Rabbi Jacob - Eine geniale Komödie und kulturell aktueller denn je

27.09.2016 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Louis de Funès in Die Abenteuer des Rabbi Jacob
Kinowelt
Louis de Funès in Die Abenteuer des Rabbi Jacob
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Heute darf ich mein erstes Herz für Klassiker verschenken. Weil dieses französische Schmuckstück wirklich eine Herzensangelegenheit ist, stelle ich euch Die Abenteuer des Rabbi Jacob vor - der ist nämlich gerade jetzt wieder richtig aktuell.

Da es hier um mein Herz geht, nehme ich es erstmal leicht und schenke meine Aufmerksamkeit einer der wunderbarsten Komödien des letzten Jahrhunderts. Die Abenteuer des Rabbi Jacob von 1973 vereint nämlich unglaublich viele Aspekte, die ihn absolut zeitlos und gerade heute wieder kulturell topaktuell machen. Wie ich damals von Papa zum Filmschauen aufs Sofa gesetzt wurde, setze ich euch jetzt hin, um euch ein kleines Loblied zu singen. Ach, und ich rate euch, dazu die Titelmusik  anzumachen, denn der Soundtrack des Films ist ein Meisterwerk.

Warum Rabbi Jacob mit jedem Gangsterfilm mithalten kann

Eigentlich geht es ja um den Unternehmer Monsieur Buntspecht (Louis de Funès) auf dem Weg zur Hochzeit seiner Tochter. Der Haken: Erstens ist er ein rassistischer Egoist und verkracht sich mit seinem jüdischen Chauffeur, was in einem Unfall resultiert. Zweitens gerät er unabsichtlich in die Entführung des arabischen Widerstandsführers Slimane (Claude Giraud) durch dessen Gegner Farés (Renzo Montagnani).

Das Schöne daran: Da sich der Film nicht ernst nimmt, kann er bewusst mit typischen Kameraeinstellungen und Szenerien spielen. Die fiesen Entführer sind so überzeichnete Klischeegangster, dass man sie schon fast wieder ernst nehmen kann. Gerade das Verhör Slimanes ist zwar ein Stereotyp einer "Du wirst schon reden!"-Szene. Sie gelingt aber perfekt, ohne lächerlich zu sein. Wo Gangster- oder Agentenfilme oft krampfhaft versuchen, mysteriös und kompliziert zu sein, hat Rabbi Jacob dieselbe Prämisse, erlaubt sich aber eine erfrischende Kreativität. Wer hat schließlich zuvor je einen Kampf in einem Kaugummi-Bottich inszeniert? Zudem baut sich das Wettrennen der verschiedenen Parteien extrem intelligent und komplex auf. Selten bekommen Zuschauer ein so verzwicktes, wahnwitziges Katz- und Maus-Spiel zwischen Jägern und Gejagten zu sehen wie in diesem Film. Zu Gangsterbande, davonlaufendem Widerstandsführer und der Geisel Buntspecht kommen als Verfolger nämlich sehr schnell auch noch Buntspechts hysterische Frau und die Polizei, die natürlich alles falsch versteht.

Claude Giraud und Renzo Montagnani in Die Abenteuer des Rabbi Jacob

Shakespeare-Treue und kultureller Respekt

Schließlich kommen Slimane und Buntspecht auf die geniale Idee, sich als Rabbiner zu tarnen. Neues Problem: Auf dem Flughafen, auf dem sie sich verkleiden, wartet eine Familie auf die Ankunft des Rabbiners Jacob. Ehe sie sich's versehen, werden Buntspecht und Slimane (Verzeihung, Jacob und Zeligman) verwechselt und mit ins jüdische Viertel von Paris genommen, wo sie wohl oder übel ihre Rollen spielen müssen. Der Aufbau solcher Situationen in Komödien ist ein uraltes und ewig wiederverwendetes Prinzip, das bis auf Shakespeare zurückgeht. Die Abenteuer des Rabbi Jacob ist aber eine besonders gelungene Umsetzung dessen: Genau wie in Was ihr wollt geben sich die Hauptfiguren zur Tarnung als jemand anderes aus. Dabei läuft diese Maskerade wie für Viola im Stück aus dem Ruder und ihre Mitmenschen verkomplizieren das Ganze. So muss hier besonders Buntspecht dazu lernen und letztendlich ehrlich sein, um keine Katastrophe auszulösen. Wie in einem elisabethanischen Theaterstück ergibt sich dadurch ein Spannungsbogen, der auf ein grandioses Finale zuführt.

Rabbi Jacob ist vielleicht keine Innovation, aber in sich vollkommen rund und birgt einen zusätzlichen Aspekt. Was den Film nämlich besonders interessant macht, ist die Thematik: Buntspecht wird in seiner Unglückssituation mit seinem Rassismus konfrontiert. Zuerst durch seinen Geiselnehmer Slimane, der ganz wie ein nahöstlicher Verbrecher daherkommt. Doch schnell stellt er sich als intelligenter, charmanter und - naja - familienfreundlicher Mensch heraus und räumt mit dem Terroristenklischee auf. Dann kommt die Aufnahme im jüdischen Viertel. Wir finden uns mit Buntspecht in einer ganz anderen Kultur wieder, was natürlich zur ein oder anderen abstrus-komischen Szene führt. Vor allem aber wurde die jüdische Gemeinde mit sehr viel Respekt und Verständnis für Religion und Bräuche dargestellt. Liebevoll und mit Augenzwinkern wird die Bedeutung einer Bar Mitzvah verdeutlicht und erklärt, wie nah sich christliche und jüdische Kultur tatsächlich sind. Gerade in Zeiten der Flüchtlingsproblematik und der Furcht vor anderen Kulturen transportiert Rabbi Jacob eine wichtige Botschaft: Im Grunde sind wir alle nur Menschen, auch wenn wir uns anders anziehen oder anders beten.

Ein unvergleichlicher Alleinunterhalter in einer zeitlosen Komödie

Wie eigentlich bei jedem Werk mit Louis de Funès trägt er als Hauptdarsteller fast den gesamten Film. Bis heute gibt es neben Danny Kaye oder Buster Keaton wenige Schauspieler, die allein mit ihrer Mimik eine Show der Extraklasse bieten. Was immer Louis de Funès an Themen in die Finger bekommt, setzt er liebenswert schrullig als genialer Komiker um. Gerade als Rabbi Jacob läuft er zur Hochform auf, zieht seine besten Grimassen, rennt in die bizarrsten Situationen und tanzt sogar (siehe oben). Auch vor der Maskerade reicht ihm ein Telefon und ein Regenschirm, um großes Comedy-Kino hinzulegen.

Situationskomik und Parodien geben sich die Klinke in die Hand, und das, ohne niveaulos zu sein. Der Humor ist unbeschwert und einfallsreich aus einer Ära, in der französische Komödien noch völlig ohne Schwermut und mahnend erhobenen Zeigefinger auskamen. Trotzdem bringt er seinen Zuschauern mehr bei, als es die durchschnittliche Hollywood-Komödie von heute je könnte (was lernen wir bei Adam Sandler nochmal?). Die verpackte Gesellschaftskritik fühlt sich nicht wie eine Lehrstunde an und koexistiert friedlich mit dem Witz des Films. So sind und bleiben die Themen des Films aktuell und die Späße können jeden begeistern, der sein inneres Kind noch nicht verloren hat.


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