Ich, Blow Up und ein fotografisches Rätsel

20.05.2011 - 15:50 Uhr
Mein Herz für Klassiker: Blow Up
Bridge Films/Metro-Goldwyn-Mayer
Mein Herz für Klassiker: Blow Up
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Michelangelo Antonioni ist einer der bedeutendsten Regisseure Italiens. Mit Blow Up hat er seinen ersten englischsprachigen Film gedreht und damit eins der wichtigen Werke der 60er-Jahre geschaffen. Deshalb bekommt Blow Up heute mein Herz für Klassiker.

Der erste komplett auf Englisch gedrehte Film von Michelangelo Antonioni trägt den unsäglichen deutschen Titel BlowUp – Ekstaze ’67. Bekannter dürfte er ohne den reißerischen Titelzusatz sein. Blow Up basiert auf einer Kurzgeschichte des argentinischen Autors Julio Cortázar und gewann 1967 die Goldene Palme in Cannes. Michelangelo Antonioni hat mit diesem Werk nicht nur der Ästhetik der Swinging Sixties ein Denkmal gesetzt, sondern auch eine komplexe Reflexion über den Zusammenhang von Bild und Realität geschaffen. Deshalb geht Mein Herz für Klassiker heute an diesen Film von 1966.

Warum ich Blow Up mein Herz schenkte
Michelangelo Antonionis Blow Up ist ein Film, der mich eine ganze Zeit lang verfolgt hat, ein Film, von dem alle sagten, dass ich den unbedingt gesehen haben sollte. Dann habe ich ihn irgendwann im Rahmen eines Seminars tatsächlich geschaut. So eine intensive Auseinandersetzung kann einen Film ja schnell kaputt machen. Doch im Gegenteil, mein Interesse war geweckt, und Blow Up ließ mich erst recht nicht mehr los. Spannend fand ich Michelangelo Antonionis Arbeit vor allem deshalb, weil ich immer wieder das Gefühl bekam, in diesem Film steckt viel mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Das rätselhafte Ende, als der Fotograf unerwartet ins pantomimische Tennisspiel einsteigt, war so ein Punkt. Auch wie sich Thomas (so lautet der Name des Protagonisten, der während des gesamten Films nicht erwähnt wird) in eine geradezu manische Besessenheit über die grobkörnigen Vergrößerungen der Fotografie eines vermeintlichen Mordes steigert, faszinierte mich von Anfang an.

Warum auch andere Blow Up lieben werden
Die Detektiv-Story, die sich in Blow Up entwickelt, trägt den Film ganz wesentlich. Michelangelo Antonioni erzählt zwar nicht rasant, aber David Hemmings in der Hauptrolle zieht den Zuschauer mit in den Bann der immer weiter vergrößerten und so bald völlig unkenntlichen Fotografie eines Paares im Park. Auch Vanessa Redgrave als die Fotografierte, die unbedingt den gesamten Filmstreifen besitzen will, bringt eine herausragende schauspielerische Leistung.

Natürlich ist der Protagonist niemand, den wir mögen sollen. So abfällig wie er seine Fotomodels behandelt, kann ich das auch gar nicht. Aber dennoch fasziniert diese Figur, weil er als völlig oberflächlicher Mann die Kälte der hippen 60er Jahre widerspiegelt. Als Kritik an der Oberflächlichkeit seiner Zeit wurde der Film übrigens auch von den zeitgenössischen Filmrezensenten aufgefasst. Sein Spiel mit Langeweile und einer gewissen desintressierten Coolness kann Blow Up nicht vorgeworfen werden, denn er stellt eben diese Phänomene aus.

Warum Blow Up einzigartig ist
Blow Up ist wie kein anderer Film ein Dokument der Swinging Sixties in London. Da die Hauptfigur ja von Beruf Modefotograf ist, bekommen wir die Kleidung der Zeit mit ihren knalligen Bonbonfarben in aller Ausführlichkeit zu sehen. Er selbst ist am ehesten der anzugtragenden, hedonistischen Mod-Kultur zuzurechnen. Als Models treten übrigens das deutsche Supermodel der 60er, Verushka von Lehndorf, und Jane Birkin in jungen Jahren auf.

Auch musikalisch haben die Swinging Sixties dem Film ihren Stempel aufgedrückt: Die Yardbirds mit Jimmy Page und Jeff Beck spielen in der kurzen Clubszene ein Konzert und dürfen ihre Guitarre zertrümmern. Der restliche Soundtrack von Blow Up stammt aus der Komponistenfeder von Herbie Hancock. Da bei den ausgedehnten Cabriofahrten viel vom Drehort zu erkennen ist, vermittelt der Film auch eine guten Eindruck vom Straßenleben im damaligen London.

Warum Blow Up die Jahrzehnte überdauert
Gerade weil wir Blow Up seine Entstehungszeit in der Ausstattung so sehr anmerken, ist der Film auch heute sehenswert. Doch nicht nur als Zeitdokument funktioniert diese Story um den Fotografen-Ermittler immer noch. Blow Up ist filmisches Nachdenken über das Wesen von Film. Der verzweifelte Versuch von Thomas, ein Detail durch Vergrößerungen sichtbar zu machen, sorgt dafür, dass wir nur noch das Filmkorn sehen. Von dem Moment, den er fotografisch dokumentiert hat, bleibt nichts mehr übrig.

Der Zuschauer wird, genau wie Thomas, bald selbst völlig verunsichert über das eigentlich Abgebildete. Damit wirft Blow Up die großen Fragen zum Wesen moderner Bildmedien auf: Kann die Realität auf irgendeine Art und Weise tatsächlich abgebildet werden? Oder ist jedes Bild zwangsläufig nur eine Interpretation der Wirklichkeit? Gibt es im Kino eindeutige Aussagen? Michelangelo Antonioni hat mit Blow Up also nicht zuletzt auch einen philosophischen Film gedreht.

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