Ed Wood ist der beste Film von Tim Burton

30.08.2014 - 09:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Lasst euch nicht von kleinen Nichtigkeiten wie fehlendem Talent beirren.
moviepilot/Buena Vista/Touchstone
Lasst euch nicht von kleinen Nichtigkeiten wie fehlendem Talent beirren.
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Dieses Mal ehrt der Kommentar der Woche nicht nur einen verdammt guten Film, er ehrt auch einen verdammt schlechten Filmemacher, der gerade dadurch seine verdiente Unsterblichkeit erlangte, und damit ist nicht Tim Burton gemeint, sondern Ed Wood.

An jedem Wochenende schieben wir einen eurer Kommentare ins Rampenlicht. Dieser Kommentar kann zu einem filmischen Meisterwerk des schlechtes Geschmacks geschrieben worden sein, zu einem längst vergessenen Star, einer herrlich unfähigen Serie. Also zieht eure rosa Angorapullover an, macht euch auf die Suche nach unvergesslichen Worten - und nominiert sie, sobald ihr sie entdeckt.

Der Kommentar der Woche

Mit seinem Kommentar zu Ed Wood zollt Martin Oberndorf nicht nur einem Film Respekt, er würdigt auch einen Filmemacher, der bewiesen hat, wie man ohne Geld etwas abliefern kann, das überhaupt nicht gut ist - und doch... groß:

