10 Horrorfilme der etwas anderen Art

29.10.2016 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Nicht alles ist binär im Film...
Salzgeber & Co. Medien GmbH
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Oktober ist Horrorfilm-Monat und kommendes Wochenende ist Halloween. Sachsen wird von Horror-Clowns heimgesucht, Donald Trump könnte Präsident werden und die ultimative Apokalypse heraufbeschwören. Was gäbe es also besseres, als all den Wahnsinn mit Horrorfilmen zu kanalisieren? Und zwar mit jenen, die die üblichen Regeln in Sachen Gender und Sexualität brechen?

Ich liebe Genrekino, aber das habe ich ja schon mal erzählt. Dabei sind Horrorfilme, neben der Komödie, wohl das interessanteste Genre überhaupt. Vor allem im soziokulturellen Sinne. In der Masse wird dieses Genre von vielen ähnlich funktionierenden, den Genreregeln folgenden Filmen dominiert. Betrachtet man diese einmal durch die Gender-Brille, stellt man schnell fest, dass die Majorität dieser Filme sich mit heterosexuellen Menschen beschäftigt, in denen zumeist eine normative Machtverteilung herrscht. Wir kennen es alle.

Im Slasher sind die Männer die Massenmörder, die Opfer sind Frauen. Sexuell aktive Frauen sterben vor den jungfräulichen und eine Frau, die sich mehr zu helfen weiß, als nur zu schreien, überlebt das Ganze, wenn überhaupt jemand raus kommt, als das "Final Girl". Männer, die nicht Killer sind, werden aufgeteilt in Opfer (meist gekennzeichnet als körperlich schwächere, ängstlichere Typen) und Männer, die zumindest für eine Weile eine Heldenrolle übernehmen können, bis sie auch dran sind. Mit Abstrichen und leichten Änderungen gilt das Grundrezept auch für klassischen Giallo-Film, Redneck bzw. Backwoods-Filme, Revenge-Filme & Torture-Subgenres.

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Monsterhorror hat auch zumeist eine eindeutig gegenderte Aufteilung. Vampire und Werwölfe etc. sind meist männlich, ihre Opfer sind gern weiblich. Zur Not darf aber auch hier ein nicht allzu maskulin wirkender Mann dran glauben. Einzig der Zombiefilm ist hier eine interessante Ausnahme. Da Gender im untoten Zustand total Wurst ist (fällt ja eh alles ab), braucht es auch keiner. Auf der Seite der "Survivor"-Gruppen sieht es da allerdings ganz anders aus. Diese scharen sich fast immer um einen männlichen Anführer, als hätte man in der Zombie-Apokalypse nix besseres zu tun, als mit einem Widersacher um die Alpha-Position zu kämpfen.

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Wenn Frauen relevante Positionen einnehmen, dann hat dies meist mit Körperlichkeit zu tun. Diese geht in zwei Richtungen: sexy oder grotesk. Am einfachsten erkennbar ist das bei Horrorfilmen mit Hexen. Diese sind faktisch nur in zwei Variationen zu finden: die betörende, junge Hexe, die sexuell anziehend, ja geradezu magisch schön ist. Und die alte, hässliche, gern auch ekelige Hexe, deren Körper nicht nur verschrumpelt, sondern geradezu grotesk entstellt ist (und die sich seit hundert Jahren die Haare nicht gewaschen hat). Eine weitere Spielart kommt in Bodyhorror-Genres vor. Hier sind Frauen anfangs auch gern jung und gut aussehend, bis in ihnen irgendetwas heranwächst. Sei ein ein Dämonenbaby oder Außerirdische, das Grauen nimmt Besitz von ihrem Körper und verzehrt diesen entweder bis zum Tod oder entstellt ihn.

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Aber: Es sind eben nicht alle Horrorfilme auf das typische Muster und die Wurzeln des Genres beschränkt. Seine starke Verknüpfung mit Körperlichkeit macht den Horror eben auch zum perfekten Ort für Figuren und Filme anderer, nicht normativer Art. Hier sind zehn spannende 10 Horrorfilme, die die üblichen Regeln in Sachen Gender und Sexualität brechen:

1. Wilde Frau gegen patriarchale Ordnung

Als Lucky McKees The Woman in Sundance seine Uraufführung hatte, kam es zu einem kleinen Tumult eines aufgebrachten Besuchers , der den Film als Dreck beschimpfte. Wie sich später herausstellte, waren die meisten ganz anderer Meinung. McKees Film nach dem Buch von Jack Ketchum stellt das Genre wahrlich auf den Kopf. Er positioniert hier eine junge quasi mythologische Frau, die in den Wäldern aufwuchs gegen ein narzisstisches Familienoberhaupt. Bei einem Jagdausflug stolpert Vater Chris (Sean Bridgers) über diesen weiblichen Kasper Hauser, schießt sie an und nimmt sie mit. Er kettet sie in der Scheune an und erklärt der Familie (Mutter, Sohn, zwei Töchter) man müsse sie zähmen. Doch was er unter Zähmung versteht, hat eher mit Sadismus zu tun. Die Frau schlägt zurück und zeigt sich mehr als nur ebenbürtig. Gleich zu Anfang beißt sie ihm den Ringfinger samt Ehering ab - eine wunderbare Geste, die zeigt, dass sie sich weder zähmen noch anpassen wird an seine Ordnung der Dinge. Kein Final Girl, keine Unschuldige im klassischen Sinne. Diese Frau ist der pure Instinkt und eine ganz eigene und eigenständige Figur im Horroruniversum, die weder in die Kategorie Opfer, noch in die des Monsters eingeordnet werden kann.

