Zwischen Franchise-Titeln und aufwendigen Genre-Serien bringt Netflix diese Woche ein Projekt an den Start, wie man es früher von HBO – oder heute von Apple TV+ – erwartet hätte: Ein auf den ersten Blick vielversprechendes Drama mit zwei Hollywood-Stars, bei dem vor allem der Prestigefaktor mit großen Lettern angepriesen wird. Black Rabbit kann das damit einhergehende Versprechen allerdings nicht halten.
Die Geschichte erzählt von zwei Brüdern, die ungleicher kaum sein könnten. Der eine steht in der New Yorker Gesellschaft hoch im Kurs, der andere hat es sich komplett verscherzt: Drogen, Alkohol und Glücksspiel – die perfekte Steilvorlage für eine abgründige Serie, die ebenfalls Platz für Crime-Elemente bietet. Black Rabbit ist jedoch weder eine tiefschürfende Charakterstudie noch ein nervenaufreibender Thriller.
In Black Rabbit geraten Jude Law und Jason Bateman als entfremdete Brüder aneinander
Nicht nur ein Restaurant wollte Jake Friedkin (Jude Law) gründen, als er sich vor all den Jahren die Location für das Black Rabbit gesichert hat. Jake wollte einen Ort schaffen, der ein Zuhause wird für all jene, die sich nach einem guten Drink sehnen und den besten Burger der Stadt genießen wollen. Einen Ort, an dem alles möglich ist und die Nacht keine Grenzen kennt – aber nicht zwangsläufig im zwielichtigen Sinne.
Vielmehr einen Ort des Feierns, der Freiheit und ... der Familie. "Dieser Ort würde ohne euch nicht existieren. Ihr habt ihn zu einer Heimat gemacht. Und ich liebe euch." Familie und Freunde betont Jake so deutlich in seiner ersten Ansprache, wenn er sich vor seinem Personal und den anwesenden Gästen verbeugt, dass man gar nicht auf die Idee kommen könnte, dass hier eine wichtige Person fehlt. Doch die tut es.
Vince (Jason Bateman) ist der Name, der Jake nicht über die Lippen kommen mag. Am liebsten würde er ihn verdrängen, vergessen – für immer aus seinem Gedächtnis löschen. Doch irgendwann steht der Bruder wieder vor seiner Tür. Langes Haar, ungepflegter Bart und tiefe Augenringe. Vince braucht Hilfe, braucht Geld, aber wie oft soll ihm Jake noch aus der Patsche helfen? Vince bedeutet Ärger. Sehr viel Ärger.
Gleich in den ersten Minuten zünden Zach Baylin und Kate Susman, die kreativen Köpfe hinter der Serie, eine dramaturgische Bombe und schalten in den Überholgang. An dem eben noch so leidenschaftlich von Jude Law umschriebene Heimatort brechen Chaos und Panik aus, ehe uns der Cold-Open mit seinem Cliffhanger in den Rest der Serie entlässt. Und dieser Rest ist leider eine sehr zähe, ermüdende Angelegenheit.
Potenzial nicht ausgeschöpft: Black Rabbit entpuppt sich als bittere Netflix-Enttäuschung 2025
Black Rabbit beginnt mit einem ähnlichen Stressfaktor, der durchaus in die Richtung von The Bear schielt und uns alle Elemente spüren lässt, die sich in Jakes Restaurant in Bewegung befinden. Hektische Handgriffe in der Küche, elegante Kamerabewegungen an Tischen und Stühlen vorbei und natürlich die Angst vor der Times-Kritikerin, die jeden Augenblick zur Tür hineinspaziert kommen könnte. Alles muss perfekt sein.
Schnell wird jedoch klar, dass die Serie kaum Interesse an ihrem New Yorker Setting hat. Stattdessen versteifen sich die Drehbücher auf die Bruder-Bruder-Beziehung, die von Folge zu Folge vertieft werden soll. Schlussendlich ist sie aber ab der ersten Minute so durchschaubar, dass selbst der eindringlichste Streit und die erschütterndsten Geständnisse zwischen den Figuren von Law und Bateman uninspiriert wirken.
Nach dem rasanten Auftakt tritt Black Rabbit einen großen Schritt zurück, um alles von vorne aufzurollen. Bei einer Serie mit acht Folgen könnte das durchaus eine große Stärke sein. Nicht zuletzt haben ganze Prequel wie Better Call Saul bewiesen, dass man selbst einer sehr präzise geformten Figur noch einige unerwartete Facetten hinzufügen kann, die ihr späteres Handeln in ein völlig neues (und tragischeres) Licht stellt.
Bei Black Rabbit wird das Rekonstruieren des zentralen Konflikts zwischen den beiden Brüdern jedoch zur Geduldsprobe. Selbst ein talentierter Regisseur wie Justin Kurzel, der kürzlich erst mit dem atmosphärischen Kriegsdrama The Narrow Road to the Deep North begeisterte und in The Order einen extrem unheimlich aufspielenden Jude Law entfesselte, kann der zermürbenden Leere in Black Rabbit wenig entgegenhalten.
Neue Netflix-Serie mit sehr viel Leerlauf: Black Rabbit ist eine Geduldsprobe, die sich nicht auszahlt
Die Figuren sind leer, die Orte sind leer, die Bilder sind leer. Nicht nur leer: Die Bilder sind erschreckend dunkel. Ein Problem, das Streaming-Serien generell seit Jahren plagt – nicht zuletzt im Kontext des von Bateman angeführten Crime-Thrillers Ozark, der von 2017 bis 2022 bei Netflix lief. Wer Black Rabbit bei Tageslicht schaut, kommt einem vagen Erahnen von Formen und Silhouetten im schummrigen New York gleich.
Das Einzige, was durch diese freudlose Düsternis bricht, ist Jude Law, dessen Stimme zitternd zwischen bemühter Ruhe und Nervenzusammenbruch schwankt. Händeringend versucht er, den Heimatort irgendwie zusammenzuhalten und stößt dabei gegen immer mehr Widerstände. Bateman bricht dagegen weniger durch. So spannend er in verdorbenen Rollen ist – seine Figur ist äußerst undankbar geschrieben.
Deutlich einnehmender wird in den späteren Folgen Troy Kotsur als Unterweltboss Joe Mancuso. Der gehörlose Schauspieler, der für die vor vier Jahren erschienene Dramedy Coda mit dem Oscar als Bester Nebendarsteller ausgezeichnet wurde, darf hier den mürrischen Familienvater gegen einen knallharten Gangster tauschen. Aber auch das bringt nur wenig Schwung in die sich ständig wiederholende Serie.
Für knapp acht Stunden Laufzeit bringt Black Rabbit erschreckend wenig auf den Tisch, obwohl die Namen vor und hinter der Kamera durchaus für Neugier sorgen. Am Ende skizziert die Serie aber bereits in ihrem Auftakt die wichtigsten Punkte und füllt danach nur noch die sehr offensichtlichen offengelassenen Lücken mit wenigen Überraschungen aus. Über diese lahmen Prestige-Titel sollten wir längst hinweg sein.
Alle acht Folgen von Black Rabbit stehen seit dem 18. September 2025 bei Netflix als Stream zur Verfügung. Grundlage für diesen Seriencheck war die gesamte Serie.