Community

Vor 20 Jahren: Oscar-Sieger Dr. Haing S. Ngor getötet

25.02.2016 - 00:01 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Schauspieler Dr. Haing S. Ngor
Hieronymus Hölzig
Schauspieler Dr. Haing S. Ngor
0
1
Am 25. Februar 1996 wurde der Kambodschaner Haing S. Ngor erschossen. Bis heute wird gerätselt, ob er Opfer eines Raubmords oder Ziel von Anhängern der Roten Khmer war. Hinter ihm lag bereits eine Geschichte voller Grauen, Kampf und auch Triumph.

Die Einwohner von L.A. Chinatown hatten Schüsse am Abend des 25. Februars gehört, bevor die Polizei anrückte und einen toten Mann an der Einfahrt jenes kleinen Apartments vorfand. In der Wohnung des asiatisch-stämmigen Opfers wurden keine Hinweise auf den Tathergang gefunden, dafür aber eine große Buddha-Statue und direkt daneben ein gold glänzender Oscar. Der Ermordete war Filmstar.

Doch Haing S. Ngor, geboren irgendwann zwischen 1940 und 1951 nahe der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh, hätte sich selbst kaum als solchen definiert. Er war gelernter Gynäkologe, Überlebender eines grausamen Völkermords und später Kämpfer für die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels. Den Academy Award hatte er 1985 für Roland Joffés großartiges Antikriegsdrama "The Killing Fields - Schreiendes Land" erhalten. Darin verkörperte er die reale Figur Dith Pran, einen Journalisten, welcher das Terror-Regime der Roten Khmer ebenfalls am eigenen Leib erfahren hatte. Es war Ngors erste Rolle überhaupt - Den prompten Erfolg nutzte er fortan, um seinem Heimatland zu helfen.

Bittere Ironie oder Verschwörung?

20 Jahre ist es her, da endeten das bewegte Leben dieses Mannes und sein Kampf gegen das Leiden Kambodschas abrupt auf unwürdigste Weise. Sowohl die Polizei von Los Angeles als auch U.S. State Department, Secret Service und FBI befassten sich mit dem Fall, schließlich handelte es sich um einen bekannten Mann, dessen Engagement vielen Khmer-Rouge-Sympathisanten missfallen haben könnte. Doch bald legten Hinweise ein simpleres Szenario nahe. Dem Mordopfer fehlten eine Rolex und ein Medaillon aus 24-karätigem Gold, das dieses sonst immer bei sich hatte. Zudem identifizierten Zeugen drei jugendliche Mitglieder der asiatischen Straßen-Gang "Oriental Lazy Boyz" als Urheber der Tat. 1998 wurden somit Tak Sun Tan, Jason Chan und Indra Lim des Mordes schuldig gesprochen. Haing S. Ngor, der die Hölle des Pol-Pot-Regimes überlebt hatte, war Opfer eines Raubmords gewesen. Eine Erkenntnis, die nicht lange zweifelsfrei blieb. Warum wurden dem Mann jene 3.700 $ , die er am Mordabend bei sich hatte, nicht auch entwendet, wenn die Todesschüsse in purer Geldgier abgefeuert wurden? Vor allem unter Kambodschanern herrscht seit jeher Unzufriedenheit mit der Zufallsmord-Theorie. 2004 wurde einer Revision Tak Sun Tans wegen, laut Verteidigung falscher Beweise und Druckausübung auf die Jury , stattgegeben, der Schuldspruch 2005 jedoch wieder bekräftigt. Um die Geschichte von Haing S. Ngor zu verstehen, muss man weiter zurückgehen.

9 Finger und 23 Kilo

Das Kambodscha, in dem Ngor aufwuchs, er seine Frau Chang My Hoa  kennenlernte und eine eigene Arztpraxis hatte, besaß einen frankophilen Touch. Der Vietnamkrieg mit zahllosen Bombardements brachte Anfang der 70er derartig viele "Kollateral"-Schäden über Kambodscha, dass eine anfangs kleine kommunistische Gruppe von Aufmüpfigen zu mehr und mehr Macht gelangte. Die Roten Khmer unter Führung von Pol Pot übernahmen 1975  die Herrschaft über das Land, es begann das radikalste und verheerendste politische Experiment des 20. Jahrhunderts. Alles, was für die westliche Kultur stand, wurde verbannt, jeder, der leben wollte, musste auf dem Land arbeiten. Die Hauptstadt Phnom Penh, zuvor Heimat für 2 Millionen Einwohner, wurde bedingungslos geräumt. Eine Hungersnot war die Folge, Hunderttausende starben. Die Zahl toter Kambodschaner stieg auf 2 Millionen an, nachdem Pol Pots beispiellose Paranoia Massenmorde über vermeintliche Regime-Gegner brachte. Auch Haing S. Ngor hungerte, verlor einen Finger an die Khmer als Folge der gängigen Bestrafungen für leichten Ungehorsam. Ngors Mutter, sein Vater, Geschwister und Nichten wurden von den Handlangern Pol Pots getötet, einem Mann, den die wenigsten Menschen vor Ende seiner Herrschaft kannten. Haing S. Ngors schwerster Moment muss der Tag gewesen sein, als seine schwangere Frau nach vorzeitigen Wehen, in seinen Armen, starb. Ein Kaiserschnitt hätte Frau und Kind gerettet und doch den Tod bedeutet. Ngor verheimlichte seine Medizinervergangenheit. Ärzte galten als intellektuell. Intellektuelle galten als verdächtig. Verdächtige verschwanden auf den "Killing Fields" oder wurden in einem ehemaligen Gymnasium  nahe Phnom Penh ermordet. 1979 gelang ihm schließlich die Flucht nach Thailand - Der Mann, der im dortigen Flüchtlingsheim ankam, wog gerade noch 23 Kilo  und hatte sich mit Skorpionen und Termiten vor dem Verhungern bewahrt.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News