Straßen in Flammen - Ein Rocker-Märchen bringt euch durch die Nacht

28.08.2018 - 08:50 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Straßen in Flammen
Universal
Straßen in Flammen
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Für Straßen in Flammen mixte Walter Hill diverse Motive zusammen, die er selbst schon als Jugendlicher gerne in Filmen sah. So einfach kann es sein, einen Klassiker zu erschaffen.

Ich liebe diese Art von Filmen, die nicht lange fackeln und es schaffen, mich sofort in ihre Welt hineinzuziehen. Straßen in Flammen ist so ein Kandidat. Diane Lane war gerade einmal 18 Jahre alt, als sie für den Part der aufstrebenden Sängerin Ellen Aim vorsprach, hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits für Francis Ford Coppola vor der Kamera gestanden. Den Film von Walter Hill reißt sie ab dem Moment an sich, als sie zu dem Song Nowhere Fast auf die Bühne stürmt und dem Zuschauer den Atem raubt - den jubelnden Leuten direkt vor ihr, aber auch uns, dem Filmpublikum. Ihre rohe, zugleich anmutige Energie gibt den Takt vor. Zeilen wie "Goin' anywhere has gotta be heaven tonight, 'cause stayin' here has gotta be hell" (auf Deutsch: "Irgendwo hinzugehen muss heute Nacht der Himmel sein, denn hier zu bleiben ist die Hölle") performt sie zwar nur Playback, doch nicht zuletzt angesichts dieser entwaffnenden Alles-oder-nichts-Lyrik könnte das wirklich kaum egaler sein. Im Vorspann wird Straßen in Flammen dann noch als Rock'n'Roll-Märchen angekündigt und die Regie verliert keine Sekunde, dieses Versprechen einzulösen. Ein Versprechen ähnlich dem einer aufregenden Sommernacht, die nur einmal im Leben kommt.

In Straßen in Flammen liegen Himmel und Hölle nah beieinander

In Straßen in Flammen erscheint alles möglich, und das ist nicht einfach nur so dahergesagt. Noch während ihres Auftritts nämlich wird Ellen Aim von einer Motorrad-Gang gekidnappt. Hunderte Menschen schauen tatenlos zu, als deren Anführer Raven die Powerlady lässig auf seiner Schulter abtransportiert. Hinter ihm steckt niemand Geringerer als Willem Dafoe, der in Latex-Klamotten böse Miene zum sinnlichen Spiel macht und daran offenbar mächtig Spaß hat. Vollständigkeit erlangt das Kleinod allerdings erst mit seinem männlichen Helden Tom Cody (Michael Paré) - einem Ex-Freund Ellens, der von seiner Schwester herbeigerufen wird, um die Entführte aus den Klauen des fiesen Gauners zu befreien. Die Beziehung zerbrach einst, als Ellen ihre Karriere über die Liebe stellte. Cody (ursprünglich war Tom Cruise für die Rolle vorgesehen) ist trotzdem noch immer verrückt nach der Sängerin und versucht nach Kräften, das zu verbergen. So lässt er sich etwa die nun folgende abenteuerliche Rettungsmission von Ellens Manager und jetzigem Partner Billy Fish (Rick Moranis) großzügig bezahlen. Sein Stolz verbietet ihm, die Aktion aus alter Verbundenheit anzugehen. Doch wer beherrscht schon seine Gefühle und wo führen sie hin?

Straßen in Flammen

Straßen in Flammen ist ein filmgewordener Guns N' Roses-Song

Dieser innere Konflikt bildet - von Walter Hill opulent ausinszeniert - das Herzstück des Films. Darüber kann selbst ein finaler Kampf zwischen Cody und Raven mit Vorschlaghämmern (!) nicht hinwegtäuschen. Küsse im Regen, aufgemotzte Autos, Verfolgungsjagden, schmutzige Nachtzüge, Witze in kniffligen Situationen, Rockstars, Fragen der Ehre und vieles mehr vermengte der Regisseur zu einem Action-Musical, das seiner eigenen Logik folgend voll und ganz im Dienst der Romantik steht. Wie aus den Produktionsnotizen hervorgeht, mochte Hill all die erwähnten Motive als Teenager und weil sie ihn im Erwachsenenalter noch immer nicht losließen, drehte er Straßen in Flammen. Das Anbringen des Prädikats "für Junggebliebene" wäre hier demnach also keineswegs nur das Bemühen einer peinlichen Floskel. Dazu passend trägt Ellen Aims abschließender Song den Titel Tonight is What It Means to Be Young (auf Deutsch: Diese Nacht ist, was es bedeutet, jung zu sein).

Straßen in Flammen - seinerzeit übrigens ein Kassenflop - schickt uns in einen weder zeit- noch ortgebundenen Kosmos, in dem jede Chance ergriffen werden will, ihr eure Haare und Klamotten nach einem Barbesuch von Zigarettenqualm befreien müsst und sich Neonlichter schwermütig in Straßenpfützen spiegeln. Dieses Verständnis von einem urban wuchernden, rein ästhetischen Kino der Bilder und Klänge hat zumindest im weitesten Sinne überlebt. Nicolas Winding Refn (Drive) etwa dürfte sich mit der Welt Walter Hills Welt bestens auskennen, war doch er es, der sie in den vergangenen Jahren gleich mehrmals nachgebaut und von Keimen befreit hat.

Straßen in Flammen

Jean-Luc Godard sagte einmal, alles was ein Film brauche, sei eine Waffe und ein Mädchen. Streng genommen hat Walter Hill zwar noch einige Schauwerte mehr im Repertoire, aber Straßen in Flammen trägt dennoch aus voller Überzeugung den Geist dieses Zitats vor sich her. Das Drehbuch gerät dabei zur Nebensache, was in diesem Fall unbedingt als Kompliment zu verstehen ist. Weder Dialoge noch aufwändige Twists könnten den Moment ersetzen, als sich die Blicke von Ellen (auf der Bühne) und Tom (in der Masse) ein letztes Mal treffen und wir sehnsuchtsvoll einsehen müssen, dass im Leben selbst die schönsten Dinge manchmal einfach nicht funktionieren. Ja, Straßen in Flammen entstammt direkt der Fantasie eines Teenagers. Eines Teenagers aber, der schon einmal richtig verliebt gewesen sein muss.

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