mother! - Unsere Interpretation der kryptischen Handlung

17.09.2017 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
mother!Paramount Pictures Germany
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Am vergangenen Donnerstag startete der Horrorfilm mother! in den Kinos. Wir erklären euch die verwirrende Handlung und was das alles zu bedeuten hat.

Achtung, es folgen Spoiler zu mother!: Diese Woche startete Darren Aronofskys surrealer Horrorfilm mother! in den Kinos. In den Hauptrollen geben Jennifer Lawrence und Javier Bardem ein namenloses Paar, das ein paar ungebetene Gäste empfängt, die ihr Leben auf den Kopf stellen. Was folgt ist ein surrealer und symbolträchtiger Trip, der in einer wahnsinnigen Apokalypse mündet. Schon im Vorfeld wurde der eigentliche Inhalt von mother! sehr vage gehalten (ein Glück, war es doch kein Remake von Rosemary's Baby). Doch auch nach dem Kinobesuch haben einige Zuschauer genauso viel Ahnung von der Handlung des Film wie vorher. Denn je weiter der Film fortschreitet, desto unzusammenhängender wird die Handlungsebene. Ab dem letzten Drittel erzählt sich mother! fast nur noch über eine Metaebene, die nicht jeder Fan sofort erfassen kann. Auch viele Kritiker scheinen auf diesen Fakt kaum einzugehen. Wir wollen euch daher unsere Interpretation von mother! vorstellen, die das Mysterium der kryptischen Handlung entschlüsselt und tatsächlich die Geschehnisse des Films sinnvoll zusammenführt. Eine letzte Warnung, falls ihr die Rätsel von mother! selbst lösen wollt.

Mother! lässt viele Interpretationsansätze zu, die der reichhaltigen Symbolik des Films entspringen. Doch worum geht es überhaupt? Um eine Frau mit Agoraphobie und sozialen Phobien? Oder um schwierige Beziehungen zu Künstlern? Doch die Lösung des Mysteriums liegt bereits im Titel verborgen und auch die Filmhandlung macht wenig Hehl daraus, ihre eigentliche Bedeutung zu verstecken. Die titelgebende Mutter ist nicht irgendeine Mutter. Sie ist die Mutter aller Menschen: der Planet Erde selbst. Im Kern ist mother! tatsächlich eine abstrakte Form der Geschichte der Mutter Erde aus der Sicht des christlichen Kreationismus, die sich in zwei große Kapitel einteilt.

ER

Eine Beziehung zu Gott
Im Zentrum von mother! steht die Beziehung zwischen Mutter und Gott. Javier Bardems Figur wird als Schriftsteller und Künstler dargestellt, dessen letzter Erfolg schon länger zurück liegt und der an einer Schreibblockade leidet, um sein nächstes Werk zu erschaffen. Dass es sich bei dieser Figur tatsächlich um Gott handelt, lässt bereits der Charaktername in den Credits vermuten. Dort wird er bloß "Him" (im Deutschen: Er) genannt und, Im Gegensatz zur "mother", großgeschrieben, ähnlich wie Gott in Übersetzungen des Alten Testaments. Mutter (Jennifer Lawrence) verbringt ihre Freizeit damit, ihr Haus zu renovieren und nennt dieses liebevoll ihr Paradies, das sie sich und ihrem Mann erschaffen will. Dieses Haus steht in der Mitte einer großen kreisrunden Wiese, welche wiederum von einem dichten Wald umgeben ist. Doch schon bald steht ein Fremder (Ed Harris) vor der Tür, den Bardems Charakter bei sich aufnimmt, ohne seine Frau vorher zu fragen. Dieser Mann ist ein großer Fan und wollte sein Idol noch einmal sehen, bevor er stirbt, denn er ist unheilbar krank. Schon hier versteckt sich der erste Hinweis auf die biblische Geschichte, denn schon bald tritt auch die Frau des Mannes, gespielt von Michelle Pfeiffer, auf der Türschwelle. So lässt Gott Adam und Eva in seinem Paradies leben. Neugierig drängen sich die zwei Neuankömmlinge in das Leben der Hausbesitzer und machen sich breit, als ob dies ihr eigenes Haus wäre. Doch die nervige Neugier der zwei Menschen nach dem mysteriösen Kristall, der sich in Gottes Arbeitszimmer befindet, führt dazu, dass sie diesen aus Versehen zerbrechen und den Zorn Gottes heraufbeschwören. Verletzt über den Verlust seines Kristalls verbarrikadiert Gott sein Arbeitszimmer mit dicken Brettern und verschließt sein Paradies für die Menschen in seinem Haus.

