Gewaltige Horrorserie bei Sky: Lovecraft Country entfesselt die wahren Monster Amerikas

18.08.2020 - 15:45 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Lovecraft CountryHBO/Sky
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Lovecraft Country, die neue HBO-Serie auf Sky, entfesselt eine Vielzahl an Monstern. Das erschreckendste ist der Rassismus, der das Amerika der 1950er Jahre fest im Griff hat.

Am Ende des Jahres dürfte Lovecraft Country fraglos als einer der größten und aufregendsten Serien-Blockbuster 2020 dastehen. Basierend auf Matt Ruffs gleichnamiger Romanvorlage hat Misha Green, ihres Zeichens Co-Schöpferin der gefeierten Historienserie Underground, zusammen mit Jordan Peele und J.J. Abrams als Produzenten einen aufwühlenden Road Trip geschaffen, der tief in die finsteren Ecken des Amerikas der 1950er Jahre entführt.

  • Lovecraft Country wird in den USA sonntags auf HBO ausgestrahlt und steht hierzulande einen Tag später als Stream auf Sky Ticket * zur Verfügung.

Hier trifft das Grauen einer nach Hautfarbe unterteilten Gesellschaft auf schaurige Fantasiegestalten, die sich durch dunkle Wälder fressen und unwissende Figuren mit ihren langen, glitschigen Tentakeln in den Abgrund ziehen. Es ist ein Spektakel, das sich ganz den Gesten des Pulps verschreibt und gleichzeitig ein mulmiges Gefühl zurücklässt. Denn all die ernsten Themen, die Misha Green in ihrem wilden Genre-Remix verhandelt, sind nach wie vor von Relevanz.

In Lovecraft Country stolpert ein Monster über das andere

Bereits die Eröffnungssequenz der mitreißenden Pilotepisode demonstriert eindrucksvoll, wie Lovecraft Country zwischen seinen verschiedenen Einflüssen schwankt und versucht, in dem Wust aus Ideen und Inspirationen einen eigenen Weg zu gehen. Zuerst prasseln aber unzählige Eindrücke auf uns Zuschauer ein. Wenn in einer gigantischen Schlacht ein Monster über das andere stolpert, fühlt sich das an, als würden wir uns in der H.P. Lovecraft-Version von Ready Player One befinden.

Schaut den Trailer zu Lovecraft Country:

Lovecraft Country - S01 Trailer (English) HD
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Schwarz-Weiß-Aufnahmen führen in den ersten Sekunden in die Enge eines Schützengrabens, durch die sich auch unser Protagonist, Atticus "Tic" Freeman (Jonathan Majors), wühlt, ehe sich vor direkt vor seinen Augen ein unglaubliches Panorama an vertrauten Motiven des Science-Fiction-Horrors offenbart. Von Krieg der Welten über Die Prinzessin vom Mars bis hin zu Berge des Wahnsinns: In Lovecraft Country kommt alles zusammen, was uns einen Schauer über den Rücken jagt.

Horrorserie im finsteren Herz eines gespaltenen Amerikas

Doch plötzlich reißt das überbordende Referenzfeuerwerk ab und wir finden uns in einem Bus wieder, in dem Tic einen der hinteren Plätze belegen muss, während sich im vorderen Teil die weißen Gäste ausbreiten. Tic lebt in einer Welt, in der für einen schwarzen Mann wie ihn kein Platz ist, und flüchtet sich daraufhin in Geschichten, in denen er als Held tapfer dem Monster gegenübersteht, obgleich er in den seinen Träumen zugrundeliegenden Büchern niemals eine Identifikationsfigur finden würde.

Auch Tic ist dieser Umstand bewusst und dennoch schlägt er immer wieder jene Seiten auf, die ihn mit allen ihren Worten und Umschreibungen erniedrigen, wenn nicht sogar komplett ausklammern. Misha Green nimmt sich viel Zeit, um diesen Widerspruch zu erforschen, bevor sie Tic zum Helden seines eigenen Abenteuers werden lässt - dieses Mal nicht auf der Rückbank, sondern am Steuer, im Fahrersitz, stets auf der Flucht vor dem Sonnenuntergang, der sich wunderschön wie bedrohlich ankündigt.

