Warum Polanskis blutige Version von Macbeth auch die beste ist

04.10.2016 - 11:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
MacbethColumbia Pictures
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Wenn Ausnahme-Regisseur Roman Polanski eine Tragödie von Shakespeare inszeniert, kommt dabei definitiv kein Film nach dem Lehrbuch heraus. Denn sein Macbeth ist eine düstere Fabel über Macht und Wahnsinn, die mir durch Mark und Bein gegangen ist.

Ich kann die ersten Verse von Macbeth, die das ganze Unglück in Gang setzen, noch bis heute auswendig aufsagen: "Fair is foul and foul is fair, hover through the fog and filthy air." Das macht der Englisch-LK mit einem, wo wir seinerzeit Macbeth mit dem Abi vor Augen im Unterricht durchgenommen haben und sich die unsterblichen Verse von William Shakespeare in mein Gedächtnis brannten. Zu dieser Zeit war es auch, als ich zum Abschluss unserer Shakespeare-Reihe zum ersten Mal Polanskis Macbeth von 1971 bei einem Kurstreffen sah und seine Virtuosität noch nicht verstand. Erst viele Jahre später entdeckte ich diese Version neu für mich und verstand endlich, dass mit Shakespeare und Polanski zwei Meister ihres Fachs aufeinander trafen.

Die Handlung von Macbeth, der 2015 ein weiteres Mal mit Michael Fassbender verfilmt wurde, sollte den meisten bekannt sein. Darin prophezeien drei Hexen dem edlen Macbeth (Jon Finch), dass er in Kürze den schottischen Thron besteigen wird. Angestiftet von seiner machthungrigen Frau Lady Macbeth (Francesca Annis), bringt er den herrschenden König Duncan (Nicholas Selby) um, um selbst neuer Herrscher zu werden. Doch seine Macht steigt ihm zu Kopf.

Macbeth

Deshalb ist Macbeth auch heute noch interessant

Eine Geschichte über Größenwahn, Macht und Gier – das könnte auch ein brandaktueller Polit-Thriller sein, aber tatsächlich sind das die zeitlosen Themen von Macbeth, die die Tragödie bis heute unsterblich machen und wegen denen das Stück von Shakespeare nicht nur weiterhin für die Bühne inszeniert, sondern auch von Meistern wie Roman Polanski verfilmt wird.

Schritt für Schritt werden wir davon Zeuge, wie Macbeth von seiner Macht selbst korrumpiert wird und sich die Vorzeichen umdrehen. Ist es am Anfang noch seine Frau, die ihn zum Mord an den König anstiftet und die selbst etwas Hexenhaftes umgibt, initiiert Macbeth seinen Untergang zunehmend selbst und steuert auf eine Katastrophe zu, wenn er ganze Familien auf den Scheiterhaufen auslöscht und sich auf die doppelbödige Magie der drei Hexen verlässt. Aus dem schönen kriegerischen Jüngling wird ein grimmiger Herrscher, für den der Preis zu hoch war, mit dem er den Ruhm und die Macht erkaufte. Denn damit hat er seinen Verstand und seine Seele verkauft.

Macbeth

So wird Macbeth auch dich in den Bann ziehen

Doch es ist nicht nur die Virtuosität von Shakespeares Sprache und der Geschichte, die diesen Film so sehenswert machen – es ist vor allem die Regie von Roman Polanski, durch die sich dieser Macbeth von anderen Versionen abhebt.

Eigentlich arbeitete Roman Polanski an einer Komödie, doch nachdem seine hochschwangere Frau Sharon Tate Opfer eines blutigen Massakers durch die Manson-Familie wurde, wandte er sich einem anderen Stoff zu und drehte seinen Macbeth. Diesen Hintergrund merkt das Publikum dem Film jederzeit an, der von einer grimmigen Stimmung durchzogen wird und die Zuschauer damals als bislang blutigster Macbeth schockierte. Bewusst setzt Polanski Akzente auf die grausigen Details des Geschehens, inszeniert den Mord von Duncan, der im Stück selbst hinter verschlossenen Türen stattfindet, und lässt Macbeth von dem bizarren Geist des toten Banquo heimsuchen, dessen gespenstisches Antlitz von einem Schwall Blut überströmt wird.

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Doch auch die Inszenierung der drei Zauberschwestern und ihrer Begegnungen mit Macbeth ist geradezu teuflisch. Gleich zu Beginn schockiert uns die makabere Enthüllung von einer der Hexen, als sie ihren Rock lüftet, und als wir uns später erneut in der abstoßenden Welt der Hexen wiederfinden und Macbeth eine neue Prophezeiung einholt, folgt für mich die beste Szene des Films. Denn zusammen mit der Titelfigur werden wir in einen Fiebertraum gezogen, in dem die rätselhaften Worte der Weissagung in surreale, gespenstische Bilder übersetzt werden.

Darum wird Macbeth auch in den nächsten 40 Jahren noch faszinieren

Wenn Macbeth noch in vielen Jahren seine Zuschauer in seinen Bann ziehen wird, dann bestimmt nicht zuletzt, weil Roman Polanski den Stoff wirklich verstanden und dennoch eine eigene Vision verwirklicht hat. Denn während etwa der Macbeth vom letzten Jahr einen neuen Ansatz gewählt hat, aber dadurch verschleierte, wie seine Herrschaft sich überhaupt so lange aufrecht erhalten kann, werden solche Fragen hier viel deutlicher. Denn seine Herrschaft ist eine Tyrannei und von seinen Gefolgsleuten schätzt den in den Wahnsinn abdriftenden König keiner mehr, doch es ist dieses Gefüge aus Opportunismus und persönlichen Vorteil, die seinesgleichen an ihn bindet.

Macbeth

Die Geschichte von Macbeth war für mich schon immer eine, die durch ein bitteres Menschenbild geprägt ist und in die tiefsten Abgründe der menschlichen Natur eintaucht. Deswegen ist dieser Film, der aus einer horrenden Erfahrung und dem Gefühl der Depression heraus geboren wurde, möglicherweise der einzige, der der Geschichte wirklich gerecht werden kann und nicht nur Worte, sondern ein Erlebnis vermittelt.

Kennt ihr eine der Macbeth-Verfilmungen?

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