Neues Netflix-Meisterwerk: 1899 ist gruseliger als Dark und bringt euer Hirn zum Platzen

18.11.2022 - 12:00 Uhr
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Die neue Mystery-Serie vom Team des Zeitreise-Hits Dark ist auf Netflix gestartet. Auch 1899 liefert ein verrätseltes Dauerfeuer der Verwirrung ab. Es ist großartig.

Was wir wissen, ist ein Tropfen – was wir nicht wissen, ein Ozean. Das berühmte Zitat von Isaac Newton wurde zum Leitsatz der komplexen Zeitschleifen-Serie Dark, die mit ihren unendlich vielen Rätseln und verschachtelten Erzählebenen Hirne zum Schmelzen brachte. Nun ist mit 1899 die neue Serie der Dark-Creators auf Netflix gestartet. Und die bringt uns wortwörtlich auf den Ozean der Ungewissheit.

Als großer Fan von Baran bo Odars und Jantje Frieses Serien-Puzzle Dark hatte ich vorab meine Bedenken. Kann das Kreativ-Team ein weiteres Mal das Rätsel-Feuer in mir entfachen, das mich voller Begeisterung in Theorien-Abgründe stürzen, Notizbücher vollkritzeln und jedes noch so kleine Detail interpretieren lässt? Nachdem ich 1899 gesehen habe, kann ich diese Frage beantworten: Ja, das können sie.

1899 fühlt sich an wie Dark, ist aber etwas ganz neues

Dark-Fans erwartet gleich zu Beginn von 1899 ein heimeliges Gefühl. Zwar geht es diesmal nicht um Zeitreisen und eskalierende Stammbäume, jedoch haben beide Serie eine ähnlich melancholische Atmosphäre. In Winden war es immer grau und regnerisch. Und auch 1899 ist von einer alles umhüllenden Düsternis definiert, während Bilder, Set Design und Musik die Dark-DNA in sich tragen.

Die Handlung von 1899 beginnt dabei recht ähnlich simpel wie einst in Dark. Dort fing alles mit dem Tatort-mäßigen Vermisstenfall des jungen Mikkel an, ehe sich die Serie erst später als das Windener Zeitknoten-Epos offenbarte, das wir kennen und lieben. Diesmal geht es nicht in eine deutsche Kleinstadt, sondern auf ein Passagierschiff, das im ausgehenden 19. Jahrhundert in Richtung Amerika schippert.

Schaut hier den Trailer zu Netflix' 1899:

1899 - S01 Trailer (Deutsch) HD
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Das Schiff Kerberos beherbergt über 1500 Menschen aus unterschiedlichsten Nationen, die von der Hoffnung auf ein besseres Leben zusammen gebracht werden. Auch wenn sie das gemeinsame Ziel eint, sind die an die 20 Hauptfiguren von 1899 zu Beginn durch ihre Herkünfte, Sprachbarrieren und Klassenunterschiede jedoch voneinander isoliert. Währenddessen nagen dunkle Geheimnisse und schmerzhafte Erlebnisse aus der Vergangenheit an ihren Seelen.

Aber egal ob feine Teegesellschaft in der ersten Klasse oder klaustrophobisches Gewusel in der verarmten dritten Klasse: Die Passagiere haben schon kurz nach der Abfahrt ein größeres Problem. Auf hoher See trifft die Kerberos unter dem Kommando von Kapitän Eyk Larsen (Andreas Pietschmann) auf das seit Monaten vermisste und scheinbar komplett verlassene Schwesterschiff Prometheus. Das dunkle Mysterium voller albtraumhafter und oft gruseliger Vorkommnisse kann beginnen.

1899 ist ein komplexes und hinschmelzendes Rätsel-Spiel

1899 ist nicht einfach nur eine Mystery-Serie über düstere Schiffsgeheimnisse: Sie ist eine Erfahrung. Die Handlung wird von Folge zu Folge rätselhafter. Auf jede Antwort folgen 10 neue Fragen und erst nach einigen Episoden und hirnschmelzenden Wendungen wird langsam klar, mit was für einer Art von Serie wir es hier wirklich zu tun haben. Für einige Zuschauende könnte genau das abschreckend sein, denn 1899 ist fast noch kryptischer als Dark.

