Im Jahr 1991 gewann Jeremy Irons seinen ersten und bis heute einzigen Oscar als Bester Hauptdarsteller für Die Affäre der Sunny von B. von Barbet Schroeder. In dem Drama ist der britische Schauspieler neben Glenn Close als dänischer Adeliger zu sehen, der des Mordes an seiner Affäre beschuldigt wird. In den 1980er-Jahren löste der reale Fall einen Skandal aus. Bei seiner Dankesrede bei der Oscar-Verleihung 1991 ließ es sich Irons nicht nehmen, zusätzlich zu den üblichen Beteiligten an Die Affäre der Sunny von B. sowie seiner Familie auch David Cronenberg zu danken. Drei Jahre zuvor übernahm der Schauspieler die Hauptrolle(n) in dem psychologischen Drama Die Unzertrennlichen des kanadischen Regisseurs. Hierbei verkörperte er die eineiigen Zwillingsbrüder und Star-Gynäkologen Elliot und Beverly Mantle. Anlässlich seines heutigen 70. Geburtstags blicken wir vor allem auf diesen Film zurück, der Jeremy Irons gleich in doppelter Form die Rolle seines Lebens beschert hat.

Jeremy Irons in Die Unzertrennlichen: Zwei Körper, eine Seele

Vor der eigentlichen Karriere als Filmschauspieler begann Jeremy Irons seine berufliche Laufbahn mit einer Ausbildung an der Bristol Old Vic Theaterschule. Hier trat er Ende der 1960er-Jahre erstmals in Theaterstücken auf, bevor er ab Beginn der 1970er-Jahre erste Rollen in Fernsehproduktionen annahm. Größere Aufmerksamkeit wurde dem Charakterdarsteller mit seiner Filmrolle in Die Geliebte des französischen Leutnants zuteil, wo er an der Seite von Meryl Streep spielte. Nach einigen weiteren Filmauftritten wie beispielsweise neben Robert De Niro in The Mission war Irons 1988 schließlich in Die Unzertrennlichen zu sehen. Die pessimistische Existenz-Reflexion von David Cronenberg zeigte den Schauspieler im Doppelpack in seiner bis heute wohl besten Rolle.

In Die Unzertrennlichen geht es um die eineiigen Zwillingsbrüder sowie Star-Gynäkologen Elliot und Beverly, die beide von Jeremy Irons gespielt werden. Entgegen seiner bekannten Body Horror-Eskapaden, mit denen David Cronenberg zwei Jahre zuvor aufgrund des Erfolgs von Die Fliege noch tiefer in den Mainstream-Bereich vorstoßen konnte, ist Die Unzertrennlichen allem voran ein psychologisches Drama. In diesem erforscht der Regisseur den menschlichen Körper, eines seiner Lieblingsmotive, anhand der Zwillingsbrüder, die sich auf gewisse Weise denselben Körper teilen und sich dabei im Kampf um eine eigenständige Persönlichkeit befinden.

Jeremy Irons in Die Unzertrennlichen: Eine Meisterleistung

Um die Zwillingsbrüder Elliot und Beverly Mantle, die optisch komplett identisch sind, als unterschiedliche Charaktere anzulegen, bedurfte es sowohl einer technischen als auch einer schauspielerischen Meisterleistung. Beides ist David Cronenberg aufgrund eines speziellen Drehverfahrens sowie der Besetzung von Jeremy Irons geglückt. In einem neueren Video-Featurette von 2016 sprechen unter anderem Kameramann Peter Suschitzky, Schnittmeister Ronald Sanders und Irons über die technischen Herausforderungen. Während Einstellungen mit genauester Vorsicht im Voraus geplant werden mussten, wurden für Szenen, in denen die Zwillingsbrüder gemeinsam nebeneinander zu sehen sind, Split-Screens oder Body-Doubles verwendet. Andere Szenen wurden mehrfach mit einem Drehpartner außerhalb der Kamera gedreht und anschließend mit Irons in der Rolle des jeweils anderen wiederholt. Die Unzertrennlichen als Kino der perfekten optischen Täuschung wäre ohne die Leistung des britischen Hauptdarstellers hingegen undenkbar.

