You Are Wanted - Wie gut ist die Serie mit Matthias Schweighöfer?

17.03.2017 - 09:40 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
You Are WantedAmazon Studios
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Matthias Schweighöfer stellt mit You Are Wanted die erste deutsche Eigenproduktion von Amazon vor und wir haben die ersten beiden Episoden gesehen.

Das Gesicht zerschunden, Blutflecken auf der Stirn, die Oberlippe aufgeplatzt und der gehetzte Blick geht zu den unsichtbaren Verfolgern. Vaterfreuden oder der geilste Tag erwarten Matthias Schweighöfer in seiner neuen Serie You Are Wanted nicht gerade. Dessen will uns das Werbematerial versichern. "Seiner" sei hier betont, denn die erste deutsche Eigenproduktion für Amazon Prime Video wurde ganz auf ihren Star zugeschnitten. Schweighöfer spielt in den sechs Episoden einen Hotelmanager, der ins Visier eines Hackers gerät. Sein Leben gerät aus den Fugen. Der Schlussmacher wird mal so richtig durchge-bourne-t. Matthias Schweighöfer, dem Schauspieler, tut dieser Abstecher ins Serienfach auf jeden Fall gut. Zuschauern des Schauspielers Schweighöfer ebenso. Man ahnt eben nicht, wie viel interessanter ein geschundener, gehetzter, ängstlicher Schweighöfer sein kann, bis man ihn mit eigenen Augen sieht.

You Are Wanted

Seien wir also erst einmal froh, dass You Are Wanted keine romantische Komödie in Serienform geworden ist, sich also nicht im Genre bewegt, in dem Schweighöfer zum Zuschauermagneten wurde. Wie schon Til Schweiger mit seinen Action-Tatorten bietet die Zusammenarbeit mit Amazon ein Ventil für heimische Genre-Unterhaltung, die sich in deutschen Kinos selten rentiert. In diesem Fall ist es der Paranoia-Thriller angereichert mit reichlich Vernetzungspanik. Matthias Schweighöfer spielt Lukas, der alles hat, was man sich in einer deutschen Serienwelt so erträumt: Einen gut bezahlten Job hoch über der Skyline Berlins, ein schickes Eigenheim abseits des Molochs, Alexandra Maria Lara als verständnisvolle Frühstücksbrot-Schmiererin und einen Sohnemann, der Fußball mag, so wie es sich gehört. Zügig huscht die erste Episode dann zum 1-und-0-förmigen Haar in der Lebenssuppe. Über den Umweg eines stadtweiten Stromausfalls landet eine Kontaktdatei auf Lukas' Smartphone. Er lädt sie runter und im Nu werden Telefon, Tablet und Rechner fremdgesteuert. Jede pupillengroße Kamera mutiert zum potenziellen Auge des Feindes, während unerklärliche Bestellungen auf seinen Namen getätigt werden. Schließlich entdeckt seine Frau sogar Nacktfotos einer Fremden in seinen Nachrichten. Die Polizei verdächtigt Lukas, eine Bombe zu bauen und er wird er zum Alleingang gezwungen. Jedes Mal, wenn er glaubt, sich vom Hackergriff gelöst zu haben, lauert eine Zuspitzung der Situation. Als herauskommt, dass er nicht der einzige gehackte ist, stehen alle Zeichen auf deutschlandweite Verschwörung. Aber warum klebt ausgerechnet Lukas auf der Zielscheibe?

