Der erfolgreichste Quentin Tarantino-Film ist sein schlechtester

15.05.2023 - 10:19 UhrVor 12 Monaten aktualisiert
Django UnchainedSony
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Mit Django Unchained hat Tarantino seinen finanziell erfolgreichsten Film abgeliefert und einen Oscar gewonnen. Trotzdem hat kein anderes seiner Werke für mich größere Schwächen.

Nur wenige Regisseure genießen derartigen Kult-Status wie Quentin Tarantino. Praktisch jeder neue Film des Kino-Nerds mit Vorliebe für coole Figuren, lässige Dialoge, Pop-Musik und Ultra-Gewalt wird als Meisterwerk gefeiert. Auch Django Unchained, der mit einem weltweiten Einspielergebnis von 425 Millionen Dollar  bis heute der erfolgreichste Film des Regisseurs ist.

Für mich ist die derb-unterhaltsame Spaghetti-Western-Hommage, für die Tarantino auch den Oscar für das Beste Originaldrehbuch bekam, sein schwächster Film – aus zwei Gründen.

Django Unchained kann sich nicht zwischen Ernst und Spaß entscheiden

Für Django Unchained mixt Tarantino historische Fakten aus einem der dunkelsten Kapitel der US-Geschichte mit seinem typisch poppig-unterhaltsamen Style. Genau das wird für den Film aber zum größten Problem.

Ernste Szenen wie der knallharte, grausame Mandingo-Kampf auf Calvin Candies (Leonardo DiCaprio) Anwesen wechseln sich hier ab mit einer Comedy-Szene wie dem überzeichneten Ku-Klux-Klan-Überfall. Der wirkt daneben wie ein Sketch-Fremdkörper, der in den Film gestopft wurde.

Ein Fremdkörper im Film: Die Ku-Klux-Klan-Szene

Inglourious Basterds hat davor ernste Momente und witzig-überspitzte Einlagen noch deutlich stimmiger balanciert. Bei Django Unchained kann sich der Regisseur nicht entscheiden, ob er einen ernstgemeinten Beitrag zur Sklaverei-Thematik der USA abliefern oder lieber das typisch tarantinoeske Action-Komödien-Feuerwerk zünden will.

Im nachfolgenden Film The Hateful 8 ist es ihm viel besser gelungen, erneut ein dunkles Kapitel Amerikas zu beleuchten. Darin hat er im Gegensatz zu Django Unchained seine Coolness-Markenzeichen und inszenatorischen Spielereien für reiferes, bodenständiges Geschichtenerzählen zurückgeschraubt.

Gegen Ende findet der überlange Django Unchained keinen Rhythmus mehr

Django Unchained war der bis dato längste Tarantino-Film mit einer Laufzeit von 165 Minuten. Das ist erstmal kein Kritikpunkt, doch der Regisseur springt hier dramaturgisch immer stärker aus der Spur.

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Von Müll bis Meisterwerk: Wir ranken alle Quentin Tarantino Filme
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Als Candie schließlich von Dr. King Schultz (Christoph Waltz) erschossen wird, explodiert Django Unchained in einem blutigen Action-Höhepunkt. Nur läuft der Film danach noch über eine halbe Stunde lang weiter!

Wenn Django (Jamie Foxx) erneut in Sklaven-Gefangenschaft gerät, sich zu Broomhilda zurückkämpfen, an Stephen (Samuel L. Jackson) Rache nehmen (und einen peinlichen Tarantino-Cameo-Auftritt überstehen) muss, wirkt der Film wie eine dramaturgisch zerfaserte Abfolge von Deleted Scenes.

Nach dem Tod von Tarantinos langjähriger Stamm-Cutterin Sally Menke musste der Regisseur für Django Unchained zum ersten Mal auf eine andere Person im Schnittraum setzen. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Streifen von allen seinen Filmen den holprigsten Rhythmus hat.

Es wirkt so, als hätte Tarantino nach seiner explosivsten Action-Sequenz selbst nicht mehr so recht gewusst, wohin er seinen Spaghetti-Western noch führen will. Das liegt am Drehbuch selbst, aber auch an der fehlenden Unterstützung durch einen konzentrierteren Schnitt, der dem Kult-Regisseur Grenzen aufzeigt.

Statt eines grenzenlosen Meisterwerks hat Tarantino hier seinen schwächsten Film abgeliefert.

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