Applaus und Raus! - Viel zu langweilig alles hier

05.11.2016 - 09:20 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Applaus und Raus!-Gastgeber Oliver Polak
ProSieben
Applaus und Raus!-Gastgeber Oliver Polak
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Oliver Polak duldet in seiner Show Applaus und Raus! keine Langeweile. Was langweilig ist und wer unterhaltsam, entscheidet er selbst. Wirklich toll werden seine improvisierten Talks dadurch auch nicht. Aber es geht ihm sowieso um was ganz anderes: Wahrhaftigkeit.

Der Jogginganzug als Kleidungsstück bringt seiner Umwelt größtmögliches Desinteresse entgegen. Den trägt man, um in privater Gemütlichkeit zu sich selbst zu finden, also dort, wo Egozentrik adäquat ist und Narzissmus voll in Ordnung geht. Krawatte, Hemd, Anzug, die Uniform des Moderators hingegen kommuniziert dem Gesprächspartner ein generalisiertes schmeichelndes Wohlgefallen bzw. den Willen darum. Oliver Polak trägt in seiner ersten Sendung Applaus und Raus! Adidas statt Hugo Boss und stellt damit von vorneherein einen nicht unbedingt feindlichen aber doch herausfordernden Gesprächskontext her: Der unerwünschte Konversationsgast tritt in Polaks Gemächer ein, dort muss er dessen Verständnis von Unterhaltsamkeit entsprechen oder eben wieder gehen.

Applaus und Raus!

Interesse wird nicht, wie bei Lanz oder 3 nach 9, gespielt: Es ist da oder nicht. Interesse gilt nur demjenigen, dem es gebührt. Dem Zuschauer bleibt so der übliche Empathie- und Aufmerksamkeitstanz erspart, der ja sowieso eine große Lüge ist. Oder Journalisten-Ethos. Whatever. Wir haben ja sowieso alle keine Zeit, uns mit Dingen zu beschäftigen, die uns nicht interessieren, schon gar nicht am Montagabend, 23:15 Uhr, wenn die letzte Dreiviertelstunde des Tages auch dafür aufgewendet werden könnte, die sich in der Horizontale ausbreitende Netflix-Liste abzuarbeiten. So wie Oliver Polak das Langweilige unkompliziert aus seiner Show eliminieren kann, könnten wir ohne Konsequenzen umschalten, wenn er uns langweilt, und damit die sich bei dem vorübergehenden Genuss seiner Show andeutende Zeitverschwendung auf ein möglichst geringes Maß beschränken.

Wir haben uns die Macht angeeignet, Dingen, die uns nicht gefallen, ein schnelles Ende zu bereiten. ProSieben könnte Applaus und Raus! wegwischen wie ein Tinder-Profil oder abwürgen wie wir eine Serie bei Netflix nach fünf Episoden oder weniger. "Dass ProSieben mir so eine Sendung gibt", sagt Oliver Polak, "ist absurd." Mag schon sein, aber der Irrtum ließe sich ja auch schnell korrigieren. Applaus und Raus' Showmodus drückt anschaulich die gnadenlose Programm-Ökonomie eines Privatsenders aus. Wenn es dem Sender mit Polak zu blöd wird oder er nicht liefert, wird er kurzerhand abgesägt wie Enissa Amanis knallbuntes Studio. Der Sender könnte ihn einfach rausschmeißen, wie Polak es mit Prinz Marcus von Anhalt in der letzten Show tat, als es ihm zu bunt wurde. Ganze fünf Ausgaben Applaus und Raus! wurden Polak von ProSieben zugesichert, nach zweien sind die Quoten und die Kritiken durchwachsen.

Aber das, was in der Kritik  als unvollkommen beschrieben wird, sind eigentlich nur die Kanten, die zwangsläufig aus diesem stacheligen Konzept herausstoßen müssen. Die Härte, der Zynismus, die Unpersönlichkeit und die Kälte der Branche und ja, auch des Publikums, wirkt bei Applaus und Raus! ins Konzept hinein. Die Show ist eine platte Konsummetapher. Sie ist fieser, effizienter Unterhaltungsdarwinismus und sie produziert damit außergewöhnliche Momente. Ja, sie erhebt den Talkshow-Eklat  zum Showkonzept. Daraus ergibt sich eine ästhetische Frage: Müssen wir höflich sein, nur weil wir im Fernsehen sind?

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