Bereits der 7. Tag. Die typische Berlinale-Erkältung macht sich bemerkbar. Von Müdigkeit jedoch noch keine Spur. Eher Traurigkeit, dass am Sonntag bereits alles wieder vorbei ist. Am heutigen Samstag die Preisverleihung. Zeit für Prognosen.
Mein Favorit für den Preis der größten Berlinale-Jury habe ich an diesem 7. Tag gesehen. Wenn mein Gefühl mich nicht täuscht, sollte The Second Mother aus Brasilien den Panorama-Publikumspreis erhalten. Jedenfalls treffen wir in diesem Film auf eine der sympathischsten Heldinnen dieser Berlinale. Die großartige Regina Casé spielt Val, die seit 13 Jahren in einem Reichenhaushalt in Sao Paulo arbeitet. Für Fabino ist sie die zweite Mutter. Wenn er nicht schlafen kann, kuschelt er sich sogar noch als angehender Student in ihr Bettchen. Die Rollenverteilung in der Familie verwischt jedoch nur in der Beziehung zwischen dem Jungen und Val, ansonsten sind die Regeln klar. Val dient, die Familie befiehlt. Durcheinander gewirbelt wird die scheinbare Idylle durch die Ankunft von Vals Tochter Jessica. Sie hat ihre Mutter seit 10 Jahren nicht mehr gesehen und kommt zur Aufnahmeprüfung für die Uni nach Sao Paulo. Jessica bricht in ihrer Unbekümmertheit die absurden ungeschriebenen Regeln auf. Verwirrt damit ihre Mutter genauso wie den Rest der Familie. Als der Hausherr sich in das Mädchen verliebt, wird die Hausherrin zur Feindin. Eigentlich ist der Film ein Drama über die sozialen Unterschiede in Brasilien, da er aber so leicht und komödiantisch daher kommt, deckt er diese nur noch klarer als absurd auf. Am Ende verlässt Jessica das Haus, ebenso wie Fabino, der ins Ausland geschickt wird. Und Mutter Val sind die Augen geöffnet. Sie kündigt und wird in Zukunft dem Sohn Jessicas eine wunderbare Großmutter sein. Vor allem die Figur der Val wird für mich zur Mutter der diesjährigen Berlinale. Sozusagen eine Ingel Meysel der Berlinale. Ein heißer Kandiat für den Publikumspreis.
Wer bekommt eigentlich heute den Goldenen und die Silbernen Bären? Ein kleiner Tipp muss sein. Ich werde zwar noch zwei Filme aus dem Wettbewerb sehen und einige habe ich natürlich nicht gesehen, sondern nur darüber gehört. In diesem Jahr ist es besonders schwer einen Favoriten herauszuheben und eine Berlinale-Jury hat schon so oft für Überraschungen gesorgt. Deshalb hier meine einköpfige Juryentscheidung:
Goldener Bär: Taxi
Silberner Bär (großer Preis der Jury): Eisenstein in Guanajuato
Silberner Bär (beste Darstellerin): Maja Ostaszewska in Body
Silberner Bär (bester Darsteller): Elmer Bäck in Eisenstein in Guanajuato
Die weiteren Preisträger lasse ich hier mal weg, die sind wahrscheinlich unter den Filmen zu suchen, die ich noch nicht gesehen habe. Und außerdem kommt sowieso alles anders. Eins möchte ich hier aber schon mal erwähnen. Es war ein sehr guter Berlinale-Jahrgang und ich freue mich schon auf einige Kinobesuche in den nächsten Monaten, wenn Berlinale-Beiträge in den Kinos starten, die ich noch nicht gesehen habe.