Taboo - Unser Recap zu Staffel 1, Folge 4

30.01.2017 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
TabooBBC
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Will Taboo seine Grenzen ausloten? Die 4. Episode macht mit einer ganzen Reihe von verstörend gewalttätigen und sexuellen Szenen genau diesen Eindruck.

Es wird wirr, überdreht und auch etwas unübersichtlich zur Halbzeit der 1. Staffel von Taboo, doch wir können wohl darauf vertrauen, dass Tom Hardy als James Delaney ganz genau weiß, was er da tut. Zumindest wirkt er in dieser skurrilen Episode, die vorläufige Highscores in den Bereichen Gewalt, Verschwörung und übernatürlichem Magie-Inzest (Vergewaltigung?) erzielt, nach wie vor sehr fokussiert. Taboo traut sich, in dieser 4. Episode noch mehr Charaktere vorzustellen, noch mehr darauf zu verzichten, die Intentionen des "Helden" schleierhaft zu halten und dabei sogar noch mehr Fragen aufzuwerfen. Unter anderem: Ist unser Protagonist per Definition eigentlich am Leben?

Delaney hatte schon den ersten Anschlag auf ihn überraschend gut weggesteckt. Zwar war damals eine Behandlung nötig, doch so richtig mitgenommen scheint ihn das nicht zu haben. In dieser Episode von Taboo fällt der versuchte Mordanschlag noch drastischer aus. Trotz erbarmungslosen Hammerschlag auf den Kopf und sichtbar offener Platzwunde fällt es ihm nach kurzer Auszeit nicht besonders schwer, den Schergen ordentlich auseinander zunehmen. Nun könnte man solche Fähigkeiten einfach auf die Nachlässigkeit der Autoren schieben, die es mit der Logik nicht so ernst nehmen, doch in diesem Fall ist die Frage nach dem Zustand von James Delaney womöglich gar nicht so unberechtigt. Ist er am Leben? Oder besser: Ist er ein Mensch?

Eine auf dem US-Trailer und einem mysteriösen Instagram-Account  gestützte Theorie  glaubt schon lange, dass es sich bei James Delaney eigentlich um einen Werwolf handelt. Klar, warum nicht? Dass er sich während seiner Afrika-Reise nicht nur das ein oder andere Trauma sondern auch wirklich gruselige Fähigkeiten abgeholt hat, beweist er spätestens bei einem eigenartigen Ritual, durch das er endlich Sex mit seiner Schwester Zilpha (Oona Chaplin) haben kann - wenn auch ohne körperlich anwesend zu sein. Diese Szene ist in mehrerer Hinsicht verstörend: Erstens hat sie Sex mit einem Geist. Zweitens ist der Geist ihr lebendiger (?) Bruder. Und drittens handelt es sich dabei vermutlich um eine Vergewaltigung (Vergegeistigung? Vergeistewaltigung?).

"Vermutlich", weil sie im Moment des Aktes nicht unbedingt den Eindruck macht, als geschehe das unfreiwillig (andererseits: Wer durchs Pusten von weißem Pulver ins Feuer mit seiner Schwester schlafen kann, der kann bestimmt auch an ihrem freien Willen rumwerkeln), dafür aber beim anschließenden Ball unmissverständlich klar macht, dass das nie wieder passieren soll. Der anschließende, mindestens genauso verstörende Besuch ("Where he leads, I will follow.") ihres Ehemanns Thorne (Jefferson Hall) ist da sehr viel eindeutiger. Damit treibt Taboo den Spielball-Charakter von Zilpha auf eine perfide Spitze, die in ihrer gewaltvollen Überzogenheit aber gleichzeitig Hoffnung darauf gibt, dass das so nicht stehen gelassen wird. Es wird ja wohl kaum ein BBC-Verantwortlicher eine derart passive Frauenfigur inklusive Doppelvergewaltigung durchwinken...?

Überhaupt ist es ziemlich irritierend, wie diese Woche mit sexueller Gewalt um sich geworfen wird. Ein bisschen frustrierend ist es ja schon, dass die bisher einzige wirklich eigenständig funktionierende, fast schon mächtige Frauenfigur, Lorna Bow (Jessie Buckley), ihrer angedrohten Vergewaltigung nur entkommt, weil sie von einer Gruppe von Männern befreit wird - namentlich den Vertretern der East India Company, die wiederum durch James Delaney dazu veranlasst wurden, Lorna am Leben und in gesundem Zustand zu halten. Ähnlich überflüssig fühlt sich ihre Andeutung an, womöglich romantische Gefühle für James zu entwickeln. Wobei das, sollte sie faktisch gesehen tatsächlich seine Stiefmutter sein, wenigstens in das familiäre Miteinander der Delaneys passen würde.