Die Menschheit vermehrt sich
Das nächste große Drama steht an, als die beiden Söhne der Eindringlinge auftauchen. Ihre offiziellen Figurennamen sind Ältester Sohn (Domhnall Gleeson) und Jüngerer Bruder (Brian Gleeson). Sie stehen für die zwei biblischen Figuren Kain und Abel, deren Geschichte in der Bibel direkt auf den Sündenfall folgt. Schon bald tötet Kain seinen Bruder vor den Augen von Mutter, die tatenlos zusehen muss. Anschließend findet eine Trauerfeier für Abel statt, zu der plötzlich zahlreiche Gäste in Mutters Haus eingeladen wurden. Devot und hilflos muss sie mit ansehen, wie die ungebetenen Gäste, die Menschen, sich in ihrem Haus breit machen und ihr auf der Nase herumtanzen. Auch ihr Mann scheint sich mehr und mehr seinen neuen Gästen und Anhängern zuzuwenden anstatt seiner Frau. Schließlich endet die ungehaltene Party im Chaos und einer Überschwemmung der Küche, die der großen Sintflut entsprechen würde. Hier endet das erste große Kapitel von mother! und ein Zeitsprung von mehreren Monaten beginnt das zweite Kapitel.

Das Haus und Mutter sind dieselbe Gestalt

Die Religion und ihre Folgen
Der zweite Handlungs-Teil von mother! macht die Interpretation von Bardems Figur als Gott oder gottähnliches Wesen immer deutlicher. Nachdem er endlich nach der Vereinigung mit seiner Frau eine Erleuchtung hat, sprudelt seine Kreativität und er erschafft ein neues Schriftstück. Sein neustes Werk wird ein voller Erfolg und schon bald stehen die Fans vor der Tür des Hauses. Doch die schwangere Mutter will nicht, dass die Menschen wieder in ihr Haus eindringen. Doch schon ist es zu spät. In alle Ecken des Hauses tauchen erneut Menschen auf, die sich nicht mehr verscheuchen lassen. Auch ihr Mann entschuldigt das Verhalten und lässt seine Frau abermals hilflos zusehen, wie sich das Chaos entfaltet. Die neu entflammte Religion um Gott entwickelt sich nun rasend schnell zu einem unaufhaltsamen Trend.

Ab hier beginnt auch die Handlung von mother! immer weniger Sinn zu ergeben, wenn sich der Wahnsinn um Gott entspinnt und sich die Handlung fortan nur noch auf der Metaebene fortsetzt. Die Berühmtheit von Bardems Figur lässt seine Fans langsam zu fanatischen Anhängern werden, die das Haus Stück für Stück auseinander zu nehmen beginnen. Jeder von ihnen will ein Andenken an sein Idol haben. Ab jetzt torkelt Mutter apathisch durch das Haus und erlebt zahlreiche Zeitsprünge, die die Eskalation der Religion aufzeigen. Auch die religiösen Figuren und Symbole werden fortgeführt. Beispielweise malen sich die religiösen Anhänger gegenseitig Kreuze mit Asche auf die Stirnen, ein Verweis auf den Aschermittwoch. Das anfängliche Fantum eskaliert zum Fanatismus. In rasanter Geschwindigkeit entwickelt sich die Situation im Haus zu einer wahren Hölle. Im Namen der Religion werden Morde begangenen, Menschen versklavt und ein Krieg entspinnt sich. Gott lässt dies einfach geschehen ohne einzugreifen. In diesem Teil des Films wird auch eine Gesellschaftskritik Aronofskys deutlich, wenn unsere Mutter Erde mit ansehen muss, wie sich das Chaos in ihrem Haus zu einer unkontrollierbaren und apokalyptischen Situation entwickelt.

