Obwohl das Squid Game-Baby das Interessanteste an Staffel 3 ist, zieht es die Netflix-Serie in den Abgrund

05.07.2025 - 10:24 Uhr
Squid Game Staffel 3
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Squid Game Staffel 3
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Die 3. Staffel von Squid Game ruht auf den Schultern eines Babys. Als eigentlich spannendstes Element des Netflix-Finales wird es am Ende trotzdem zum Problemkind.

Squid Game hat jetzt ein Baby. Nein, die Rede ist nicht von dem neuen Serien-Ableger, der metaphorisch aus der Hauptserie geboren wird, sondern von einem richtigen, neugeborenen Säugling, der in den Todesspielen mitmischt. Das Finale packt hier noch einmal die ganz großen emotionalen Kaliber aus – und doch ist der Nachwuchs ein gefährlicher Fallstrick für Staffel 3. (Achtung, es folgen massive Spoiler zum Ende von Netflix' Squid Game.)

Baby 222 ist das Interessanteste an Staffel 3 von Squid Game

Seien wir ehrlich: Staffel 3 von Squid Game hat über lange Strecken nicht viel Neues zu bieten. Gi-hun (Jung-Jae Lee) sitzt immer noch in den Spielen fest, Polizist Jun-ho (Wi Ha-Joon) schippert auf der Suche nach seiner Insel weiterhin ziellos durchs Meer und sogar die neuen Spiele fühlen sich verdächtig vertraut an, wenn Menschen wieder einmal in die Tiefe stürzen und sich in labyrinthischen Gängen gegenseitig ausschalten. Erst die Geburt eines Babys bringt frischen Wind in die finale Season.

Mitten im 30-minütigen Versteckspiel entbindet die schwangere Jun-hee (Jo Yuri), aka 222, in Rekordzeit ihre Tochter – und ändert damit alles. Das neue Leben verschiebt die Motivationen der X-Spieler:innen, die seit Staffel 2 vergebens dafür abstimmen, das Squid Game zu beenden. Denn nun steht der Schutz des unschuldigen Babys plötzlich über allem.

Die neue Generation wird – wenn wir die Kapitalismus-Kritik von Squid Game-Schöpfer Hwang Dong-hyuk einmal ausbuchstabieren – in ein System hineingeboren, gegen das es machtlos ist. Zugleich gilt das Töten eines Kindes im moralischen Verständnis unserer Welt als eines der schlimmsten Vergehen, die ein Mensch begehen kann. Entsprechend kitzelt das Baby das Beste und Schlechteste aus den Teilnehmer:innen heraus, wenn sie sich anschließend gnadenlos für eine Ermordung des wehrlosen Säuglings aussprechen oder selbst ihr Leben geben, um das Baby zu retten.

Das Baby ist der große Twist von Staffel 3. Es legt in der ohnehin extrem emotionalen Netflix-Serie noch eine Schippe Dramatik drauf und verschiebt Figuren-Dynamiken. Sogar der zu Beginn der Season unangenehm lethargischen Hauptfigur verleiht das Neugeborene einen neuen Antrieb – wenn auch mit traurigem Ausgang. Gi-hun opfert sich am Ende und springt in den Abgrund, damit das nach dem Tod der Mutter zur neuen Spielerin 222 erklärte Kind das Squid Game gewinnen kann.

Warum das Squid Game-Baby trotzdem ein Problem ist

Obwohl das Baby als interessantestes neues Element in die finale Staffel einfällt, eröffnen sich mit seinem Auftauchen diverse Probleme, die Staffel 3 zu einem durchwachsenen Serienerlebnis machen.

Ja, es ist entzückend, wenn Gi-hun aus seiner Trainingsjacke ein Tragetuch improvisiert oder ein Wächter das Kind zum letzten Festmahl mit einer Babyflasche füttert. Nur dass der Säugling offensichtlich am Computer animiert wurde, schmälert seine Niedlichkeit. Ich kann zu dem CGI-Baby keine Beziehung aufbauen. Es wiederholt zwar nicht ganz das Twilight-Fiasko des künstlichen Breaking Dawn 2-Babys, aber wirkt trotzdem häufig künstlich eingefügt. Klar wäre der Dreh von Todesspiele mit einem realen Neugeborenen fraglich. Aber zumindest für ein paar Detailaufnahmen mit echtem Kind (die man überall machen kann) hätte doch drin sein sollen?

