Ist euer Weg der richtige?

18.02.2017 - 09:25 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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So viele Sichtweisen, so viele Wege, durchs Leben zu gehen. Und mittendrin stehen wir und glauben, die Mauern in unseren Köpfen seien eigentlich ganz gemütlich. Mitunter ist da aber auch eine Tür ... Öffnet sie und seht nach, was dahinter steckt!

Jeden Samstag stellen wir euch einen Kommentar zu einem großen oder kleinen Film vor, zu einer wahnsinnig erfolgreichen oder bisher übersehenen Serie, zu einem Star, den die Welt verehrt - oder der nur einer Person bisher einen Kommentar wert war. Worüber der Kommentar der Woche spricht, ist egal - viel wichtige ist, WAS er zu sagen hat. Wenn also ein paar Worte da draußen eure Saiten ganz besonders zum Klingen bringen, ihr euch in ihnen wiedergefunden habt oder ihr einfach nur begeistert seid - dann sagt uns Bescheid, denn diese Worte sollten auch hier stehen!

Der Kommentar der Woche
Ihr habt Captain Fantastic trotz des großartigen Viggo Mortensen noch nicht gesehen? Dann solltet ihr sachsenkriegers Kommentar ganz besondere Beachtung schenken (und nicht nur, weil er fantastisch ist) - vielleicht entdeckt ihr eine Mauer in eurem Kopf, hinter der eine ganze Welt auf euch wartet ...

Fanatiker gab es immer und überall, gibt es und wird es auch immer geben. Es sind oft Menschen, die sich in eine bestimmte Idee von so vielen möglichen verrennen und dann dermaßen daran festbeißen, das eine Art von geistiger Kiefersperre eintritt. Sie basteln sich aus allen möglichen Anschauungen der Welt ihre eigene, die dann ihr ganzes Denken und Handeln in eine bestimmte Richtung lenkt. Mit der Zeit, schwinden dann nach und nach der Respekt, die Akzeptanz, und schließlich irgendwann vielleicht sogar die Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Es tritt vielleicht der Glaube ein, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Man setzt sich selbst die Narrenkrone auf den Kopf, man füllt sich mit überschüssigem, gefährlichem Halbbesserwissen einen Krug, und geht mit diesem schließlich solange zum Brunnen, bis man am bitteren Ende anlangt ... oder bis der Krug bricht.

Diese zwei möglichen Wege, sich in die Sackgasse einer bestimmten Weltanschauung zu begeben, repräsentieren Jack und Ben, der eine der ans System angepasste und selbstgefällige Großvater der Kinder, der andere der abseits des Systems lebende und ebenso selbstgefällige "Philosophenkönig" und Vater. Jack hat sich am Ende seines vermeintlichen Irrweges, an der unüberwindlichen Mauer seiner eigenen Überzeugungen, ein hübsches Anwesen gebaut. Würde man ihn fragen, warum er denn am Dead End eines endenden Weges lebe, würde er vielleicht behaupten, das sein Weg ende, weil er den einzig wahren Weg gefunden habe, der ja irgendwann unweigerlich enden müsse. Ben hingegen, dessen "Holzweg" unter einer Schicht wild wuchernder Natur verborgen, und als solcher für ihn gar nicht zu erkennen ist, unterrichtet dort an der Mauer seine Kinder in einer Art buddhistisch-maoistisch-kommunistisch-atheistischen Darwinismus, der vor Widersprüchen in sich selbst nur so strotzt.

Aber das entspringt natürlich auch nur meiner Sicht der Dinge, die ich mir, völlig unbeeinflusst durch irgendeine erlernte Bildung, im Laufe meines kurzen Lebens, so zurechtgezimmert habe. Ich weiß nicht, ob ich nicht auch am Ende einer Sackgasse lebe und es mir dort allzu gemütlich gemacht habe. Aber ich gestehe mir zumindest ein, das es wahrscheinlich so ist ... oder zumindest so sein könnte. Viele von uns wollen in Filmen immer irgendeine Kritik irgendeiner Art erkennen müssen, wollen eine solche, bestimmte Kritik haben, um sich vielleicht hinterher selbst den Kopf streicheln zu können, dass sie doch irgendwie alles richtig gemacht haben, machen und weiterhin machen werden. Dass sie richtig denken können, das Richtige denken. Ich sehe CAPTAIN FANTASTIC als einen Film, der durch die Widersprüchlichkeit seiner Figuren versucht, sich irgendwie jeglicher Kritik an irgendetwas zu entziehen. Denn in der Regel, gehen wir einen einmal eingeschlagenen Weg bis zum Ende, auch wenn wir irgendwann deutlich erkennen müssten, das wir an irgendeiner Stelle falsch abgebogen sind. Aber vielleicht ist das Wandeln auf vorhandenen Wegen, die ja darauf hindeuten, das hier bereits jemand gegangen ist, schon "der falsche Weg". Vielleicht haben weise Menschen recht, die sagen, man soll dort gehen, wo keine Wege sind, wo kein anderer bisher gegangen ist.

