spricht man anders mit ihm als mit jemandem in Fladderjeans. Für mich waren immer die Schuhe wichtig, von ihnen her habe ich eine Figur aufgebaut. Mit den Schuhen gibt es einen bestimmten Gang, einen bestimmten Gestus, und das sieht man ganz deutlich. Das hat sich mittlerweile ein bisschen gelegt, aber früher war das sehr wichtig für mich. Die Kostümbildnerin Barbara Baum ist eine ganz große Künstlerin. Sie sucht Details aus und ist ganz verliebt in kleine Muster. Da geht man natürlich als alter Rüpel erst einmal drüber weg. Dann guckt man sich das aber genau an und denkt: Ja, schön ausgesucht.

Das Buddenbrookhaus, das nachgebaut und nachempfunden ist, gibt einem doch sicherlich auch beim Spielen ganz andere Möglichkeiten.
Götz Weidner ist, so wie Barbara Baum, einer der Besten in Deutschland, die wir auf diesem Gebiet haben. Allein diese frei schwebende Treppe ist ein architektonisches Wunder, und es sieht ästhetisch so schön aus. Wenn ich nach oben schaue, hängt so ein mathematisches Bauwerk mitten im Raum. Stufen, die man natürlich von unten nicht hoch laufen kann, aber wenn ich eine Ameise wäre, könnte ich dort auch hoch laufen, mit dem Kopf nach unten. Das ist faszinierend.

Die Außendrehs fanden ja größtenteils in Lübeck statt, der Stadt Ihrer Heimat…
…na, nicht ganz meiner Heimat. Allerdings muss ich etwas dazu sagen, was die wenigsten wissen: In Lübeck wird man erst eingemeindet, wenn man in der dritten und vierten Generation ist, und die Lübecker verbreiten durchaus einen gewissen Stolz, wenn sie diese vier Generationen nachweisen können. Beim Blick auf die Ahnentafel meiner Verwandtschaft – 1562, Kaufmann in Lübeck – schütteln sie häufig erstaunt mit dem Kopf, denn da sind sie mit der vierten Generation ganz, ganz bescheiden dran. Allerdings habe ich ihn nicht gekannt, den Kaufmann, der mein Ur-ur-ur – ich weiß nicht, wie viele Uren davor gehören – Ur-großvater war. Dass ich jetzt in der Nähe wohne, ist ein Zufall.

Man hatte den Eindruck, dass die ganze Stadt den Film mitgetragen hat. Wie haben Sie diese Begeisterung erlebt?
Es gibt Leute, die, wenn sie in einer Stadt geboren sind und in ihr verwurzelt sind, auch einen gewissen Stolz auf diese Stadt haben. Und die Buddenbrooks und Thomas Mann sind für die Lübecker sehr wichtig. Ich habe von einem Arzt einen Brief mit der Bitte um eine Buchwidmung erhalten, und es sollte unbedingt der Satz aus den Buddenbrooks “Sei mit Lust bei den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, dass wir bei Nacht ruhig schlafen können” sein. Auch diese Bitte reflektiert einen gewissen Stolz.

Können Sie etwas zur Zusammenarbeit mit Ihren Kollegen sagen?
Wenn man die Arbeitsatmosphäre beschreibt, läuft man immer Gefahr zu sagen, dass alles wunderbar war. Ich persönlich finde es immer sehr fragwürdig, das zu sagen, weil ich vermute, dass es eben nicht immer so ist. Aber ich muss gestehen, hier ist etwas sehr Schönes passiert: Man hat sich geeinigt, einen Ensemblefilm zu machen und keinen Film für Stars. Das heißt, man musste es auch so bedienen. Und das bedeutete, dass ich als der ältere Kollege in so einem Team schlecht beraten gewesen wäre, wenn ich aus dem Film ein ‘Star-Written-Piece’ hätte machen wollen. Ich wollte das Stück und die anderen Kollegen bedienen, und ich habe mich sehr darüber gefreut, dass die Kollegin oder der Kollege sehr gut ist. Das, was häufig eine Rolle in diesem Geschäft spielt – die Eifersüchtelei – war nicht vorhanden.

Quellen: Mit Material von Warner Bros. Ent.

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