Ein wenig zu viel Aufmerksamkeit

Was zur Hölle geht hier vor sich?
In der rasanten Abfolge der Entwicklung der Menschheit folgt ein WTF-Moment auf den anderen. Schließlich kann sich Mutter durch das Chaos kämpfen und schließt sich gemeinsam mit ihrem Mann in ihrem Schlafzimmer ein, wo sie ihr gemeinsames Kind zur Welt bringt. Sie hat Angst vor den Menschen und bittet ihren Mann, diese doch endlich herauszuschmeißen. Auch vor ihm bekommt Mutter langsam Angst und lässt ihr Neugeborenes nicht aus den Augen. In einem unachtsamen Moment entreißt er ihr das Kind und verlässt das Zimmer. Doch auch er kann sein Kind nicht mehr beschützen, wenn seine fanatischen Anhänger sein Kind wie einen Heiligen über ihren Köpfen außerhalb seiner Reichweite forttragen. Mutter versucht ihr Kind einzuholen, doch es ist zu spät. Die Anhänger haben dem Kind das Genick gebrochen und es aus ihrem religiösen Wahn heraus auseinander gerissen, denn selbst nach seinem Tod will jeder noch ein Stückchen vom Sohn Gottes abhaben.

Mutter Erde reicht es!
Das ist auch endlich der Mutter zu viel und wie eine Furie rächt sie sich an einigen Anhängern. Doch sie kommt gegen die unkontrollierbare Masse der Menschen nicht mehr an, die brutal auf sie eintreten und einschlagen. Die Menschheit hat schon längst die Kontrolle über ihr Haus erlangt und geht verantwortungslos damit um. Der einzige Weg, den Mutter jetzt noch sieht, ist die absolute Zerstörung. Sie kämpft sich mit letzter Kraft in den Keller, wo sie durch die Entzündung eines großen Öltanks im wahrsten Sinne des Worte die Apokalypse entfacht und alles - auch sie selbst - in Flammen aufgeht.

Hier schließt sich der Kreis des Films, wenn sich die gleiche Szene wie zu Beginn von mother! wiederholt. Gott hat als einziger das Flammeninferno überlebt. Er entfernt das Herz der verbrannten Leiche seiner Frau und formt daraus einen Kristall. Als er diesen in seinem Arbeitszimmer deponiert, beginnt sich das Haus aus der Asche heraus wieder zu renovieren. Am Ende sind wir wieder am Anfang. Diesmal erschuf Gott eine neue Erde, wie wahrscheinlich schon unzählige Male zuvor.

Auf Zerstörung folgt ein Neubeginn

The Cirlce of Life
Das Symbol des Kreises, stehend für den Zyklus von Erschaffung und Zerstörung der Erde/des Lebens, findet sich im kompletten Film wieder. So zieht beispielsweise auch Mutter im Erdgeschosse ihre Kreise, wenn sie von Zimmer zu Zimmer schreitet. Die Interpretation von mother! als Abriss der Geschichte unseres Planeten Erde in Verbindung mit der christlichen Religion und dem Kreationismus lässt die vielen verwirrenden Versatzstückes ein wenig sinnvoller erscheinen. So wurde die Religionsgeschichte wohl noch nie zuvor aus der Sicht unserer Mutter Erde erzählt. Es gibt noch zahlreiche weitere Symbole, Figuren und Szenen, auf die wir aus Platzgründen nicht weiter eingehen wollen. Ein paar Geheimnisse dürfen also noch erfahren und entschlüsselt werden. Ebenso soll dies nicht als allgemein gültige Deutung von mother! verstanden werden. Diese Interpretation stellt jedoch die zugänglichste Variante dar, den Plot von mother! zu verstehen. Neben der religiösen Erklärung kann der Mystery-Film auch als eine überzeichnete Beziehung zu Kunst und Erfolg, sowie die durch den Ruhm entstehende Entfremdung des Paares verstanden werden. Auch eine Interpretation als Ökokritik über den Umgang der Menschen mit ihrer Umwelt ist möglich.

Wie habt ihr mother! verstanden?

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