Gut sehen die beiden zusammen ja aus, das muss man ihnen lassen. Spannend ist auch, dass ihre Zuneigungsbekundung (auch wenn sie nicht direkt an James ging) im Rahmen dieses Balls stattfand, während dem James zum ersten Mal ernsthaft durcheinander, ja fast schon hilflos aussieht. Die beim Zaubertrick grölende Menge hat ihn derart aus der Bahn geworfen, dass er am liebsten direkt nach Hause gegangen wäre, doch stattdessen durfte er endlich die mysteriöse Agentin Carlsbad kennen lernen, die sich hinter der Countess Musgrove (Marina Hands) verbirgt. Die hat mit ihrem schnippischen Selbstbewusstsein das Potential, in den nächsten Episoden noch für große Szenen zu sorgen - in dieser Episode wird ihr das Scheinwerferlicht unter den neu eingeführten Charakteren jedoch geklaut.

Spaßigster Neuzugang der Woche ist der buchstäblich Scheiße fressende Chemie-Guru Cholmondeley (Tom Hollander), der James bei seinen Plänen, Schießpulver herzustellen, unterstützen soll. Damit gesellt sich zu den ohnehin nicht so ganz klaren Motivationen und Handlungssträngen eine weitere Unklarheit. Braucht James das wirklich für den Handel? Oder ist das nur ein Vorwand, um irgendwo ordentlich Krach zu machen? Wir wissen es nicht, aber wenigstens bringt die Storyline einen handfesten Heist und damit ungewöhnlicherweise einen klar motivierten, abgeschlossenen kleinen Handlungsstrang mit sich. Eine sehr angenehme Abwechslung inmitten dieses diffusen Tapsens im Dunkeln, was bislang noch funktioniert, der Serie aber letzten Endes das Genick brechen könnte.

Denn Taboo, so scheint es, arbeitet auf ein großes Finale hin. Es kündigt sich quasi jetzt schon der Aha-Moment an, und das gar nicht mal so subtil: "We’re all just part of the plan, aren’t we sir?”, fragt sein Diener und Freund Brace (David Heyman), als wolle er die ZuschauerInnen zuhause gleich mit beruhigen. Solche von langer Hand angekündigten Mystery-Auflösungen sind erfahrungsgemäß sehr schwierig zu bewältigen. Aber vielleicht sind das auch ganz unberechtigte Ängste. Vielleicht meistert Taboo den dreifachen Salto letzten Endes mit Bravour und landet aufrecht auf zwei Beinen. Vielleicht will uns Steven Knight aber auch einfach ein bisschen in die Irre führen. Vielleicht gibt es keinen Plan und es geht einfach munter weiter auf dem Tabu-Parkour, ganz ohne Ziel, dafür aber mit viel Wahnsinn. Solange es noch Spaß macht: alles gut.

(Achtung, ungeschickte Überleitung)

Weniger Spaß wird aller Voraussicht nach Thorne in der kommenden Episode haben. In seinem übermütigen Vollrausch hat er kurzerhand James zu einem Duell auf Leben und Tod herausgefordert. Eine latente Irritation steht Delaney dabei ins Gesicht geschrieben. Wie er sich entscheiden wird, erfahren wir aufgrund eines unnötigen Cliffhangers leider nicht, aber eine Ablehnung würde doch schon sehr verwundern. Immerhin hätte er dann eine ideale Gelegenheit, den lästigen Mann seiner Schwester loszuwerden. Und vielleicht noch ein kleines bisschen Menschenfleisch abzugreifen.

"All of those that I gather are damned. It's just part of a company policy of mine."

Notizen am Rande:

- Hm. Bei aller Liebe für Tom Hardy ist es ja schon ein bisschen weird, dass er für eine Figur mit indigenen Wurzeln besetzt wurde und sich, wie in dieser Episode wieder geschehen, "nigger" schimpfen lassen muss.

- Delaney trifft viele fragwürdige Entscheidungen, doch sein Umgang mit Godfrey (Edward Hogg), den er kurzerhand als "half a man" diskreditiert, ist am Schmerzhaftesten.

- Teil der Spekulationen um James Delaneys potentielles Werwolf-Dasein beziehen sich auf die Legende des Wendigos , einer übernatürlichen Kreatur, die nordamerikanischen Mythen zufolge Besitz von Menschen ergreifen kann und historisch mit "Kannibalismus, Mord, unersättlicher Gier und den kulturellen Tabus (!) gegen solche Verhaltensmuster" verbunden sind (Wikipedia).

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