Sobald die Dunkelheit Einzug in Lovecraft Country erhält, kommen die Monster aus ihren Löchern gekrochen - und damit sind keineswegs ausschließlich die schleimigen, unheimlichen Gestalten gemeint, die dem fantastischen Teil der Erzählung angehören. Wenn sich Tic gemeinsam mit Leti (Jurnee Smollett), einer alten Freundin aus Kindheitstagen, und seinem Onkel George (Courtney B. Vance) auf die Suche nach seinen verschollenen Vater macht, begegnet er schon bald einem anderen Ungeheuer.

Das Grauen in Lovecraft Country kennt viele Gesichter

Ein Polizist macht sich ein Spiel daraus, die Gruppe durch die Fremde zu jagen, bis Misha Green die Verwandlung in das Monster nicht nur im übertragenen, sondern auch im wörtlichen Sinne vollzieht. Subtil ist Lovecraft Country in diesen Momenten nur bedingt, doch das ist nicht notwendig, so entschlossen wird der extrem blutige Überlebenskampf gegen ein Monster geschildert, das zur Projektionsfläche des Übels avanciert.

Die Filmgeschichte ist reich an vergleichbaren Vorbildern, denen es gelungen ist, soziologische Themen auch abseits der eindeutigen Parallelen geistreich durch die Genre-Linse zu verhandeln. Auch Lovecraft Country enthüllt zunehmend komplexer werdende Perspektiven, während allein die Gestaltung der Serie den Zuschauer herausfordern, sich abseits der offensichtlichen Monstern erschrecken zu lassen.

Lovecraft Country

Der Vergleich zu Damon Lindelofs wagemutiger Watchmen-Serie aus dem vergangenen Jahr liegt nahe: Auch hier waren es abseits der wohl überlegten Drehbuchseiten vor allem stilistische Entscheidungen, die sich ergänzend zur Auseinandersetzung angeboten und die vertraute Superheldengeschichte um zusätzliche Ebenen erweitert haben, in die man sich hineinwühlen konnte, um einen ungewohnten Blickwinkel einzunehmen.

Lovecraft Country will vom Zuschauer entschlüsselt werden

Misha Green reichert Lovecraft Country neben zahlreichen Motiven aus der Horror-/Sci-Fi-Literatur mit reichlich geschichtlichem Kontext an, angefangen bei einer Variation von Victor Hugo Greens The Negro Motorist Green Book (kürzlich im Oscar-Gewinner Green Book vertreten) bis hin zu Werbetafeln, die geschickt im Bild positioniert werden, um die gesellschaftliche Diskrepanz zu verdeutlichen, ehe Tierra Whacks Stimme das Geschehen unterbricht.

Lovecraft Country versteht sich als reich ausgestattetes Southern Gothic-Epos, das viel Zeit damit verbringt, die Welt der 1950er Jahre in kräftigen Farben zum Leben zu erwecken, von anachronistischen Elementen aber genauso gerne Gebrauch macht. Am auffälligsten ist hier die Tonspur: So folgt später etwa eine Montage nicht dem Rhythmus eines populären Songs, sondern den Worten von James Baldwin, der mit William F. Buckley über die Schattenseiten des Amerikanischen Traums diskutiert.

Lovecraft Country

Unmöglich können Tic und seine Begleiter diese Debatte in den 1950er Jahren über das Radio empfangen haben, wurde sie doch erst 1965 in der University of Cambridge aufgezeichnet. Lovecraft Country präsentiert sich hier als vielschichtiges Werk, das vom Zuschauer entschlüsselt werden will. Das hier ist definitiv eine Serie, bei der es spannend wird, zu verfolgen, in welche Richtung(en) sie sich in den nächsten Wochen entwickelt.

Lovecraft Country wird seit dem 16. August 2020 in den USA auf HBO ausgestrahlt. In Deutschland sind die Folgen einen Tag später bei Sky Ticket * zu sehen. Als Grundlage für diesen Seriencheck diente die erste Episode.

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Wie hat euch die erste Episode von Lovecraft Country gefallen?

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