2. Das Ende der Frauenopfer

Mit Teeth - Wer zuletzt beißt, beißt am besten hat Mitchell Lichtenstein die alte Mär und Freudsche Angst der vagina dentata wahr werden lassen. Dieser - nicht immer ganz ernst gemeinte Film - positioniert seine Hauptdarstellerin Dawn (Jess Weixler) nicht als Opfer aber auch, trotz bezahntem Geschlechtsteil nicht als etwas Groteskes. Vielmehr ist ihre Sonderausstattung eine Fortentwicklung, die die gesamte sexuelle Machtdynamik auf den Kopf stellt. Wer Dawns Grenzen ohne ihre Erlaubnis überschreitet, wird dafür büßen. Aber Dawn ist weder das Klischee der rachsüchtigen Frau, noch wird sie von ihrer Macht übernommen. Sie bleibt sie selbst, nur mit einem klaren Vorteil, sollte jemand auf die Idee kommen, sie ausnutzen zu wollen.

3. Blutige Liebe ohne Vorurteile

So finster die Nacht ist wahrlich einer der düstersten Vampirfilme aller Zeiten. Irgendwo im kalten, stets bläulich schimmernden Schweden, ist der 12-jährige Oskar (Kåre Hedebrant) mal wieder allein. Da trifft er auf Eli, ein gleichaltriges Mädchen, die nur in einem Kleidchen durch den Schnee läuft. "Ist dir nicht kalt?", fragt er sie. "Ich habe vergessen, wie sich das anfühlt", antwortet sie. Eli ist fahl, riecht komisch und wie sich schnell herausstellt, ist sie ein Vampir. Oskar, der noch in einem Alter ist, wo man wundersame Dinge einfach akzeptiert, nimmt sie so wie sie ist. Und verliebt sich in sie. Das ändert sich auch nicht, als sie blutüberströmt zu ihm kommt oder als sie ihm erklärt, dass sie eigentlich gar kein Mädchen ist. So finster die Nacht zeigt eine Beziehung zwischen diesen beiden Menschen (bzw. Ex-Menschen), völlig loslöst von Grenzen der sozialen Ordnung. Weder die nicht vorhandenen Lebendigkeit, noch die unklare Geschlechterfrage spielen eine Rolle. Wichtig ist nur, wer das Gegenüber im Inneren ist.

4. Freddie Krueger, deine homosexuelle Seite

Die innere Werte interpretiert Freddie Krueger ja etwas anders. Der erste Teil der viel zu langen Filmreihe ist ein Kulthit. Der zweite auch, allerdings auf eine ganz andere Art. Methaporisch gesehen steht die Figur ja für den Schmerz und auch das "Böse" in einem selbst. Doch die eigenartig sexuell konnotierte Art, wie Freddie seine Opfer aufschlitzt oder aus ihnen selbst herausbricht, brachte den Drehbuchautoren, David Chaskin, von Nightmare 2 - Die Rache auf eine Idee. Es war 1985, Homophobie war durch die massive Aids-Welle auf ihrem Höchststand. Also beschloss Chaskin einen maximal homosexuellen Subtext in den Film einzubringen. Nightmare 2 handelt von einem jungen Mann, der bisexuell oder schwul konnotiert ist, es aber nicht wahrhaben will. Freddie Krueger ist ebenfalls an ihm interessiert. Er will in seinem Körper reinkarnieren. So wird die Figur hier zu einer Metapher, sein Ausbrechen auf Körpern zum wahrhaften Coming Out und zum Umgang mit der Angst vorm Schwulsein. Noch dazu ist Nightmare 2 herrlich campig und hat so viele eindeutige schwule Szenen, dass er seinen Namen "schwulster Horrorfilm des 20. Jahrhunderts" verdient hat. Man kann das natürlich humoristisch sehen, aber der Horrorfilm ist nun einmal das Genre, in dem man sich als Zuschauer auch mit seinen Ängsten auseinandersetzt. Dem Film wird manchmal vorgeworfen diese Ängste verstärkt zu haben. Das glaube ich aber nicht. Vielmehr bot er eine eigenartige Katharsis. Und andere, die den Subtext als den verstanden, der er ist, hatten Spaß mit der absurden Repräsentation schwuler Klischees.

5. Chuckys queerer Samen

Chucky's Baby ist ein total dämlicher Trashfilm. Doch so ganz nebenbei verhandelt er Geschlechterrollen und Ideen von Maskulinität auf eine, naja, sagen wir, ganz eigene Weise. Chucky und Tiffany haben ein Puppen-Kind gezeugt, das keine eindeutigen Geschlechtsteile hat. Chucky, der Vater und hypermaskuline Serienmörder in Puppenformat will aber eine Sohn, so nennt er das Kind Glen. Tiffany, seine Frau, sieht eher weibliche Aspekte und nennt das Kind Glenda. In Aussehen und britischem Akzent (im Original) erinnert Glen(da) an David Bowie zu Ziggy Stardust-Zeiten und bleibt den Film über non-binär. Da Chucky und Familie unbedingt in echten menschlichen Körpern reinkarnieren wollen, schwängert man kurzerhand eine Menschenfrau, damit das Kind ein Mensch werden kann. Doch die Frau bekommt Zwillinge: eine Junge, ein Mädchen. Glen(da) soll sich also für ein Geschlecht entscheiden. Ganz ehrlich, dieser Film ist hundsmiserabel. Aber immerhin einer, der sich mit der Idee von Geschlechteridentifikation (bzw. der Weigerung, das tun zu müssen) beschäftigt.


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