Nach Songs From the Second Floor und Das Jüngste Gewitter kehrt der schwedische Regisseur Roy Andersson mit dem dritten Teil einer inofiziellen Trilogie "über das Menschsein" zurück: A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence heißt das gute Stück und bevor ihr weiterlest, solltet ihr den Titel fünfmal hintereinander ohne Fehler aufsagen.
Fertig? Gut, denn Anderssons neuer Film wird gerade durch die Kinos beim Festival in Venedig gereicht und die ersten Kritiken sind mehr als enthusiastisch. Da regnet es regelrecht Sterne in den Feuilletons.
"Man könnte auch über einen Kuchen tanzen", schreibt Robbie Collin im Telegraph über die Schwierigkeit, Roy Anderssons Filme zu beschreiben. 5 von 5 Sternen verteilt der Kritiker und wagt es trotzdem:
"Du musst [den Film] anschauen, versuchen ein Netz zu greifen und deine Seele von der Decke zurück nach unten zu ziehen. [...] Wie die ersten beiden Filme in der Trilogie besteht A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence größtenteils, aber nicht nur, aus komödiantischen Sketchen, die sich in akribisch zusammengestellten, kastenartigen Sets abspielen. Die Figuren, meist von Laien gespielt, tragen blasse Kleidung und graues Make-up. Ihre Gesichter erinnern an Buster Keaton in seiner trockensten Stimmung und die Szenerie an Jacques Tati in seiner Playtime-Phase."
"Aber die Ideen und Bilder sind unauslöschlich, gerade weil sie sich dem Verständnis widersetzen. Ausgemergelte schwarze Sklaven werden von Englisch sprechenden Soldaten in einen riesigen Ofen aus Trompeten geladen und ihre Schreie verwandeln sich in wunderschöne Musik. Wie in aller Welt soll man das verarbeiten? Die Antwort lautet: Man kann es nicht. Das ist unübersetzbares Kino."
"Anderssons Filme", fasst Collin trotzdem - oder gerade deswegen - völlig begeistert zusammen, "nehmen die Perspektive einer Taube ein. Es ist der Himmel."
Xan Brooks vergibt im Guardian ebenfall 5 von 5 Sternen für A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence:
Jessica Kiang gibt bei The Playlist die (Schul)Note A- für den Wettbewerbsfilm:"Was für ein kühner und überhaupt nicht festzulegender Regisseur Andersson ist. Er denkt, das Leben ist eine Komödie, fühlt, dass es eine Tragödie ist und ist fähig, diese widersprüchlichen Impulse in einen umwerfenden, trockenen Stillstand zu zwingen. [...] Mir gefällt auch die Art, wie er die Kamera statisch hält, sein Tableaux in einer Halbnahen einfängt und dabei stets 10 Fuß davon entfernt ist. [...] Diese Leute sind nah genug dran, um studiert, aber nicht berührt zu werden und vielleicht ist das die Intention. Vielleicht meint Andersson, dass wir nie mehr als 10 Fuß herankommen werden an unsere Mitmenschen."
"Jede in sich abgeschlossene Einstellung ist ein kleines Meisterwerk des Setdesigns, der Choreographie und des perfekten, außer Takt geratenen Timings, aber die große Freude bei Anderssons Filmen ist es, die Brotkrumen der Motive aufzusammeln und die Details am Rande aufzuspießen. [...] A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence rückt Roy Andersson in die Nähe von Beckett und T.S. Eliot und fängt vielleicht viel mehr als jeder andere Film in den nächsten acht Jahren die schreckliche, glorreiche Absurdität des Menschseins ein."
Weitere Reaktionen gibt es beim Hollywood Reporter , HeyUGuys und der Variety nachzulesen. So schreibt Peter Debruge abschließend: "Was für eine seltsame Spezies der Homo sapiens ist. Dem Film nach zu urteilen, führen wir Kriege, quälen Tiere und beuten einander aus und trotzdem, versichert uns Andersson, könnte es noch viel schlimmer sein. Im Großen Ganzen der Dinge, ist er froh, uns zu zeigen, machen wir die Sache doch ganz gut."
Beim Guardian gibt es zudem ein Interview mit Roy Andersson nachzulesen. Der Titel: "Ich versuche zu zeigen, wie es ist, ein Mensch zu sein." Der Telegraph bietet eine kurze Einführung ins Werk des "besten Kult-Tauben-Regisseurs, von dem du noch nie gehört hast".