...Die Straße gleitet fort und fort
weg von der Tür, wo sie begann
weit überland, von Ort zu Ort
ich folge ihr, so gut ich kann
ihr lauf ich raschen Fußes nach,
bis sie sich groß und breit verflicht
mit Weg und Wagnis tausendfach
Und wohin dann? Ich weiß es nicht...

Bei Matt Ross, man möge mir verzeihen, muss ich immer an seine Paraderolle als nerdigen Arsch mit Ohren, in der Miniserie Das Haus der Verdammnis von Stephen King denken. Wie der seine Rolle köstlich überzogen dargestellt hat, dass es ein Grauen und ein Vergnügen war. So ähnlich erging es mir auch mit seinem zweiten Langfilm CAPTAIN FANTASTIC. Denn Ross spielt hier in fast kindlicher Manier mit all den üblichen Verdächtigen unter den Welt- und Lebensansichten. Er zieht viele Register der religiösen, politischen oder sozialen Kartei, in die wir uns im Laufe des Lebens oft selbst sehr gerne einordnen, um dann, aus der Sicherheit einer warmen und gepolsterten Schublade heraus, eine Meinung, einen Standpunkt, eine Theorie, eine Weltanschauung zu vertreten, eine vorderste Linie der Verteidigung einzurichten. Was wir dabei vergessen ist, dass wir alle als Individuen auf die Welt kommen, und sie auch als Individuen wieder verlassen. Dass wir nur selten im Leben den Schleier, der uns alle voneinander trennt, wirklich durchschauen können. Dass wir keinen Menschen, vor allem nicht die uns zum Schutze befohlenen Kinder, unserem Denken unterwerfen sollten. Dass wir unsere, fast unvermeidlich im Laufe eines Lebens entstehenden Grenzen, im Umgang mit anderen, durchlässig machen sollten. Sie nicht auf andere übertragen sollten. Dass wir jeden Menschen unabhängig und einzeln betrachten, nicht bewerten, einteilen, zuordnen, verurteilen sollten. Aber wie immer ist das leichter gesagt als getan, und der einfache Weg erscheint uns leider viel zu oft auch als der Richtige.

Der Kern dieses, auf jeden Fall "aufwühlenden" Films war für mich persönlich, abseits der hervorragenden Leistungen aller Schauspieler, insbesondere der Kids, wieder einmal Viggo Mortensen. Was der sich seit dem Herrn der Ringe aus dem Ärmel seines Repertoires geschüttelt hat, fasziniert mich ein ums andere Mal. Ein charismatischer Typ, den ich gerne auch als Revolvermann gesehen hätte, oder als karthagischen Heerführer. Wem, wenn nicht ihm, kann ich es abnehmen, dass er, nach anfänglicher Weigerung, seine Anschauung der Dinge hinterfragen, und letztendlich sogar ändern kann? Das haben könnte. Auch das "Happy End", das oberflächlich vorgaukelt, dass CAPTAIN FANTASTIC recht gehabt haben könne, erscheint mir nicht als Widerspruch. Die Kinder nehmen das, was ihnen die Eltern als Rüstzeug mit auf den Weg gegeben haben, und werden nach und nach, eines nach dem anderen, ihren eigenen Weg gehen ... oder halt auch abseits aller Wege, in nomadischer Art und Weise, durch diese wunderbare, große, weite, so atemberaubend schöne, vielfältige Welt streifen, die nicht immer nur entdeckt, vermessen, beobachtet, eingeteilt und aufgeteilt, sondern geliebt werden will. Durch ein Leben, das nicht immer nur geplant, strukturiert, durchorganisiert oder erkauft, sondern schlicht und (gar nicht immer) so einfach, nur gelebt werden will.

Was bleibt am Ende eines schönen Filmabends? Vielleicht die für mich nicht allzu neue und auch nur vermeintliche Erkenntnis, dass wir, solange niemand erscheint, der uns plausibel machen kann, dass er eine unvermeidliche Autorität besitzt, einen Anspruch darauf hat, uns zu erzählen, was wir zu tun und zu lassen haben, nur einem einzigen Wesen gegenüber Rechenschaft schuldig sind ... Uns Selbst...

Den Originalkommentar findet ihr übrigens hier.

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