Selbst wenn ich seine Künstlichkeit ausklammere, reift der Neuzugang in den letzten fünf Folgen zu keinem vollwertigen Charakter, mit dem ich mich identifizieren kann. Ein Neugeborenes handelt, über das Essen, Schlafen und Schreien hinaus, nun einmal nicht eigenständig. Es bleibt bis zum Ende passiv – und was gibt es Öderes, als einen passiven Gewinner? Zumal die Serie vorhersehbar wird, sobald das Baby seinen eigenen Atemzug tut: Denn nicht einmal Squid Game wäre so grausam, Kinder zu töten.

Natürlich will ich nicht, dass Baby 222 als Opfer des Squid Game stirbt. Aber freuen (oder ärgern) kann ich mich über seinen "Gewinn" auch nicht. Ich verlange gar kein Happy End für Squid Game. Ich empfinde den düsteren Abschluss mit Gi-huns Tod sogar als recht runde Sache. Einen emotionslosen Sieger, der selbst nichts mit seinem Triumph anfangen kann, haben die Spiele trotzdem nicht verdient.

Squid Game instrumentalisiert das Neugeborene in Staffel 3

Baby 222 dient in Staffel 3 lediglich dazu, (Un)Menschlichkeit in den anderen Spieler:innen zu provozieren. Squid Game benutzt das Baby gnadenlos als MacGuffin, wie man im Filmjargon so schön sagt – als ein nützliches Ding, um die Handlung voranzutreiben, egal, worum es sich dabei konkret handelt.

Als filmisches Mittel ist so ein Instrument zum Anziehen der Spannungsschraube völlig legitim. Auf menschlicher Ebene sorgt es allerdings dafür, dass die Netflix-Serie sich kaum für das eigentliche Baby interessiert. Das zeigt sich vor allem im Epilog, wo Squid Game nicht mehr weiß, wohin mit dem Kind. Frontmann In-ho (Lee Byung-hun) "entsorgt" die blutjunge Squid Game-Gewinnerin auf der Türschwelle seines Polizisten-Bruders Jun-ho – obwohl die Vaterqualitäten des wahrscheinlich nutzlosesten Charakters der gesamten Serie fragwürdig sind. Aber wohin mit dem 456 Millionen Won schweren Baby, wenn alle guten Alternativen tot sind?

Dass der Frontmann anschließend noch Gi-huns Tochter besucht und so verdeutlicht, dass die Hauptfigur sich für ein fremdes Kind in den Abgrund gestürzt hat, statt das eigene noch einmal wiederzusehen, macht es umso bitterer. Da das Baby nur ein Symbol für das ist, was in Sachen Menschlichkeit auf dem Spiel steht, gewinnt das Squid Game am Ende eine Idee. Eine Idee, die in der Theorie explosiv daherkommt, mich in der Praxis aber unbefriedigt zurücklässt. Zumal Cate Blanchett uns verdeutlicht, dass alle Babys der Welt die Squid Games international nicht stoppen können.

Podcast zum Squid Game-Finale: Das Ende eines Netflix-Hits

Mit Staffel 3 geht Netflix’ erfolgreichste Serie aller Zeiten zu Ende. Doch befriedigt uns das Finale von Squid Game? Oder verlieren die Todesspiele das, was sie einst zu einem durchschlagenden Erfolg machten?

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Wir diskutieren (mit Spoilern) die Entwicklungen in Staffel 3 von Squid Game, reden über die neuen Spiele, Gi-huns Entscheidungen und natürlich auch über das Serienende und den verblüffenden Gastauftritt ganz am Schluss, der einem Spin-off bei Netflix den Weg bereitet.

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