You know his name - Eine Reise durch die Bourne-Reihe

19.08.2016 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Die Bourne-ReiheUniversal
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2002 machten wir uns zusammen mit einem namenlosen Agenten auf die Suche nach seiner Identität. Zum Start des bereits 5. Films der Action-Reihe ist uns sein Name mehr als bekannt. Wir setzen uns heute kritisch mit 14 Jahren Bourne auseinander.

Wir lernen Jason Bourne als einen Niemand kennen. Identitätslos taucht er auf hoher See im Wasser auf. Nicht einmal Teil eines Landes ist der namenlose Mann somit. Er startet mit nichts. Der einzige Hinweis auf seine Vergangenheit: Eine Lampe, die Daten für ein Bankschließfach an die Wand strahlt. Was das genau zu bedeuten hat, wissen weder wir noch er selbst. Während Die Bourne Identität sind wir durchgehend auf dem gleichen Wissensstand wie der Protagonist.

Der Bourne Mythos

Ein wiederkehrendes Bild der gesamten Bourne-Reihe sind Leute in Anzügen, die in geheimen Büroräumen oder Regierungszentralen auf ihren Tastaturen herumhacken und auf ihren Bildschirmen hochkonzentriert den Mann verfolgen, auf dessen Seite wir uns geschlagen haben. Sie scheinen Angst vor ihm zu haben. Dadurch, dass wir nicht wissen, warum, sind wir nur auf die fragmentarischen Erzählungen angewiesen, die uns vor die Füße geworfen werden und Bourne (Matt Damon) zu einer nahezu mythischen Schattengestalt erheben, die zu allem fähig scheint. Bourne hat zwar noch keinen Namen, aber die Mystifizierung weht in die informationslöchrigen Segel der mysteriösen Figur und macht ihn interessant.

Bo(u)rn(e) in water

Mit dem Einstand von Paul Greengrass in Teil 2 der Reihe festigten die Bourne-Filme ihre stilistische Identität und damit ihren Wiedererkennungswert, er etablierte erzählerisch jedoch nichts Neues. Die abzuarbeitenden Plotpoints verkamen schließlich nur noch zum gelangweilten Aufsagen der Formel: Bourne wird attackiert, Bourne schlägt zurück, Bourne recherchiert in einem Internetcafé nach seinem wahren Feind, Bourne geht auf die Jagd.

Die Bourne Realität

Die Bourne Identität unterwanderte das Spektakel oft (die Treppenszene außen vor gelassen), indem er Ansätze generischen Spektakels direkt dekonstruierte. Als Bourne-Girl Marie St. Jacques (Franka Potente) ein Foyer auskundschaften soll, damit Bourne im Anschluss einen strategischen Schritt vorwärts gehen kann, um eine wichtiges Dokument zu stehlen, lässt sich Marie am Empfangsschalter einfach eine Kopie machen. Ein Action-Versatzstück erklärt Regisseur Doug Liman hier für überflüssig. Irgendwann greifen die Anzugträger zum Telefon und setzen versierte Profikiller auf Bourne an. Meistens mehrere, darunter aber immer ein Hauptakteur. Ihre Strippenzieher agieren derweil im Hintergrund. Die Tragik der marionettenhaften Killer ist erzählerisch der einzig interessante Punkt, den die Reihe in vier weiteren Filmen je machen wird. Die Sinnlosigkeit des Kriegsaktes reflektiert Clive Owens ominöser Professor und Hauptantagonist im ersten Film wohl am eindrucksvollsten. Die Spektakelverweigerung von Doug Limans Startschuss-Film bettet den so reduzierten Mann-gegen-Mann-Showdown in eine nüchterne Tragik. Wenn der gefallene Professor die Ausweglosigkeit der Gesamtsituation reflektiert, verstehen wir noch nicht, was er meint, aber wir fühlen es.

Paul Greengrass' Einstand mit Die Bourne Verschwörung stellte der einsetzenden erzählerischen Identitätskrise, die sich zunehmend nur noch aus Versatzstücken des Ursprungs zusammensetzte, seinen markanten Stil entgegen. In Doug Limans und dann vor allem Greengrass' Beiträgen sorgten die Wackelkamera und der Schnitt für entfesselte, wuchtige Action und visualisierten zudem Jason Bournes Sinneszustand. Die Bourne Identität spielte noch mit paranoiden Kamerawinkeln und schlagartigen Wu(s)tausbrüchen, Paul Greengrass schleuderte Bourne in seinen folgenden drei Filmen ungebändigt durch die Welt. Bourne ist dabei immer badass, aber mutiert nie zum Superhelden. Eine realistische Atmosphäre kreierte die Reihe durch ihre atmenden Schauplätze, die immer intensiv genug gezeigt werden, um als existierende, individuell markante Orte wahrgenommen zu werden. Die Bourne Identität erdete sich im Unterwandern des Spektakels, indem er Ansätze generischer Action dekonstruierte, und gestaltete daraus seinen Realismus. Paul Greengrass wiederum baute den methodischen Action-Bourne aus, der seine Gegner eher entwaffnet und im Faustkampf herausfordert, als sich seinen Weg freizuballern. In den Kernkampfszenen blendete er zudem jeglichen dramatisierenden Soundtrack aus und ließ die Action für sich sprechen.

