Wie James Gunn nach der Marvel-Entlassung trotzdem Guardians of the Galaxy 3 vollendet hat: "Es war, als hätte mich jemand k.o. geschlagen"

05.05.2023 - 09:30 UhrVor 12 Monaten aktualisiert
Guardians of the Galaxy Vol. 3
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Bevor James Gunn den nächsten Superman ins Kino bringt, liefert er einen letzten großen Marvel-Film ab. Wir haben mit ihm über die bewegte Entstehungsgeschichte von Guardians of the Galaxy Vol. 3 gesprochen.

Im Juni 2018 wirkte es, als wäre James Gunn unbesiegbar. Nach zwei extrem beliebten und erfolgreichen Guardians of the Galaxy-Filmen, berichtete der Filmemacher, dass er für den Abschluss seiner Marvel-Trilogie die perfekte Geschichte gefunden hat. Ein Jahr lang hatte er am Drehbuch von Guardians of the Galaxy Vol. 3 gearbeitet.

Und dann wurde er gefeuert.

Grund dafür waren kontroverse Tweets mit Witzen über Pädophelie und Vergewaltigung, die im Zuge einer Schmierkampagne gegen ihn ausgegraben wurden. Der Regisseur nahm die volle Verantwortung für die Tweets auf sich und stellte klar, dass er sich seitdem als Person weiterentwickelt hat. Doch der Schaden war geschehen: Gunn musste seinen Posten bei Marvel räumen und kam bei DC unter.

Guardians of the Galaxy Vol. 3: Vor dem großen DC-Neustart liefer James Gunn einen letzten MCU-Kracher ab

Anstelle des Guardians-Finales drehte Gunn bei Marvels größtem Konkurrenten den Comic-Blockbuster The Suicide Squad und die Serie Peacemaker, was ihm schlussendlich den Posten als Co-Chef des neuen DC-Universums einbrachte. Bevor Gunn komplett zu DC wechselt, kehrt er ein letztes Mal ins Marvel Cinematic Universe zurück und liefert doch noch den Abschluss der Guardians-Trilogie ab.

Hier könnt ihr den Trailer zu Guardians of the Galaxy Vol. 3 schauen:

Guardians of the Galaxy 3 - Trailer (Deutsch) HD
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Zwei Wochen vor dem Kinostart von Guardians of the Galaxy Vol. 3 habe ich James Gunn zum Interview getroffen und mit ihm über sein letztes Marvel-Kapitel gesprochen.

Moviepilot: Als du nach The Suicide Squad zu Guardians of the Galaxy Vol. 3 zurückgekehrt bist, hast du dein altes Drehbuch wieder aufgegriffen oder komplett von vorne angefangen?

James Gunn: Es ist tatsächlich fast die gleiche Version. Ein paar Sachen haben sich natürlich verändert, allerdings nichts Großes. Wenn ich an einem Film arbeite, feile ich ewig an der Geschichte. Veränderung ist ein wichtiger Teil dieses Prozesses. Im Grunde ist es aber die gleiche Geschichte, die ich schon 2018 geschrieben hatte.

Kannst du auf ein paar der Details eingehen, die du verändert hast?

Eine Sache, die sich im Verlauf der verschiedenen Versionen ständig geändert hat, war [Bösewicht] Adam Warlock. Ich habe ihn rein- und rausgeschrieben, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war. Ich kann dir allerdings nicht mehr genau sagen, wann die Rolle wie aussah. Das Entscheidende ist aber: Die Hauptgeschichte wurde davon nie beeinflusst. Ich wusste genau, wie sie zu Ende gehen soll. Ich habe an dem Drehbuch so lange gesessen wie an keinem anderen Drehbuch zuvor. Das Drehbuch war also schon sehr weit fortgeschritten zu dem Zeitpunkt, als ich das Projekt verlassen musste.

Wie hast du dich damals gefühlt, als die Nachricht deiner Kündigung kam?

Zuerst hat es sich wie eine Lebenskrise angefühlt, aber ich habe mich dann ziemlich schnell wieder gefunden. Es war, als hätte mich jemand k.o. geschlagen und nach ein paar Tagen habe ich mich wieder aufgerappelt. Im Leben gibt es viele unerwartete Herausforderungen und das war eine, der ich mich stellen musste. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich es aber leicht. Es gibt Menschen, die viel schlimmere Dinge erleben. Ja, ich habe meinen Job verloren, aber ich habe genug Geld, um das nicht direkt zu spüren. Andere Menschen werden gefeuert und wissen nicht, wie sie die Miete für den nächsten Monat bezahlen sollen. Da war ich in einer deutlich privilegierteren Position.

War es nach The Suicide Squad schwer für dich, wieder in den Guardians-Rhythmus reinzukommen?

Das war wirklich keine große Sache. Ich war sofort wieder drin. Das liegt aber auch daran, dass ich mit vielen [Cast- und Crew-Mitglieder] sehr gut befreundet bin. Chris [Pratt] und ich reden fast täglich. Das Gleiche gilt für Pom [Klementieff] und Dave [Bautista]. Ich bin mit allen eng in Kontakt geblieben, während ich The Suicide Squad gedreht habe.

