Wild at Heart - Der Zauberer von Oz in der Hölle

20.01.2011 - 12:00 Uhr
Böse Hexen unter sich
Warner Bros. / Universal
Böse Hexen unter sich
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Die Filme David Lynchs sind reich an kulturellen Referenzen und sind oft von einer Symbolik geprägt, die es vielen Cineasten schwer macht, einen Sinn aus seinen Filmen zu ziehen. Eine Ausnahme ist hier Wild at Heart, der in seinen Anspielungen sehr offensichtlich auf Der Zauberer von Oz Bezug nimmt.

Eine Schauspielerin auf der Suche nach ihrer Identität, ein Mörder, der den Körper wechselt, ein Zwerg der rückwärts redet: David Lychs Filme gelten aufgrund ihrer cryptischen Symbole und ihrer verzwickte Handlung oft als unverständlich. Häufig bleibt dem Zuschauer nur die Ahnung eines Grauens, das hinter den Bildern und der düsteren Musik liegt. Einen gewissen Einblick, was dieses Grauen bedeuten kann, bietet der Film Wild at Heart, den David Lynch auch als eine “Lovstory in der Hölle” bezeichnet, und dessen reichhaltige Anspielungen auf Der Zauberer von Oz einen Zugang zum Werk des schwierigen Künstlers bietet.

Beide Filme handeln von einer Reise. Diese Reise zum Glück findet natürlich nicht nur auf der Straße (in beiden Filmen als “Yellow Brick Road” bezeichnet) statt, sondern natürlich auch die innere Reise der Protagonisten.

Im Original sucht Dorothy den Weg zurück nach Hause, von wo sie ja eigentlich entfliehen wollte. Auf dem Weg dorthin stellt sie fest, dass vermeintliche Bedrohungen, denen sie am Wegesrand der gelben Backsteinstaße begegnet, in Wahrheit Freunde und Helfer sind. Einzig die Böse Hexe des Westens will sich ihnen in den Weg stellen. Auch Sailor und Lula sind auf der Flucht vor der Böse Hexe des Westens. So jedenfalls nennt Lula ihre besitzergreifende Mutter, die ihren ungeliebten Schwiegersohn in Spe mithilfe eines Profikillers beseitigen lassen will. Doch ihre Yellow Brick Road ist anderer Natur. Entlang ihrer Reise begegnen ihnen vermeintliche Freunde, die in Wirklichkeit Todesboten sind. Am Ende der Straße steht keine Heimkehr, sondern ein fernes und sehr gefährdetes Glück in der Fremde.

Beide Filme sind Träume – Dorothy schläft und erträumt sich nur die Reise. Sailor und Lula in Wild at Heart sind jedoch in einer albtraumhaften Realität gefangen, in denen das Autoradio eine endlose Kette von Mord- und Verbrechensmeldungen ausspuckt, in welcher der Tod am Straßenrand lauert (sie werden Zeuge zweier tödlicher Unfälle) und wo ein Menschenleben stets von dunklen Kräften bedroht ist. Sie leben in einer surrealistischen Hölle, durch Feuer regiert von der Mutter als knallrot angemalten Satan. Statt Glück erwartet sie Wahnsinn (So ist Dorothys Hund Toto nur die Imagination eines Irren und auch Sailor sieht die gute Fee erst nach einem ernsthaften Schlag auf den Kopf).

Um dieser Realität zu entfliehen, nutzt das Paar seine gemeinsame Vision vom Zauber von Oz und anderen Referenzen auf die Glücksversprechen der 50er Jahre (wie Elvis Presley, oder die Schlangenlederjacke), um sich selbst eine Glücksphantasie zu schaffen, auf die beide gemeinsam zusteuern können, und die aus dem “Symbol für Individualität und meinen Glauben an persönliche Freiheit” besteht. Doch diese Traumwelt, die von Glück, Wohlstand und Freiheit erzählt, ist für immer vergangen und scheint sich auch für Sailor und Lula nicht zu erfüllen. “This whole world ist wild at heart and weird on top!” lautet Lulas Fazit gegen Ende ihrer Reise und wir zweifeln, ob es auch für das Pärchen in Wild at Heart ein Glück “somewhere over the Rainbow” geben wird.

Weitere Texte in unserem kleinen Special zum 65. Geburtstag von David Lynch:
- David Lynch – Genie und Wahnsinn?
- Poesie & Seelenfrieden – David Lynchs andere Seite
- David Lynch – (m)ein filmischer Würgereflex
- David Lynch ist schuld, dass ich bei moviepilot bin

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