Warum ich den Oscar 2013 liebe... und hasse

23.02.2013 - 09:18 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Das Oscar-Jahr 2013
Sony/Universal/Warner
Das Oscar-Jahr 2013
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Wenn der Oscar eines kann, dann den Blutdruck in die Höhe schießen lassen. Auch dieses Jahr ist das nicht anders, haben wir es doch mit einem der besten Jahrgänge zu tun und einem der frustrierendsten.

Letztes Jahr habe ich die Oscar-Verleihung nicht live verfolgt. Zugegeben, es gibt spannendere Artikelanfänge, aber die folgende Mischung aus Begeisterung und Frustration lässt sich erst mit dieser Information hinreichend genießen. Jahrelang habe ich mich durch die Verleihung gequält, mal mit meinen Lieblingen gejubelt, mal mit ihnen getrauert. Als der Gewinn von The Artist absehbar wurde, entschloss ich mich, der Verleihung endgültig adé zu sagen. Warum auch jedes Jahr wieder durch die Oscar-Saison stapfen, wenn am Ende doch nur ein mediokrer Stummfilm, ein mediokres Biopic oder ein mediokrer Poverty Porn den Hauptpreis abräumt? Die verzweifelten Versuche der Academy, ihre Veranstaltung zu verjüngen, halfen nicht, und so zog ich den imaginären Oscar-Stecker. Ausschlafen hat schließlich seine Vorteile. Dann kam der Oscar 2013 und alles ging von vorne los.

Der Oscar-Jahrgang 2013 ist einer der besten seit langem und das nicht nur, weil ich einige der Filme ins Herz geschlossen habe. Im vergangenen Jahr blickte die Academy mit Nominierungen wie Hugo Cabret, Gefährten und Midnight in Paris sehnsuchtsvoll zurück, um am Ende dem versöhnlichsten, aber auch belanglosesten Beitrag den Hauptpreis zu überreichen. 2013 scheint die Nostalgie vom Winde verweht. Terror, Folter, Sklaverei, Fanatismus sind nur einige der Stichworte, die einem bei Ansicht der Nominierten für den Besten Film in den Kopf schießen. Vielleicht waren die harten Themen, um den News-Jargon zu bedienen, unausweichlich in einem Jahr, in dem sich Michael Haneke Hoffnungen auf den Hauptpreis der Academy machen kann.

Die anhaltenden Debatten rund um Zero Dark Thirty, Django Unchained und, mit Abstrichen, Lincoln geben Auskunft über den thematischen Zündstoff, dem sich der Oscar 2013 zuwendet. Doch Themen, wie wir jedes Jahr bei der Berlinale schmerzlich erfahren, sind nicht alles. Im stärksten Oscar-Jahrgang seit 2007 (No Country for Old Men, There Will Be Blood, Michael Clayton, um nur ein paar zu nennen) findet sich die nüchterne und dadurch niederschmetternde Jagd nach Osama bin Laden. Eine wütende Rachefantasie steht hier neben einer CGI perfekt instrumentalisierenden Parabel, die gediegene Huldigung eines Präsidenten neben dem manischen Kampf/Tanz eines Mannes um seine Ex. Offensichtliche Awards Bait findet sich kaum unter den Anwärtern auf den Oscar für den Besten Film. Eine sperrige Abhandlung wie Zero Dark Thirty biedert sich der Academy ganz sicher nicht an, ebenso wenig wie das Genre-Fest Django Unchained oder der filmische Trauerkloß Liebe. Selbst das obligatorische Musical im Bunde, Les Misérables, versucht sich über 150 Minuten vom klassischen Singspiel-Glamour zu befreien, wobei der Erfolg diskutabel ist. Haben wir es, wie im Falle von Lincoln, mit Oscar-Ware zu tun, so doch nur oberflächlich. Lincoln mag als klassisches Hollywood-Kino betören, seine Absage an althergebrachte Biopic-Strukturen und sein Wille, sich in endlose politische Debatten hineinzusteigern, heben ihn von den üblichen Verdächtigen des Genres ab.

Mussten wir also letztes Jahr mit Nominierten wie The Help, Extrem laut und unglaublich nah und The Artist Vorlieb nehmen, stehen wir 2013 einem Wettbewerb gegenüber, in dem Regie-Exzentriker wie Michael Haneke, David O. Russell und Quentin Tarantino im Best Picture-Bereich konkurrieren, in dem gefeierte Gewinner wie Kathryn Bigelow, Steven Spielberg und Ang Lee mit ihren Werken ins Rennen um den wichtigsten Filmpreis der Welt™ gehen, ganz zu schweigen von einem Paul Thomas Anderson (The Master) oder Wes Anderson (Moonrise Kingdom) in den Nebenkategorien. Und dann ist da Ben Affleck.

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