Guardians of the Galaxy Vol. 3

Guardians of the Galaxy Vol. 3 wurde von Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum inspiriert. Welche Inspirationen hattest du noch beim Schreiben und Drehen des Films?

Unzählige. Ich merke zum Beispiel, dass ich wieder und wieder zu den Filmen von Wong Kar-wai zurückkehre. Die sind eine ewige Inspiration, besonders visuell. Darüber hinaus habe ich vor ein paar Jahren den Regisseur Jung Byung-gil entdeckt, der den fantastischen The Villainess gedreht hat. Wenn du mich fragst, hat er mit dem Film neu erfunden, was eine Actionsequenz sein kann. Das hat mich schon bei The Suicide Squad inspiriert und war auch jetzt bei Guardians ein großer Einfluss. Wer nicht vergessen werden darf, sind die ganzen Autoren und Künstler hinter den Comics.

In welchem Teil von Guardians 3 steckt am meisten The Villainess?

Oh, das ist definitiv die Szene am Ende des Films, in der alle Guardians in dem Gang kämpfen. Da stecken viele Aspekte drin, die ich an The Villainess liebe.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre das alles in einem Take gedreht worden. Ich nehme aber mal an, das war nicht der Fall, oder?

Ja, das waren mehrere Einstellungen, die wir digital verschmolzen haben.

Wie habt ihr es hingekriegt, dass alles so nahtlos ineinander übergeht?

Die Planung der Szene hat lange vor den Dreharbeiten angefangen. Ich hatte für mich bereits genau ausformuliert, wie die Szene ablaufen soll. Daraufhin habe ich mich mit den Stunt-Koordinatoren zusammengesetzt und wir sind die einzelnen Stationen des Kampfs genau durchgegangen. Im nächsten Schritt haben wir Stuntleute dazugeholt, mit denen wir die einzelnen Stunts ausprobieren und filmen konnten. Im Schneideraum haben wir eine Testversion mit sehr rohen CGI-Effekten, bei der auch jede Menge Previsz-Material zum Einsatz kam. Diese Testversion hat sich ständig verändert. Es hat wirklich lange gedauert, bis wir zufrieden waren. Als sie straff genug war, konnten wir endlich am Set mit dem Cast drehen. Ich habe versucht, die Szene so dynamisch wie möglich zu gestalten. Ich glaube, es hat fünf Tage gedauert, bis wir alles im Kasten hatten.

Aus wie vielen verschiedenen Einstellungen setzt sich die Szene jetzt zusammen?

Hm, das ist eine gute Frage. Also es sind mindestens zwei, drei ... [er geht in Gedanken durch die Szene und gestikuliert, als würde er die Action direkt vor sich sehen]. Also es waren mindestens über zehn Einstellungen und die haben wir dann zusammengefügt, sodass sie wie eine durchgängige Einstellung wirken.

Lass uns über die Farben des Films reden. Ich mochte die Idee der bunten Raumanzüge vor dem weißen Hintergrund der Raumstation sehr. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass die Farben nie so knallig sind, wie sie sein könnten. Was waren deine Gedanken hinter dem Look des Films?

Die Raumanzüge wurden maßgeblich von 2001 inspiriert. Ich hatte allerdings noch einen anderen Hintergedanken: Wenn ich all diese Figuren in den Weltraum schicke, wie erkennt man dann, wer wer ist? Wenn sie alle weiße Anzüge tragen, sehen sie alle gleich aus und es fehlt der Überblick. Wenn du allerdings weißt, wer welche Farbe trägt, kannst du die Figuren sofort ausmachen.

Ärgert sich Drax deswegen so sehr darüber, dass er einen roten Anzug bekommt?

Genau darum geht es. Es ist ein Witz, der dich gleichzeitig sensibilisiert, genau auf die Farben zu achten. Und um auf deine Frage mit dem Look zurückzukommen: Ich wollte, dass sich dieser Film anfühlt, als würden wir uns eine Reihe Polaroids anschauen. Deswegen ist der ganze Film ein bisschen entsättigter als die ersten zwei Teile. Ich habe zusammen mit Henry Braham, unserem Kameramann, sehr viele alte Fotos studiert, um den Look des Films zu finden. Ich wollte die hellen Farbschemen nicht über Bord werfen, aber ich wollte auch, dass sich das visuelle Konzept von Guardians 3 eindeutig von den vorherigen Filmen unterscheidet.

Was den Film auch stark von den Vorgängern abhebt, sind seine vielen gruseligen Gestalten und überraschend ekligen Szenen. Hat da niemand von Disney gesagt, dass das für einen Familienfilm vielleicht ein bisschen zu düster ist?

Nein, die haben nichts gesagt. Ich habe von Disney keine einzige Anmerkung bekommen.

"Eine neue unheimliche Kreatur? Immer her damit!" Oder wie kann ich mir das vorstellen?