Am besten lässt sich der hier hervorgerufene Verwirrungszustand mit den späteren Folgen von Dark vergleichen. Aber genau das ist die große Stärke dieses bis ins kleinste Detail durchgestylten Puzzles, das Fans von Mystery-Box-Serien wie Lost, The Leftovers und Westworld begeistern wird.

Dieser Junge behält alle Spoiler für sich

"In uns allen liegt eine ganze Welt verborgen, die nur entschlüsselt werden muss", erzählt Hauptfigur Maura Franklin (Emily Beecham) in der ersten Folge. Und eben dieses Entschlüsseln bannte mich acht Folgen lang hochkonzentriert vor den Fernseher. Da gibt es zum einen die zahlreichen und sich langsam aufdeckenden Hintergrundgeschichten der Figuren. Zu erforschen, wie ihre tragischen Schicksale miteinander verwoben sind, ist aber nur ein kleiner Teil des Mysteriums.

Mysteriöse Passagier-Zugänge, seltsame Käfer, überall versteckte Dreieck-Symbole und ominöse Geheimgänge sind eine kleine Auswahl der anderen Puzzle-Stücke, die uns 1899 im Minutentakt entgegen schleudert. Sie zu erkennen und zusammenzusetzen, obliegt dabei uns Zuschauenden. Wer der Serie nicht die volle Aufmerksamkeit schenkt und mitdenkt, ist schnell verloren. Belohnt werden wir aber mit in nahezu jeder Szene versteckten Hinweisen auf potenzielle Antworten.

1899 ist ein weiterer Rätsel-Geniestreich nach Dark

Für mich ging das Konzept von 1899 vollends auf. Die beklemmende Atmosphäre sog mich förmlich ein, während ich unablässig miträtseln und abstruse Theorien aufstellen konnte. Befinden sich die von Sünden gebeutelten Charaktere womöglich nicht auf einem Schiff, sondern im Fegefeuer? Oder haben wir es hier mit einer Massenpsychose von Patient:innen in einer psychiatrischen Anstalt zu tun? Und ist es Zufall, dass Freuds Die Traumdeutung ebenfalls im Jahr 1899 erschienen ist?

Dieses Theorienspiel macht 1899 zu einer wahnwitzigen Erfahrung. Denn während eine mögliche Interpretation gerade noch in meinem Kopf Form annimmt, feuert die Serie schon den nächsten WTF-Twist ab, der das Hirn platzen lässt. Mit jeder neuen Wendung werden meine Vermutungen und Theorien in neue und noch wildere Richtungen gelenkt. Es ist ein Rätsel-Erlebnis, wie es bereits Dark meisterhaft heraufbeschwören konnte.

Auch die Hauptfiguren sind so ahnungslos wie wir

Die neue Netflix-Serie ist natürlich viel mehr als nur die Geschichte einer Gruppe Migrant:innen und ihres eskalierenden Konflikts an Bord eines Schiffes. Ihre thematischen Einflüsse und klar erkennbaren Genrevorbilder an dieser Stelle zu benennen, würde allerdings in zu tiefe Spoilergefilde vordringen. Deswegen halte ich es an dieser Stelle möglichst spoilerfrei: Dark ließ mich an meinem freien Willen zweifeln. Und 1899 lässt mich nun meine Existenz und die Realität infrage stellen.

1899 ist keine Serie, die beim ersten Schauen komplett verstanden werden will. Vielmehr lädt sie dazu ein, mit dem Wissen über alle Enthüllungen noch einmal von vorne zu beginnen und all die bereits von Beginn an gestreuten Hinweise zu entdecken. Der Rewatch bringt nicht nur mehr Wertschätzung für die Figuren und ihre Geschichten, sondern offenbart auch, wie genial das neueste Serien-Enigma des Dark-Teams wirklich gestrickt ist.

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Habt ihr 1899 schon auf eurer Merkliste oder schon reingeschaut?

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