Wer wie ich ein großer Frances McDormand-Fan ist, hat sicherlich schon von Olive Kitteridge gehört. Die HBO-Miniserie ist nicht nur ein Herzensprojekt der Oscargewinnerin, sondern hat auch bei der letzten Emmy-Verleihung ordentlich abgeräumt. Gleich sechs Emmys nahm die vierteilige Drama-Serie der oscarnominierten Regisseurin Lisa Cholodenko (The Kids Are All Right) mit nach Hause. Heute vergebe ich mein Herz für Serie an Olive Kitteridge.
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Die Tragikomödie Olive Kitteridge basiert auf dem
gleichnamigen Roman (zu Deutsch: Mit Blick aufs Meer) der US-Amerikanerin Elizabeth Strout. Das in 13 Kurzgeschichten
aufgeteilte Buch gewann 2009 den Pulitzer-Preis und wurde von Jane Anderson für das Fernsehen adaptiert. Bei den vier 60-minütigen TV-Episoden liegt der Fokus auf der
Beziehung der hochintelligenten, aber kratzbürstigen Mathelehrerin Olive zu ihrem
Ehemann Henry (Richard Jenkins) und ihrem Sohn Christopher (als
Erwachsener: John Gallagher Jr.). Die Handlung der Serie umspannt
einen Zeitraum von 25 Jahren, in denen die harsche Titelheldin mit
persönlichen Tragödien, Familienstreitigkeiten und ihren eigenen Dämonen zu
kämpfen hat. HBO hat sich mit dem Familiendrama an ein im
Fernsehen oft unterrepräsentiertes Thema herangewagt. Ehrlich und realitätsnah beschäftigt sich die Serie auch mit dem menschlichsten aller Probleme, dem Älterwerden.
Eine der spannendsten Figuren im Fernsehen
Olive ist kein herzloser Mensch, aber es fällt ihr schwer, anderen Menschen Wärme entgegenzubringen. Obwohl ihr Ehemann geduldig und sanft ist, schafft sie es nicht, seine Liebesbeweise anzunehmen oder gar zu erwidern. Insbesondere ihr Sohn leidet enorm unter der Strenge und Kühle seiner Mutter. Trotz aller Menschenfeindlichkeit zeigt Olive immer wieder Interesse am Wohlbefinden anderer Menschen und dem Zuschauer wird schnell klar, dass man Olive Kitteridge nicht einfach in eine Schublade stecken kann. Sie ist aggressiv, engstirnig und verfügt über ein extrem böses Mundwerk. Aber Olives Charakter ist so facettenreich, dass sie nicht schlichtweg als gut oder böse, sympathisch oder unausstehlich bezeichnet werden kann.
Großartige Schauspieler
Die enorme Fixierung auf die Hauptfigur
Olive bedeutet natürlich auch einen extremen Fokus auf die
Hauptdarstellerin Frances McDormand. Der Fargo-Star spielt den oft kaltherzigen und unsympathischen Charakter der alternden Olive
schonungslos und ohne eine Spur von Eitelkeit. Man merkt sofort, dass
ihr das Projekt nahe ging. McDormand gelingt es, die
zwiespältigen Emotionen der Figur in feinen Nuancen ihres Spiels
auszudrücken. Doch auch der Rest des Casts muss sich auf keinen Fall verstecken. Insbesondere Richard
Jenkins als herzensguter Ehemann, John Gallagher Jr. als sensibler
Sohn und Zoe Kazan als naive und aufgekratzte Daisy komplementieren McDormands überragende Darstellung. Ein besonderer Genuss ist sicherlich auch Bill Murrays
amüsante Darstellung des wohlhabenden und konservativen Jack
Kennison, den Olive leider erst in der letzten Episode der Serie besser
kennenlernt.
Alles andere als trostlos
Trotz der ernsten und tiefgehenden Thematik ist Olive Kitteridge immer wieder auch erstaunlich lustig und gehört zu den unterhaltsamsten Serien ihrer Art. Die Dialoge sind geschliffen und voller Witz. Allein Olives trocken-sarkastische Kommentare sind Grund genug, der Serie eine Chance zu geben. Außerdem wird die Geschichte immer wieder durch subtile Situationskomik aufgelockert und enthält an der ein oder anderen Stelle auch ein paar surreale Elemente. Die malerische Idylle des Fischerdörfchens, in dem die Drama-Serie spielt, stellt einen spannenden Gegensatz zu Olives aufbrausendem und zynischem Gemüt dar. Und von Zeit zu Zeit trifft den Zuschauer schlichtweg die raue Schönheit der Bilder.
It baffles me, this world. I don't want to leave it yet.
Es fiel mir schwer, nach nur vier Stunden Abschied von einer Figur nehmen zu müssen, die ich trotz all ihrer Fehler in mein Herz geschlossen habe. Dennoch endet die Miniserie genau zum richtigen Zeitpunkt. Jede Szene hat ihre Daseinsberechtigung, kein Wort ist überflüssig und der Abschluss ist, wenn auch schmerzlich, doch ungemein zufriedenstellend. Trotz allem, was ich an der Miniserie liebe, ist Olive Kitteridge sicher nicht immer einfach zu verdauen. Insbesondere Zuschauern, die vergleichbare Erfahrungen gemacht haben, kann die Drama-Serie sehr nahe gehen. Die schwierigen Themen wie Depression, Alter und Eheprobleme sind eine Herausforderung für Zuschauer, die leichte Fernsehunterhaltung bevorzugen. Dennoch macht gerade dieser ehrliche und schonungslose Blick auf die alltäglichen Herausforderungen des Lebens Olive Kitteridge zu einer Ausnahme-Serie.
Habt ihr Olive Kitteridge schon gesehen?