Auch wenn sich die eineiigen Zwillingsbrüder Beverly und Elliot äußerlich bis in die Haarspitzen ähneln, verkörpert Jeremy Irons nichtsdestotrotz zwei völlig unterschiedliche Charaktere. Dabei ist Elliot der egoistische Narzisst von beiden, der Frauen verführt und mit ihnen schläft, um sie für die darauffolgende Nacht an Beverly weiterzureichen. Während den Frauen die Täuschung aufgrund des identischen Erscheinungsbilds nicht weiter auffällt, profitiert der schüchterne, introvertierte Beverly von dem wesentlich extrovertierten Wesen seines Zwillingsbruders. Es ist dem präzisen, ungemein facettenreichen Schauspiel von Irons zu verdanken, dass Elliot und Beverly als zwei völlig gegensätzliche Figuren erstrahlen, die im Kern durch eine schier unüberwindbare Verbindung und Sehnsucht zueinander geprägt werden.

Plötzlich ist es eine Frau, die einen ungeahnten Keil zwischen das Zwillingspaar treibt. Während sich die Gynäkologen bislang immer eine Wohnung teilten und eine Gemeinschaft zueinander pflegten, deren inzestuöses Potenzial David Cronenberg im Gegensatz zur Romanvorlage des Films nur in Ansätzen durchschimmern lässt, hegt Beverly zur neuesten Affäre der Brüder auf einmal tiefere Gefühle. Die drogensüchtige Schauspiel-Diva Claire, die 3 Gebärmutterhälse besitzt, sorgt dafür, dass Beverly ebenfalls in eine tiefe Abhängigkeit stürzt, sowohl gegenüber Claire als auch anderen Substanzen. Auf dem Höhepunkt des zerstörerischen Rauschs und der tiefen Depressionen erzählt Cronenberg in Die Unzertrennlichen mithilfe seines spektakulären Hauptdarstellers von zwei Menschen, die aufgrund ihrer identischen Körper an dem verzweifelten Wunsch nach Identität zugrunde gehen und nur in der ultimativen Form der Aufopferung schlussendlich doch noch für immer zueinander finden können.

Das schauspielerische Glanzstück von Jeremy Irons in Die Unzertrennlichen

Das schauspielerische Glanzstück von Jeremy Irons in Die Unzertrennlichen stellt die Szene dar, in der Beverly und Elliot erstmals mit Claire an einem Tisch sitzen. Während die Schauspielerin zuvor mit beiden Männern abwechselnd in Unkenntnis über ihr Dasein als Zwillingsbrüder schlief, sitzt sie nun zwischen ihnen. Dabei spielt Irons seinen Part des Beverly nach wie vor mit schüchterner Unsicherheit, wenn er sich nicht entscheiden kann, ob er den Gefühlen für Claire oder seinen Gefühlen für Elliot nachgeben soll. Im Gegensatz zu Beverly, der in der Szene passiv und zurückhaltend an einer Seite des Tischs sitzt, lehnt sich Irons im gleichen Moment als Elliot mit einer fast schon aggressiven Überzeugung in seine andere Rolle. Höhnisch führt er die wütende, gekränkte Schauspielerin als Opfer seines Spiels vor, als er ihr versichert, dass er von beiden Brüdern zuerst mit ihr geschlafen und sie somit ursprünglich verführt hätte.

Aufgrund dieser Szene, in der Irons im selben Moment den schwächelnden Unterlegenen und rücksichtslosen Wolf im Angriffsmodus gibt, wird seine doppelte Darstellung endgültig zu jener Art von Rolle, für die er sich bei seiner Oscar-Dankesrede zurecht bei David Cronenberg bedankt hat, auch wenn er letztlich für einen ganz anderen Film ausgezeichnet wurde. Zu seinem heutigen 70. Geburtstag wünschen wir Jeremy Irons alles Gute und können uns bei ihm für Die Unzertrennlichen nur bedanken.

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Jeremy Irons - Die Doppelrolle seines Lebens

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