Das Erdbeben im italienischen L’Aquila sorgte nicht nur Aufmerksamkeit, weil dort Hunderte von Menschen starben, sondern auch, weil das Krisenmanagment der italienischen Regierung zu wünschen übrig liess. Der italienische Dokumentarfilm Draquila – Italien zittert der Filmemacherin Sabina Guzzanti zeigt die Schwächen der Regierung auf. 120.000 Bewohner der Region müssten monatelang in Zelte campieren, weil die Verantwortlichen um Ministerpräsident Silvio Berlusconi nicht in der Lage waren, ihnen Häuser zur Verfügung zu stellen.
Die Filmemacherin Sabina Guzzanti ist in Italien ein Star. Sie ist eine Verwandlungskünstlerin, die bereits mehrfach ins Kostüm schlüpfte, um Silvio Berlusconi in diversen TV-Shows zu imitieren. Dafür wurde sie auch schon wegen Diffamierung angezeigt. 2006 legte sie mit dem Dokumentarfilm viva-zapatero einen Film über die Medien-Zensur in Italien vor. Auch in ihrem aktuellen Dokumentarfilm ahmt die Filmemacherin den italienischen Präsidenten nach. Er hatte den Wiederaufbau nach dem Erdbeben zur Chefsache erklärt, aber war nicht in der Lage, die Situation für die Betroffenen schnell zu verbessern. Vielmehr kam es zu Korruption beim Wiederaufbau; aktuell stehen einige politisch Verantwortliche vor Gericht.
Aus Protest gegen die Vorführung des Dokumentarfilms Draquila – Italien zittert beim französischen Filmfestival will der italienische Kulturminister Sandro Bondi das Festival Cannes boykottieren. Wie verschiedene Medien berichten – unter anderem der Tagesanzeiger – behauptet der Minister, der Film sei ein “Propagandafilm, der die Wahrheit und das ganze italienische Volk beleidigt”.
Das Festival Cannes beginnt am Mittwoch. Als Eröffnungsfilm wird Robin Hood von Ridley Scott gezeigt.