Stop the Motion

01.10.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
I know what you did last summer...
moviepilot
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Was tut eine Ex-Praktikantin eigentlich, wenn sie ihre kostbare Zeit nicht mehr bei moviepilot verbringen kann? Richtig: Sie macht endlich ihren Abschluss und produziert im Zuge dessen einen eigenen Stop-Motion-Film, den sie euch auf diesem Wege präsentieren möchte.

Es ist ein abstraktes Bild, das sich tagelang auf meinem Schreibtisch widerspiegelt: Dutzende bunte Papierbuchstaben, die einzeln Millimeter für Millimeter bewegt werden müssen. Ein mit Draht durchzogener Stoffaffe, der Stück für Stück mit Heißkleber an eine Pappnachbildung des Empire State Buildings befestigt wird. Eine blaue Barbie mit einem Haupt voller Gummitierschlangen, die ausnahmsweise nicht verspeist werden dürfen. Und über diese Szenerie stehe ich gebeugt, stets bemüht, weder Figuren noch Set mit schlagartigen Bewegungen zu zerstören, während regelmäßig das Klicken der Kamera ertönt.

Im Durchschnitt habe ich 600 Fotos an einem Tag geschossen, 600 Mal eine kaum bemerkbare Veränderung an meinen Figuren vollzogen, 600 Mal den Auslöser der Kamera betätigt – und dabei 600 mal versucht nicht komplett auszurasten. Und das alles nur, weil ich zu faul war für meine Bachelor-Arbeit 80 Seiten reinen Text zu schreiben…

Aber auch wenn die oft monotone und mechanische Tätigkeit beim Schaffen eines Stop-Motion-Films an den Nerven zerrt, weil ich stets nur von Bild zu Bild denken konnte und so keinen Blick für das große Ganze besaß, erhielt ich am Ende des Tages den Ertrag meiner Arbeit. Die leblosen Figuren erwachen auf dem Monitor plötzlich zum Leben, klettern wie von Geisterhand die Wände empor oder versetzen andere Spielzeugpuppen in einen steinernen Schlaf. Die abstrakte und unvorstellbar aufwendige Tätigkeit bekommt augenblicklich einen tieferen Sinn, denn durch sie ist es möglich ganz eigenes Leben zu schaffen. Sozusagen bin ich in meinem infantilen, wirren Puppen-Universum also tatsächlich Gott.

In meinem kleinen, aber feinen Filmchen Stop the Motion – Eine kleine Entstehungsgeschichte des Stop-Motion-Films habe ich genau diesen Schaffensprozess thematisiert. Der Ort des Geschehens und ständige Kulisse des Films ist dabei der Schreibtisch, auf dem die einzelnen Figuren entweder direkt vor der Kamera produziert werden oder miteinander in Kontakt treten. Anfangs hatte ich Bedenken, für meinen Film nahezu keine abwechslungsreichen Hintergründe oder Bühnenbilder zu gestalten, da dies womöglich eintönig auf die möglichen Zuschauer (also Freunde und Verwandte, die ich zum Ansehen zwinge) wirken oder die Illusion eines Films dekonstruieren könnte. Doch mir wurde bewusst, dass der elementare Aspekt der Arbeit sich auf einen anderen Schwerpunkt bezieht: die Produktion. Der thematische Mittelpunkt des Films, dass jegliche Figuren von den Händen geschaffen werden oder mit ihnen interagieren, wird durch die fehlende Bühnenausstattung so auch in der Schreibtischkulisse manifestiert.

Die Geschichte des Films ist dabei relativ schnell erzählt, denn sie durchläuft im Großen und Ganzen die Historie des Stop-Motion-Verfahrens selbst, mit all seinen innovativen Pionieren und essentiellen Filmfiguren. So zwinge ich zum einen einen kleinen süßen Plüschgorilla dazu, das Schicksal seines großen Bruders King Kong erneut durchleben zu müssen, indem er von einem – unglaublich detailgetreuen versteht sich – Modell des Empire State Buildings purzelt. Mein persönliches Stop-Motion-Idol Ray Harryhausen wird gleich zwei Mal in meinem Film verewigt: Einmal durch ein kleines Skelett mit Aggressions-Bewältigungs-Problemen und dann noch durch eine Billig-Barbie, die ich bis zur Unkenntlichkeit zur Medusa aufgepimpt habe – selbstverständlich mit Gummitierschlangen als unheilbringende Frisur inklusive. Ein wackliger Jack Skellington und eine knopfäugige (und ob ihr es glaubt oder nicht: selbst genähte!) Coraline bilden den Abschluss meines etwa zehnminütigen und hoffentlich bald Oscar-prämierten Animationsfilms, in den ich Wochen meiner Zeit investiert habe.

Und damit er jetzt nicht auf meiner Festplatte versauert und allmählich in Vergessenheit gerät, möchte ich mein kleines Werk mit euch teilen. Wozu sollen mein Schweiß und Blut denn sonst gut gewesen sein, wenn ich euch damit nicht wenigstens zehn Minuten eurer kostbaren Zeit stehlen kann? Aber nun genug der vielen Worte: klicken, gucken und (Wehe, wenn nicht!) freuen.

Dieser Speakers’ Corner wurde, im Schweiße ihres Angesichts und in mühevoller Kleinarbeit, von unserem ehemaligen Redaktionswaschbär Raccoon Leben eingehaucht. Wollt ihr auch mal an unserer moviepilot Speakers’ Corner einen Film, eine Serie oder einen Star feiern, die Massen für ein bestimmtes Filmthema begeistern – oder habt ihr vielleicht sogar selbst schon mal ein Werk geschaffen? Worauf wartet ihr, das sollte der Welt nicht vorenthalten werden! Werft einfach kurz einen Blick in die Regeln, und dann: schreibt, schreibt, schreibt. Schickt einfach den fertigen Text (oder wenn ihr noch Fragen habt, dann auch diese) an community[@]moviepilot.de und die Speakers’ Corner gehört euch!

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