Einmal mehr entführt Ridley Scott in eine düstere Zukunftsvision, nachdem er sich bereits im Zuge von Blade Runner und seinen Alien-Filmen ausgiebig mit bedrohlichen Science-Fiction-Geschichten beschäftigt hat. Künstliche Intelligenz und die Frage nach dem Ursprung des Lebens begleiten diese Geschichten, mal in Form einer vom Neonlicht durchfluteten Dystopie, mal im schaurigen Gewand eines Horrorfilms.
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In Raised by Wolves, der ersten große Blockbuster-Serie des Streaming-Diensts HBO Max, die in Deutschland nun bei TNT Serie und Sky zu sehen ist, vereinen sich sämtliche Themen, die Ridley Scott in den vergangenen Jahren im Science-Fiction-Kino erforscht hat. Mitunter gleicht die von Aaron Guzikowski geschaffene Welt einem Best-of von Ridley Scott, der als Produzent und Regisseur der ersten zwei Episoden fungiert.
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In Raised by Wolves sucht die Menschheit eine neue Heimat
Die Erde ist erneut ein Trümmerhaufen, den wir so gut wie nicht zu Gesicht bekommen. Schon in Blade Runner offenbarte sich Los Angeles als kaum erkennbares, regnerisches Labyrinth, während die Menschen in der Alien-Reihe ihrer Heimat vorzugsweise gleich den Rücken kehren. Raised by Wolves spielt sich somit größtenteils auf dem Planeten Kepler-22b ab, der als neuer Lebensraum für die gefährdete Spezies dienen soll.
Schaut den Trailer zu Raised by Wolves:
Zwei Androiden, eine Mutter (Amanda Collin) und ein Vater (Abubakar Salim), werden mit menschlichen Embryonen auf die unwirtliche Oberfläche geschickt. Ihr Auftrag ist klar: Sie sollen den Fortbestand der Menschheit sichern. Zwölf Jahre später ist jedoch nur noch ein Kind, Campion (Winta McGrath), am Leben, während sich die Funktionalität ihrer technisch hochentwickelten Körper dem Ende neigt.
Hoffnungslose Science-Fiction und existenzielle Fragen
Der vermeintliche Garten Eden verwandelt sich damit in den Schauplatz einer weiteren Apokalypse. Endzeitlich weht der Wind durch die trostlose Weite der Landschaft, die dennoch in atemberaubenden Bildern von Ridley Scotts Stammkameramann Dariusz Wolski eingefangen wird. Der Übergang von Alien: Covenant ist nahezu ein fließender, nicht nur auf der visuellen, sondern auch der thematischen Ebene.
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Schöpfer und Schöpfung treten in einen spannenden Dialog vor unheimlicher Kulisse, während Anfang und Ende des Lebens stets einen Steinwurf voneinander entfernt sind. Spätestens, wenn Anhänger des Mithrakults auf Kepler-22b eintreffen, wird das letzte bisschen der Ordnung zerstört, die Mutter und Vater mühevoll errichtet haben, und die Versuchung erhält Einzug in das kühle Paradies aus Vernunft und Logik.
Eine verdrängte Vergangenheit erwacht zu neuem Leben und Misstrauen breitet sich aus. Raised by Wolves gelingt es sehr gut, unbehagliche Stimmungen zu erzeugen, wenn die Androiden nach und nach das wahre Potential entdecken, das tief verborgen in ihnen schlummert: Plötzlich erscheint da ein Todesengel, der nicht nur für platzende Körper sorgt, sondern sich mit künstlichem Lächeln als liebevolle Mutter behauptet.
Raised by Wolves ist sehr ambivalent und das ist gut
Auch wenn sich Ridley Scott hier in einem deutlich kleineren Rahmen bewegt als bei seinen vergangenen Science-Fiction-Blockbustern, entstehen in Raised by Wolves gleich mehrere denkwürdige Momente, die durch ihre Bildsprache begeistern und ein Gefühl für das vernichtende Ausmaß der Geschichte erwecken, die sich ansonsten vorzugsweise in Metaphern flüchtet und sich in einem Labyrinth symbolischer Ereignisse verirrt.
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Die Ambition ist in jeder Faser von Raised by Wolves zu erkennen, eine klare Sprache muss die Serie in den kommenden Wochen allerdings erst noch entwickeln. Ausgehend von den ersten zwei Episoden spielen sich hier mindestens drei Filme gleichzeitig ab, die nur bedingt ineinander übergehen, wobei vielleicht gerade diese kryptischen Diskrepanzen zweckdienlich für die ungemütliche Atmosphäre und den Spannungsbogen sind.
Raised by Wolves ist dann am aufregendsten, wenn ein Störfaktor auftritt und die Science-Fiction-Geschichte um Mystery- und Horrorelemente erweitert. Der offensichtlichste Störenfried ist Vikings-Star Travis Fimmel, aber lange nicht der einzige. Raised by Wolves spart sich diverse Einblicke in die Hintergrundgeschichten der Figuren bewusst für spätere Zeitpunkte auf, um uns eine neue Perspektive zu geben.
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Die daraus enstehende Ambivalenz spielt der Unbehaglichkeit, die von der Inszenierung der Serie ausgeht, wunderbar in die Karten - und umgedreht. Ridley Scott macht im Endeffekt genau da weiter, wo er mit Alien: Covenant aufgehört hat und drängt die Identifikationsfiguren für uns Zuschauer immer weiter an den Rand. Eben noch war es David, der uns einen Schauer über den Rücken jagte. Jetzt ist es Mutter.
Raised by Wolves wird seit heute, dem 16. September 2020, bei TNT Serie und Sky im Wochentakt ausgestrahlt. Als Grundlage für diesen Seriencheck dienten die ersten zwei Folgen der zehnteiligen Auftaktstaffel.
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