Im Grunde ist es so gelaufen. Disney kam mit keinem einzigen Änderungswunsch auf mich zu. Natürlich hatte ich viele Gespräche mit [Marvel-Chef] Kevin [Feige], aber bei denen ging es immer um etwas anderes.

Worüber habt ihr gesprochen?

Wenn ich mit Kevin rede, geht es eigentlich immer darum, wie wir die Geschichte, die wir erzählen, noch besser erzählen können. Er hat viele Ideen und Vorschläge. Manche setze ich um, manche nicht. Es hängt wirklich davon ab, was am besten funktioniert. Am Ende haben wir Disney den Film gezeigt und sie mochten ihn. Ich war selbst überrascht und sagte nur: "Habt ihr die ganze Zeit etwa auf euer Handy geschaut?!" Testvorführungen haben wir trotzdem gemacht, weil es ein paar Momente in dem Film gibt, bei denen ich unsicher war, wie das Publikum reagiert.

Oh, um was ging es da genau?

Es ging weder um den Gore noch um die Gewalt. Auch das "Fuck" von Star-Lord hat niemanden gestört. Was mich beschäftigt hat, war das Thema Tiermisshandlung. In dem Film gibt es viele Stellen, wo mit Rocket und seinen Freunden grausame Experimente durchgeführt werden. Das ist der einzige Teil des Films, bei dem ich im Schneideraum gemerkt habe, dass wir einen Schritt zurücktreten müssen. Man sieht nichts explizit auf der Leinwand, aber man hört die Schreie – und das kann für viele Menschen sehr unangenehm und aufwühlend sein. Als wir die finale Schnittfassung des Films erstellt haben, habe ich versucht, das immer im Hinterkopf zu behalten.

Guardians of the Galaxy Vol. 3

Wie lang war die längste Fassung, die du von Guardians 3 hattest?

Wir hatten einen Cut, der sehr nahe an die drei Stunden herangekommen ist, aber dann sind wir bei zweieinhalb Stunden gelandet. Es wurde also nichts Wichtiges geschnitten. Wir hatten dann noch einen Tag Reshoots und fünf Einstellungen nachgedreht. Ich wollte zum Beispiel eine weitere Perspektive auf Mantis, als sie auf die Seite des Schiffs springt. Im Schneidraum dachte ich mir: "Oh man, da wäre jetzt eine Einstellung perfekt, in der wir mit ihr in die Tiefe schauen und dann setzt ein Vertigo-Effekt ein." Aber eine ganze Szene oder einen Handlungsstrang haben wir nicht umgestellt.

Was bei keinem Guardians of the Galaxy-Film fehlen darf, ist ein perfektes Mixtape als Soundtrack. Wie schaffst du es, nach all den Jahren immer noch eine Playlist zusammenzustellen, die sich unerwartet und cool anfühlt?

Bei keinem anderen Film ist es mir bisher so schwergefallen, die perfekte Musik zu finden, wie bei diesem. Ich habe hunderte Listen mit Songs, die ich liebe – bei Spotify, bei Apple, bei all meinen Streaming-Diensten. Darüber hinaus pflege ich meine Plattensammlung so gut, wie es mir möglich ist. Ich bin wirklich besessen von Musik. Bei Guardians 3 habe ich versucht, einen guten Mix zu finden, der verschiedene Dekaden und Musikrichtungen abdeckt und bestmöglich zu der Geschichte passt, die ich erzählen wollte.

Was mir besonders gefallen hat, war der Beginn mit Creep von Radiohead und der Schluss mit Dog Days Are Over von Florence + The Machine. Warum hast du dich genau für diese beiden Songs als Rahmung deines letzten Guardians-Films entschieden?

Allein die Tatsache, dass du genau die zwei Titel nennst, erzählt die ganze Geschichte. Es zeigt eindeutig, wie sich die Figuren in dem Film entwickeln. Creep war ganz wichtig, um gleich am Anfang den Tonfall des Films zu etablieren. Niemand schaut die ersten fünf Minuten und denkt sich: "Oh, das ist genauso wie die ersten zwei Filme." Sofort ist klar, dass etwas anders ist. Wir haben zwar die Idee eines Eröffnungssongs beibehalten, aber es ist kein fröhlicher mehr. Weder Baby Groot noch Peter Quill tanzen sorglos in der Gegend herum. Wir folgen Rocket, der niedergeschlagen durch die Straßen zieht. Ich finde, das bereitet den Rest des Films sehr gut vor, ehe wir am Ende zu einem Song kommen, der hoffnungsvoll in die Zukunft blickt.

Und welcher Song ist nach drei Guardians-Filmen und einem Holiday-Special der definierende Guardians-Song für dich?

Es gibt einen Song, an den ich immer denken muss, wenn ich an Guardians denke, und das ist Come and Get Your Love. Das war der Beginn der Reise und für mich ist es immer noch der Song, der das Guardians-Gefühl am besten einfängt.

Guardians of the Galaxy Vol. 3 läuft seit dem 3. Mai 2023 im Kino.

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