Zwei Episoden von You Are Wanted standen der Presse im Vorfeld zur Verfügung und diese lassen sich einerseits erstaunlich viel Zeit und wirken andererseits so gehetzt wie ihr Star auf dem Poster. Lukas' Familienidyll wird eher desinteressiert skizziert: die warme Geburtstagsfeier mit nicht näher definierten Freunden, das Original-Fußballtrikot fürs Kind, der zärtliche und züchtige Sex mit der Frau. Es scheint eben alles in Butter bzw. Nuss-Nougat-Aufstrich zu sein in Lukas' Leben. Die Bilder allerdings wirken schon verbraucht, ehe sie über den Bildschirm flimmern. So als kenne jemand ein gesundes Familienleben nur aus der Fernsehwerbung und müsse es reproduzieren. Ähnliches gilt für die Vision des Hackerdaseins. Das definiert sich in den ersten Folgen als dunkler zugemüllter Keller mit eigenbrötlerischen Baller-Spielern. Würde sich die Serie von Richard Kropf, Hanno Hackfort und Bob Konrad nicht so ernst nehmen, ginge Lukas' Ausflug in die Hacker-Höhle als Parodie durch. Entsprechend steigt die Kapuzenpulli-Rate in You Are Wanted mit zunehmender Laufzeit dramatisch an.

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Geduldiger wird hingegen das Thriller-Netz ausgeworfen und hier entwickeln die ersten Episoden von You Are Wanted ihre mögliche Stärke, namentlich mehrere Handlungsstränge, die dem Zuschauer erstmal wie saftige Köder (Typ: Fleischmade) vor Augen hängen. Lukas schaut kurz bei seinem entfremdeten Bruder (Joerg Pintsch) vorbei. Wenig wird erklärt, ein bisschen angedeutet für spätere Folgen. Vielleicht warten ein paar nötige Härten in der watteweichen Fassade von Erfolgsmensch Lukas. Ähnlich verhält es sich mit Katrin Bauerfeinds rätselhafter Figur und auch der spät anbrausenden Karoline Herfurth. Die fährt im Leder-Outfit auf dem Motorrad vor, mit massiger Sonnenbrille auf dem zarten Nasenrücken. Nach Sonnenuntergang, versteht sich. Was man nicht alles auf sich nimmt, um der allgegenwärtigen Überwachung in You Are Wanted zu entwischen!

You Are Wanted - das richtet sich an die Amazon-Abonnenten, die zwischen The Man in the High Castle, Transparent und Bosch deutsche Spezialitäten verkosten sollen. Garniert mit einigen der größten hiesigen Kinostars, soll der Hacker-Thriller es aufnehmen können mit der internationalen Konkurrenz. In Interviews  beschwört Koproduzent Dan Maag ein "medienhistorisches Ereignis". Die Serie wird ja weltweit ausgerollt, ist quasi der Neil Armstrong unter den deutschen Amazon-Produktionen. Fast mag man sie vor ihrem eigenen Marketing schützen. Nur hat das eine Produktion dieser Größe weder nötig noch verdient. You Are Wanted bietet zumindest in den ersten Episoden gediegene Thriller-Unterhaltung. Die Serie erinnert an ein weniger in Twists vernarrtes Who Am I - Kein System ist sicher. Klassisches Abendbrotprogramm wäre sie zu linearen TV-Zeiten gewesen. Sie begegnet dem Internet etwas wacher als der durchschnittliche Tatort, aber lädt erzählerisch gelegentlich zum Bierholen ein. Man muss keinen Mr. Robot bemühen, um die Probleme aufzuzeigen. Allen voran steht das lieblose World Building, das sich in Klischees ergeht, wahlweise aus dem Möbelkatalog oder einer Stock Photo-Suchmaschine. Bei Deutschland 83 oder Weinberg haben wir das atmosphärische Fundament schon plastischer, greifbarer beobachten dürfen.

Matthias Schweighöfer spielt mit Lukas einen gehetzten Wrong Man, einen Hitchcock-Helden im sehr Kleinen. Dass der Schauspieler in den üblichen Dramödien verschwendet wird, lässt sich in You Are Wanted wenigstens erahnen. Für Skepsis sorgen in diesen ersten Episoden hingegen die Autoren, die irgendwann eine halbwegs einleuchtende Erklärung für die Hacker-Eskalation herbeizaubern müssen. Aber es sind ja nur sechs Folgen. Der erste Schritt bei diesem "medienhistorischen Ereignis" ist getan, der Weg zum Mond aber noch lang.

You Are Wanted steht ab heute bei Amazon Prime Video zum Abruf bereit.

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