Der heutige Kommentar behandelt nicht nur den Film, sondern sei auch dem titelgebenden Filmemacher gewidmet, Edward Davis Wood Jr., alias Ed Wood...
Ed Wood inszeniert erfolglos Theaterstücke. Seine Freunde und seine Freundin besetzt er liebend gerne in seinen Werken. Seine große Leidenschaft sind jedoch Filme. Als er hört, ein Studio möchte einen Film über eine Geschlechtsumwandlung drehen, weiß Ed, dass er der richtige Mann für den Job ist - oder die richtige Frau, denn Ed Wood trägt seit seiner Kindheit gerne Frauenkleidung. Durch Zufall freundet er sich mit dem gealterten Horrordarsteller Bela Lugosi an und kann ihn für seinen Film gewinnen. Obwohl Wood zunächst nicht als Autor-Regisseur gewollt wird, schafft er es letztlich doch, seinen Streifen mit Ach und Krach zu realisieren. Neben seinem Coming-out vor seiner Freundin und Hauptdarstellerin steht dem Erfolg nur noch eine Sache im Weg: Ed Wood ist sowohl als Autor als auch als Regisseur gnadenlos talentfrei. Für ihn nur eine Nebensächlichkeit - er will weiter Filme drehen und hoch hinaus!
"Ed Wood" zeigt vor allem einen interessanten Blick auf die Entstehung seiner drei Kultfilme Glen or Glenda, Die Rache des Würgers und Plan 9 aus dem Weltall, aber auch auf Woods Privatleben, seine Beziehungen zu anderen Leuten, sein Empfinden und die besondere Spätfreundschaft zum ausrangierten Bela Lugosi.
Als ich "Ed Wood" das erste Mal sah, wusste ich gar nichts über die titelgebende Person, außer dass sie als der schlechteste Regisseur aller Zeiten gilt. Mein Sehanreiz waren Tim Burton und Johnny Depp. Ich kenne nun mittlerweile seine Werke Plan 9 from Outer Space und Glen or Glenda, deren Hintergrundgeschichten einen großen Teil dieses Biopics ausmachen.
Ich möchte sagen: Ja, Wood ging leider zurecht mit diesem Titel in die Geschichte ein. Seine Drehbücher sind wirr und ergeben überhaupt keinen Sinn, seine Dia- und Monologe bedeutungsschwanger, ohne dass man aber versteht, was gemeint ist, Logiklöcher an jeder Ecke, schlechte Darsteller, technische Mängel selbst für die Entstehungszeit, und eine unfreiwillige Komik, die sich durch die gesamte Spielzeit zieht. Teils kann man sagen, dass die Studios und das geringe Budget die Filme noch schlechter gemacht haben (so wurden vom Produzenten aus nachträglich Sado-Maso-Szenen eingefügt, die keinen sichtbaren Zusammenhang zum restlichen Film haben), aber Wood selbst hatte auch einiges dazu beigesteuert.
Und dennoch: Plan 9 habe ich erst kürzlich auf meine Lieblingsfilmliste gesetzt.
Warum? Zum Einen, weil mich der Film zum Lachen bringt. Er heitert mich ungemein auf, und wenn ich mich schlecht fühle, dann rein damit in den DVD-Player. Aber was den Streifen von unzähligen anderen schlechten Filmen abhebt, ist die sichtliche Mühe und Liebe, die in dem Werk steckt.
Ed Wood war keine Person, auf die man herabsehen kann. Ich finde seine Filme ebenfalls schlecht, aber auf so charmante, sympathische Weise, dass ich sie auch furchtbar mag. Als Regisseur und Autor taugte Ed Wood nichts, seine ernst gemeinten Filme sind schlichtweg lustig.
Aber als Person war er seiner Zeit weit voraus. Es machte ihm nichts aus, seinen Kleidungsstil gleich in seinem Erstlingswerk zu beteuern. Wenn man sich Glen or Glenda ansieht, merkt man den wahnsinnig modernen Ansatz des Themas, dass man es kaum für möglich erachtet, dass der Film aus einer Zeit stammt, in der man schiefe Blicke bekommen hat, wenn man nur unverheiratet zusammen gesehen wurde. Nebenbei ist Wood Vollblutfilmemacher gewesen, wie er im Buche stand: schlechte Kritiken waren ihm egal. Ihm war es wichtig, dass er mit seinen Werken zufrieden ist. Und drehte weiter Streifen, die er zwar nur schwer realisieren konnte, aber die ihm dank seiner Leidenschaft doch irgendwie gelangen, ganz gleich, ob irgendjemand die Filme sehen wollte.
Ich kann Ed Wood nur bewundern. So jemand verdient meinen Applaus!
Und hier punktet auch sein Biopic: es wird sich zu keiner Zeit über die Person Ed Wood lustig gemacht. Man könnte ihn leicht entweder als armseligen Wurm, Freak oder Größenwahnsinnigen darstellen. Tat man aber nicht. Tim Burtons Ed Wood ist ein unbeirrbarer, filmliebender Optimist, der viel Selbstbewusstsein, gute Laune und eisernen Willen hat.
Gleich zu Beginn sieht man nach einer Theateraufführung unter seiner Regie, wie er mit einer Kritik umgeht: er freut sich darüber, dass in einem harten Verriss die Kostüme positiv hervorgehoben wurden, und macht seiner Crew damit Mut.
"Ed Wood" ist vielleicht Burtons untypischster Film. Der Mann, bei dem alles entweder immer knallbunt und fröhlich oder düster und makaber sein muss, inszeniert eine schwarzweiße Biografie, deren Ernst und Witz immer von der Lebenssituation seines Protagonisten abhängt. Dabei ist der Film gleichermaßen emotional und informativ, es entsteht ein ganz eigenes Tempo, eine eigene Erzählweise.
"Ed Wood" schenkt Hoffnung und Inspiration, man will am liebsten selbst gleich einen Film schreiben und drehen, denn Eddie macht's vor, dass man sich vor negativen Stimmen nicht zu fürchten braucht, solange man selbst mit seinem Schaffen zufrieden ist.
"Ed Wood" ist in meinen Augen Tim Burtons bester Film. Ich habe zugegeben nicht alle gesehen, aber mir gefällt er besser als Sweeney Todd, Edward mit den Scherenhänden, Mars Attacks, und Sleepy Hollow. Letzteres aber eher nur knapp. Und auch besser als die anderen Werke, die ich von ihm kenne. Er erzählt eine interessante Lebensgeschichte, ganz ohne reißerische Elemente, die Woods Leben durchaus zu bieten gehabt hätte. Dieser Zeitgenosse wird hier nicht ausgebeutet, es wird mit ihm sympathisiert!
Ein Riesenriesenriesenriesenlob an Johnny Depp, der genau richtig spielt, um die Balance zu halten. Sein Ed Wood ist kindlich, aber nicht dumm. Er ist verrückt, aber nicht wahnsinnig. Er ist ein Freak, den man aber nie begaffen würde. Er ist anders, aber kein Sonderling. Er ist nicht wirklich maskulin, aber nicht zu weiblich oder quietschig. Er nimmt Ed Wood ernst, ohne selbst ernst zu sein. Er ist schlicht die Idealbesetzung. Und meiner Meinung nach ist das hier auch Johnny Depps beste Performance. Ja, man assoziiert ihn mit hunderten von anderen Rollen eher als mit dieser hier, aber hier spielt er mehr als göttlich. Da verzeih ich ihm auch, dass er heute immer wieder die selbe Rolle, nur hin und wieder mit anderem Namen, spielt, und zähle ihn ohne Zögern zu meinen Lieblingsschauspielern (deswegen und wegen Blow).
Natürlich darf auch der zurecht oscargekrönte Martin Landau in seiner zurecht oscargekrönten Maske nicht unerwähnt bleiben. Das Zusammenspiel dieser Komponenten ließ Bela Lugosi doch nochmal aus seinem Grabe auferstehen.
"Ed Wood" ist ein ganz, ganz großer Film über einen Mann, der für die Filmwelt lebte und sich von kleinen Nichtigkeiten wie fehlendem Talent nicht beirren ließ.
Ein inspirierendes Werk über die Leidenschaft für Filme...

Den Originalkommentar findet ihr übrigens hier.



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