Twilight of the Warriors ist ein Muss für Action-Fans – grandioses Gekloppe, bis die Zähne klappern

17.05.2024 - 16:30 UhrVor 9 Tagen aktualisiert
Twilight of the Warriors: Walled In läuft in der Midnight-Sektion des Filmfestivals von Cannes
Plaion
Twilight of the Warriors: Walled In läuft in der Midnight-Sektion des Filmfestivals von Cannes
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Der neue Hongkong-Reißer Twilight of the Warriors: Walled In begeistert mit knochenbrecherischer Action auf engstem Raum – und geht ordentlich ans Herz.

Es gibt wenig im gegenwärtigen Action-Kino, das solch einen Rausch erzeugt wie die Filme von Soi Cheang. Wenn jemand vor seiner Kamera durch verwinkelte Gassen rennt, drücken einen die filmischen g-Kräfte in den Sessel, als würde das ganze Kino Gas geben. Jeder Schlag auf einen Kiefer wird mit so präziser Wucht choreografiert, inszeniert und vertont, dass die Zähne schlottern. Schaut euch Dog Bite Dog - Wie räudige Hunde, Lethal Warrior oder Limbo an und ihr werdet direkt in den Action-Himmel fahren – oder zumindest ein paar vergnügliche Stunden erleben.

Soi Cheangs neuster Film trägt den Titel Twilight of the Warriors: Walled In und läuft beim Filmfestival von Cannes im Rahmen der Midnight Screenings. Bei denen geht es in der Regel blutiger und abseitiger zu als im renommierten Wettbewerb um die Goldene Palme. Mein neuer liebster "Twilight"-Film bietet vor einem einmaligen Schauplatz klaustrophobische Action, die sich Fans von The Raid und Dredd unbedingt vormerken sollten.

Twilight of the Warriors: Walled In reist ins Hongkong der 80er

Der chinesisch-stämmige Flüchtling Lok (Raymond Lam) landet im Hongkong der 80er und will eigentlich nur Papiere und ein ordentliches Leben. In der Illegalität schlägt er sich mit Preiskämpfen durch und zieht die Aufmerksamkeit des organisierten Verbrechens auf sich. Von Triaden gejagt, flüchtet Lok in die sogenannte Kowloon Walled City.

Twilight of the Warriors: Walled In

Die eingemauerte Enklave entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zur Grauzone zwischen chinesischer und britischer Autorität. Über Jahrzehnte siedelten sich Flüchtige hier an, bis eine unkontrollierte Stadt in die Höhe schoss.

In den 90ern wurde die Siedlung abgerissen, in Twilight of the Warriors: Walled In steht sie wieder von den Toten auf. Stellt euch eine Großstadt vor, aber auf ein paar Hektar zusammengepresst. Labyrinthische Gassen durchziehen das Häusergeflecht, das keinem Plan folgt, außer: minimalen Platz maximal ausnutzen. Die mehrstöckigen Wohngebäude ragen schief in die Höhe, sodass selbst der Himmel ein seltener Anblick ist. In diese improvisierte Großstadt stolpert Lok hinein und trifft sogleich ihren Herrscher: den gütigen Triaden und Friseur Cyclone (Louis Koo).

Die "Stadt der Dunkelheit" (so der Spitzname und Titel der Comic-Vorlage des Films) wird im Film zum Objekt der Begierde von Immobilienspekulanten und anderen Verbrechern. Lok findet sich geradewegs in einem brodelnden Bandenkonflikt wieder, an dem unter anderem Cyclones Konkurrent Mr. Big teilhat. Gespielt wird dieser von Martial Arts-Legende Sammo Hung und Hung darf, obschon im gehobenen Alter, ordentlich zulangen.

Twilight of the Warriors: Walled In bietet fantastische Action und erstaunlich viel Herz

Die Action beginnt bodenständig mit Raymond Lam, der sich mit Fäusten und Füßen durch Gegner kloppt und auch ordentlich einstecken muss. In der Kowloon Walled City angekommen, schleicht sich ein neues Element in die temporeichen Set-Pieces. Denn hier treten wir in eine Zeitblase, in der die Gangster-Ehre noch etwas zählt, statt dem Mammon zu huldigen. Es sind die Werte der klassischen Schwertkampf-Filme, die in den 80ern von Regisseuren wie John Woo auf den modernen Gangster übertragen wurden. Nur solltet ihr keine heroischen Zeitlupen samt Kugelhagel erwarten.

Hongkong-Legende Sammo Hung in Twilight of the Warriors: Walled In

Schusswaffen benutzen nur die wirklich bösen Buben. Was sich hier einschleicht, sind übernatürliche Kampf-Elemente. Man nehme Tiger & Dragon, aber verlagere es in einen dusteren Großstadtdschungel. Die Helden springen über Wellblech und Klimaanlagen statt über Baumkronen. Zum tänzelnden Fantasy-Film entwickelt sich Twilight of the Warriors: Walled In trotzdem nicht, die bodenständige Härte dominiert. Wer Freude daran hat, wenn in Action-Filmen Köpfe durch Beton gehämmert werden, liegt bei diesem Film genau richtig.

Zu herausragender Action entwickelt sich Twilight of the Warriors: Walled In aber nicht nur wegen der pointierten Knochenbrecher-Choreografien, und charismatischen Darbietungen von Louis Koo und Sammo Hung. Nein, es ist vielmehr der Fakt, dass wir mit Lok in dieser Stadt der Dunkelheit erstaunlich viel Licht entdecken. Der Film schaut sich wie ein Abgesang auf eine gute alte Zeit, die nur im Kopf von Autor:innen existiert. Der Zusammenhalt der Leute, die Liebe, die in der Beobachtung jedes frittierten Fischballs steckt – die aber ist echt.

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