The Social Financial Network Family Drama

12.02.2011 - 08:30 Uhr
Olos Diary: Margin Call
Koch Media / moviepilot
Olos Diary: Margin Call
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Tag 2 bei der Berlinale: Heute wurden mit Margin Call und The Prize die ersten beiden Wettbewerbsfilme vorgestellt, die auch wirklich am Rennen um den Goldenen Bären teilnehmen. Aber auch abseits der Filme ergab sich die eine oder andere Anekdote.

Freitagmorgen, 8.30 Uhr, in den Arcaden am Potsdamer Platz: Noch müde von der viel zu kurzen Nacht – die Taufe unseres ersten Berlinale Podcasts beanspruchte mehr von unserer Zeit als gedacht – mühte ich mich durch den endlosen Flur der gefühlt längsten überdachten Einkaufsmeile der Welt. Plötzlich stand ich vor zwei Menschenansammlungen, die ich erst auf den zweiten Blick als Anstehschlangen erkannte. Bereits jetzt, 90 Minuten vor Öffnung drängte sich eine Schar von Filmbegeisterten um die vier Ticketschalter. Einige mit Bodenmatten, andere mit Klappstühlen ausgerüstet, erinnerte mich das Szenario an die guten alten Fandom-Zeiten, als man für die Premiere von großen Franchisefilmen noch Stunden vorher vor der Kasse campte. Hut ab!

Ich schob mich weiter in Richtung Berlinale Palast, wo mich die nächste Schlange erwartete. Das Fachpublikum wartete auf Einlass in das pompöse Gebäude, wo schon alle nur erdenklichen Stars und Filmemacher gastierten. Als ich zehn Minuten später zum ersten Mal den Saal betrat, war ich sichtlich beeindruckt. Doch viel Zeit zum Staunen blieb nicht, denn wie ich gestern bereits vor dem True Grit Screening herausfinden durfte, ist das Fachpublikum der Berlinale noch ungeduldiger als die Berliner Taxifahrer und sind schneller mit dem Ellbogen zur Stelle als die anderen hupen können.

Margin Call – Wie The Social Network, nur anders
Ich hatte meine Bedenken gegenüber dem Film. Ein Starvehikel wie Der große Crash – Margin Call – immerhin teilten sich Kevin Spacey, Paul Bettany und Zachary Quinto die Hauptrolle und wurden noch von Schauspielern wie Demi Moore, Jeremy Irons und Stanley Tucci flankiert – dient meist dazu, die Lücken auf dem roten Teppich durch einige zusätzliche Promiabdrücke zu füllen. Zudem war es das Kinodebüt eines Regisseurs – J.C. Chandor – der ein Busenkumpel aus Kindheitstagen von Zachary Quinto und des ausführenden Produzenten war. Auch das Thema, einen Film über die 36 Stunden vor dem großen Knall der Finanzkrise 2008 zu drehen, löste nicht unbedingt meine Skepsis.

Doch es kann Entwarnung gegeben werden: Der große Crash – Margin Call wusste größtenteils zu überzeugen, was ich seiner Dialoglastigkeit und auch seiner menschlichen Seiten zuschreibe. Der Film – ein waschechter Indiefilm ist, der nicht einmal vier Millionen Dollar kostete! – versucht, der Finanzkrise, die in den USA ihren Anfang nahm und globale Auswirkungen hatte, ein menschliches Gesicht zu verleihen. Er macht es sich nicht leicht, in dem er den schwarzen Peter auf macht- und geldgierige Unsympathen abschiebt. Nicht die abnorme Gier einiger Weniger, sondern die tägliche unscheinbare Gier Aller nährte das System das schlussendlich durch viel Ignoranz und Automatismus geschürt wurde. Es entfaltet sich eine interessante Endzeitstimmung, die durch Zeitraffermontagen von Manhattans Skyline zusätzlich unterstrichen wird. Nur steht die Welt nicht kurz vor der Zerstörung, sondern vor dem Bankrott.

Der große Crash – Margin Call ist ein Film ohne Bösewicht, aber unglaublich vielen Opfern. Ein Film über die Frage, wem man Loyalität schuldet: dem Geld, dem Unternehmen oder den Menschen? Der Regisseur verwendete eine Vielzahl von Metaphern und Analogien, um die komplexen Vorgänge und abstrakten Zahlen begreifbar zu machen. In seiner Machart und besonders was die Charaktere betrifft, ähnelt er sehr der Handschrift von The Social Network Autor Aaron Sorkin. Auch dieser reduziert komplexe Sachverhalte auf die menschlichen Aspekte, lässt seine Charaktere im Dauerfeuer ihre Dialoge rausschmettern und bedient sich fast pausenlos Walk’n talks, was auch in [m:margin-call|r]] ausführlich angewandt wird. Kurzum, eine überraschender Wettbewerbsauftakt, der sicherlich noch zu toppen ist, aber trotzdem meine Vorurteile in Luft auflösen ließ.

The Prize – Wenn Kindheiten von Filmemachern zum Ärgernis werden
“Die Handlung spielt an Orten meiner Kindheit. Ich kann noch immer deutlich den Klang des unaufhörlichen, feuchten Windes hören. Ich sehe den ungastlichen Strand. Die See ist gelb und grau. Stürme lassen die Mauern erzittern. In der Schule erleben wir die überwältigende Mittelmäßigkeit des Faschismus und seiner lächerlichen Rituale. Ich bin sieben Jahre alt. Ich gehe zur Schule. Man hat mir gesagt, dass das Leben meiner Familie von meinem Schweigen abhängt. Ich bin gezwungen zu lügen. Ich lüge also, genau so wie ich es tun soll.”

Das sind die Worte mit denen die Regisseurin Paula Markovitch ihren Film The Prize beschrieb. Raue Gezeiten, das Rauschen des Meeres sowie des Küstenwindes und mitten drin ein nachdenkliches Kind, das nur in wenigen Momenten Kindsein kann. Eines ist der Regisseurin gelungen: Der Zuschauer kann fast die Meeresluft riechen, den Sand zwischen den Zehen fühlen und ihre Kindheitserinnerungen auf Film gebannt folgen, mit denen sie für sich die Gefühle von damals wieder in Erinnerung rufen kann. Nur leider nicht für alle anderen, die nicht in ihren Kopf eintauchen können.

Für den Zuschauer eröffnet sich eine atmosphärische Tonspur, die als Entspannungs-CD verwertet werden könnte, aber eine Familiengeschichte ohne Handlung. Momentaufnahmen ohne Dramaturgie, die nur von einem losen Faden einer Familientragödie zusammengehalten werden, die aber nie wirklich greifbar wird. Auch die Sehnsucht des Mädchens nach ihrem Vater bleibt dem Zuschauer verschlossen. Lest euch nochmals das Zitat der Regisseurin durch und lauscht währendessen dem Meeresrauschen vom Band, das kommt dieser europäisch-mexikanischen Koproduktion erschreckend nahe.

Wie es Stefan auf seiner Berlinale-Tour erging, erfahrt ihr in seinem Text Frauen, Frauen und nichts als Frauen. Natürlich darf auch unser zweiter Podcast nicht fehlen, denn ihr im Anschluss oder als Überblick in der entsprechenden News findet. Gebt uns noch etwas Zeit und wir werden noch richtige Podcast-Profis – naja, fast…







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