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Vor 45 Jahren: Verspätete Ehrung einer Kino-Legende

07.04.2017 - 00:01 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Die Jahrhundert-Melone
Hieronymus Hölzig
Die Jahrhundert-Melone
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Am 7.4.1972 kehrte Charlie Chaplin zum ersten Mal seit 19 Jahren nach Hollywood zurück. Der Filmstar hatte lange Zeit nicht in das Ursprungsland seines Welterfolgs einreisen dürfen. Dann wurde ihm eine besondere Huldigung zuteil.

Doch gehen wir zunächst zurück ins Jahr 1921. Im Kino laufen The Kid und unter anderem diese berühmte Szene: Ein kleiner Junge wirft Steine auf ein Haus, zerbricht eine Fensterscheibe und läuft davon. Die Hausbesitzerin kommt heraus, empört sich über den Vandalen, doch rein zufällig kommt ein kleiner Mann mit Schnurrbart um die Ecke. Als Rückengepäck hat er eine nagelneue Glasscheibe dabei. Die Dame willigt sofort zum Kauf ein, doch ahnt sie nicht, dass Verkäufer und Steinewerfer unter einer Decke stecken. Und mal eben hat Charlie Chaplin das Prinzip des Marktgleichgewichts aufs Korn genommen. Noch kapitalismuskritischer ging er 15 Jahre später in Moderne Zeiten vor, wurde er doch darin von einer großen Fabrikmaschine verschlungen. Was die Welt zum Lachen brachte, machte das FBI aufmerksam und sollte Chaplin bald teuer zu stehen kommen.

Vom Glasbläser zum Millionär

Dabei verliefen die Anfangsjahre des Melonenträgers mustergültig im besten Sinne des amerikanischen Traums. 1889  in Armut geboren und in London aufgewachsen, verlor Charles Spencer Chaplin bald seinen Vater an den Alkohol, seine Mutter an die Psychiatrie, landete mehrfach im Waisenhaus . Der junge Chaplin verkaufte Zeitungen auf der Straße, hielt sich als Glasbläser  über Wasser, doch gelangte mit 8 Jahren bereits in eine Kindertanzgruppe  und ging auf Tournee. 1910  bereiste er als inzwischen gefragter Theaterschauspieler zum ersten Mal das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten", um dessen Bühnen zu erobern. Dort geriet er auch zum ersten Mal in Kontakt mit einem neuen Medium. Die Keystone Picture Studios boten ihm 1913  einen Vertrag an, Chaplin willigte den Filmemachern ein, im Jahr darauf ging es rasant zu: Filmdebüt (Making a Living ), Regiedebüt (Caught in the Rain ), die Erfindung des Tramp, seiner berühmtesten Figur (Seifenkistenrennen in Venice ) und 32 weitere Kurzfilme wurden abgedreht. Auch in den Jahren danach ging es steil bergauf. Amerika liebte seinen Tramp und bald liebte ihn die ganze Welt, jenen watschelnden Mann mit weiten Hosen, Schnurrbart, Gehstock und Melone. 1919  war er Mitbegründer von United Artists, zwei Jahre später Regisseur, Hauptdarsteller und Musikkomponist seines ersten Langfilms The Kid. Goldrausch von 1925 und der darin aufgeführte "Brötchentanz" ließen erahnen: Nichts würde seinen Ruhm aufhalten können, nicht einmal die Erfindung des Tonfilms. Die Personen auf Leinwand hatten längst zu sprechen begonnen, da standen die Besucher noch immer Schlange für seine Stummfilme Lichter der Großstadt und Moderne Zeiten. Doch selbst einem sprechenden Charlie Chaplin lag die Welt zu Füßen. In Der große Diktator nahm er es 1940 filmisch mit Adolf Hitler auf.

Vier Hochzeiten und eine Vorliebe

Keineswegs glorreich, vielmehr bedenklich war Chaplins Privatleben. Die Schauspielerin Mildred Harris  hatte er 1918 nur deshalb geheiratet, weil sie 16 und angeblich schwanger  war. Tatsächlich sollten die beiden später ein Kind haben, das jedoch nur drei Tage lebte. Die Ehe zerbrach 1920. Lita Grey  war als Zwölfjährige mit Engelsflügeln in The Kid zu sehen, in Goldrausch hatte sie bereits die weibliche Hauptrolle inne. Mit 15 soll sie von Chaplin in einer Sauna  verführt worden sein. Auch diesmal erfolgte die Eheschließung nur, um einen größeren Skandal oder gar die Strafverfolgung des Komikers abzuwenden. Auch diesmal verlief die Ehe so, wie es die fadenscheinigen Gründe ihres Zustandekommens vermuten ließen. Lita war bei der Hochzeit 16 und schwanger gewesen, zwei Kinder gingen aus der Ehe hervor, 1927 reichte sie eine Scheidungsklage  ein, in der sie ihren Mann als pervers und bedrohlich beschrieb. Ein gefundenes Fressen für die Gazetten und später ein gern vorgeschobener Grund für das FBI, den vermeintlichen Marxisten als Gefährder der öffentlichen Ordnung zu titulieren. 1944 war bereits Chaplins dritte Ehe mit Schauspielerin Paulette Goddard gescheitert, seine erste Ehefrau Mildred inzwischen verstorben, da meldete sich eine ehemalige Geliebte namens Joan Barry  zu Wort und klagte auf Schadenersatz: Der Leinwandheld sei der Vater ihrer Tochter Carol Ann. Der Vaterschaftstest  verlief negativ, allein es nützte nichts, Chaplin musste Unterhaltszahlungen leisten und war nun endgültig öffentlich diskreditiert. Sein privates Glück hatte er inzwischen gefunden: Oona O'Neill würde seine vierte und endgültige Ehefrau sein. Aus der Ehe gingen acht Kinder  hervor. Doch die politischen Veränderungen nach dem Krieg brachten ihn noch weiter in Bedrängnis.

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