Bourne im Nahkampf in Das Bourne Ultimatum

Einen entscheidenden Teil zur rauen Erdung von Greengrass' Bourne-Beiträgen trug seine hyperrealistische Wackelkamera-Ästhetik bei. Den kürzlich erschienenen Text meines Kollegen über Paul Greengrass, den Wackler würde ich über die durchaus positiven Aspekte von Paul Greengrass' Stil hinweg nur um eine Voraussetzung erweitern, damit die Greengrass-Ästhetik aufgeht: Um den rasanten Action-Montagen zu folgen, müssen wir in sie involviert sein. Das Greengrass'sche Wackelkino bedient sich trotz aller Präzision eines schnell überfordernden und anstrengenden Stilmittels, das nur im Zusammenspiel mit der Investition des Zuschauers nachvollziehbar ist. Und dafür ist die Bourne-Reihe in vielen anderen Punkten zu redundant.

Die gesamte Motivation für Die Bourne Verschwörung rechtfertigt sich durch die Liebesbeziehung von Jason Bourne und Marie St. Jacques, die bereits im ersten Teil viel zu holprig, nie authentisch (nicht zuletzt durch Franka Potentes Schauspiel) und allzu kitschig war, um je emotionales Potenzial zu offenbaren. Das Bourne Ultimatum versucht in seinem Finale ein letztes Mal, einen denkwürdigen Akzent zu setzen. Das funktioniert leider nur auf dem Papier. Liegt Bourne am Ende in einer rahmenden Reminiszenz vermeintlich tot im Wasser, sehen wir einen Mann, dessen Namen wir nun zwar kennen, eine Identität hat er nach drei Filmen jedoch immer noch nicht. Die großen Momente im Finale der Bourne-Trilogie stehen zudem nicht auf eigenen Beinen. Sie ruhen sich nur im Schatten von Die Bourne Identität aus. Erzählerisch kann die Reihe, zumindest in der Handlung um den titelgebenden Jason Bourne, ab dem zweiten Teil nichts mehr liefern, was Momente mit einer eigenen Identität generieren könnte.

Die Bourne Alternative

Der zu Unrecht ausgeklammerte Franchise-Sohn Das Bourne Vermächtnis war sich der erzählerischen Mangelware der Reihe bewusst. In seiner dritten Regiearbeit konzentrierte sich der Drehbuchautor der ersten vier Bourne-Filme, Tony Gilroy (Michael Clayton), deshalb auf das einzig Interessante, was die Filme erzählerisch je hergaben: Das Bourne Vermächtnis reflektiert das Trauma des Treadstone-Programms, allerdings nicht nur auf seine Hauptfigur oder die unter den Prozeduren leidenden Agenten beschränkt. Das Drehbuch, das Tony Gilroy zusammen mit seinem Bruder Dan Gilroy (Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis) schrieb, brauchte nicht nur keinen Jason Bourne, es tat der Geschichte unglaublich gut, ihren Fokus auf eine andere Figur zu legen und gleichzeitig zu vergrößern. Im Labor der uneingeweihten Ärztin Dr. Marta Shearing (Rachel Weisz), die die Treadstone-Teilnehmer medizinisch betreut, läuft ein Kollege von ihr plötzlich Amok. Als sie in ihrem Haus anschließend von einschüchternden Anzugträgern zu dem Vorfall verhört wird, kommt ihr Aaron Cross (Jeremy Renner) zu Hilfe. Dabei verliert auch einer der gegnerischen Verhör-Spezialisten sein Leben. Tony Gilroy lässt sich Zeit, in diesem Moment des Films auch die Auswirkung dieses Verlustes zu reflektieren und zwar durch die Reaktion einer anderen Befragerin. In Das Bourne Vermächtnis werden auch Opfer auf der anderen Seite nicht schlicht als Kollateralschaden verbucht.

"Was mache ich hier eigentlich?" Tommy Lee Jones will eigentlich nur nach Hause in Jason Bourne

Das Bourne Vermächtnis fand jedoch keinen Anklang beim Publikum, weswegen klar war, dass eine weitere Fortsetzung Jason Bourne zurückholen musste. Ganz im Zeichen seiner vorherigen Franchise-Beiträge rekapitulierte Paul Greengrass in Jason Bourne wiederholt blutleere Versatzstücke. Tommy Lee Jones' Leistung in Jason Bourne wirkt wie die charakterisierte Manifestation des Franchise an diesem Punkt: müde.

Bevor ein 4. Teil der Bourne-Reihe ernsthafte Züge annahm, witzelte Paul Greengrass, man könnte eine weitere Fortsetzung The Bourne Redundancy nennen. Er sollte Recht behalten.

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