Brutaler und sexistischer Henri 4 spaltet Kritiker

04.03.2010 - 08:50 Uhr
Julien Boisselier in Henri 4.
Central Film
Julien Boisselier in Henri 4.
Henri 4 stellt historische Fakten so sexistisch und gewaltätig wie nie zuvor dar. Genau diese Tatsache spaltet die Kritiker in ihrer Beurteilung.

20 Millionen Euro hatte Jo Baier zur Verfügung, um aus Henri 4 ein erstklassiges Kinospektakel zu machen. Für Hollywood-Verhältnisse ist das eine lächerliche Summe, aber für eine deutsche Produktion ist es ein gewaltiger Betrag. Herausgekommen ist eine umstrittene Verfilmung des Heinrich Mann Roman-Zweiteilers (1935 bis 1938) über den Regenten Henri 4. Frankreich 1563: Protestanten und Katholiken kämpfen im Namen des Glaubens um Land und Macht. An der Spitze der Protestanten rüstet Henri von Navarra gegen Paris und somit gegen die Katholiken. Seine mächtige Rivalin Katharina de Medici, Königin von Frankreich, bietet ihm die Hand ihrer Tochter Margot an. Statt glücklicher Hochzeitsfeier, endet das Treffen in einem epochalen Blutbad.

Kritiker streiten über die Qualität von Henri 4: Unterhaltender Geschichtsunterricht oder brutale Belanglosigkeit?

Die Computerbild beurteilt Henri 4 sehr positiv: “Hinzu kommt, dass auch der Stab von Henri 4 glänzend ausgesucht wurde. […] Jo Baier hielt erkennbar die Fäden in der Hand, um aus einem Mammutwerk ein harmonisches Ganzes werden zu lassen. Natürlich fehlen, sicher aus finanziellen Gründen, die ganz großen, die monumentalen Momente. Trotz vieler aufwendig inszenierter Schlachten. Und es fehlt der ganz große Hollywood-Name im Cast, der in diesem Fall in der Vermarktung die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Dennoch ist Henri 4 ein Höhepunkt in der jüngeren deutschen Kinogeschichte, der nicht nur ob des Muts, ihn zu produzieren, Aufmerksamkeit verdient hat.”

Ganz anderes sieht es Tim Geyer von critic.de: “Was viel versprechend klingt, scheitert leider grandios. Selten lagen Potenzial und Realität eines Films so weit auseinander wie bei Henri 4. Hier gelingt das Kunststück, irritierend konsequent nahezu alle Rollen falsch zu besetzen. […] Jo Baier legt seinen Figuren vermeintlich bedeutungsschwangere Sätze in den Mund, die sich in ihrer Banalität gegenseitig zu überbieten suchen. Unweigerlich kommt der Gedanke auf, dass man die hölzernen Dialoge so oder so ähnlich bereits zigmal gehört hat. Die Inhaltsleere verdoppelt sich durch eine zusammenhanglose Erzählweise, die den Zuschauer mit willkürlichen Zeitsprüngen konfrontiert.”

Henri 4 mag seine Schwächen haben, wenn man an die Darstellung bestimmter Charaktere denkt. Dass etwa Gabriela Maria Schmeide als Marie de Medici mit einem derart lächerlichen italienischen Akzent radebrechen muss, wäre vermeidbar gewesen. In der Zeichnung von Henri jedoch und in der Bilderpracht seines Films, braucht Jo Baier Vergleiche nicht zu scheuen. Und: Sinnlicher als in den Lakenkämpfen zwischen Henri und Margot ist Sex im Kino lange nicht mehr vermittelt worden”, urteilt Arnold Hohmann von derWesten.de.

Ficken, Kotzen, Pipimachen – alles drin, alles dran, schreibt Harald Mühlbeyer auf dem epd-Berlinale-Blog. “Was den Film jedoch so richtig heraushebt, so richtig gut macht: Das ist seine Hinwendung zum Schlechten. Ulrich Noethen ist völlig ausgeflippt in seiner Rolle als schwacher, ängstlicher König, der in einer seiner ersten Szenen seine Schwester Margot, die jeden drüberrutschen lässt, übers Knie legt und ihr den nackigen Popo versohlt. Seine Mutter – Hannelore Hoger in einer ähnlich überzogenen Darstellung als sinister Königsmutter – beißt Margot in die Arschbacke. Hochzeitsfest ist Orgie, Devid Striesow spielt den Königsnachfolger, der schwul ist und intrigant und total exaltiert.”

Die Kritiker können uns die Frage, ob Henri 4 unterhaltender Geschichtsunterricht oder ein langweiliger und zusammenhangloser Zusammenschnitt von Sex und Gewalt ist, nicht beantworten. Hinzu kommen die unterschiedlichen Beurteilungen, was zwangsläufig das Interesse der Film-Fans weckt und dazu führen könnte, dass Henri 4 ein breites Publikum findet.

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