Veep - Von Monstern, Menschen und Politikern

21.02.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
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Wer schon immer mal einen realistischen Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebes in den USA werfen wollte, sollte sich nicht Veep ansehen. Die rasante Comedy-Serie von Armando Iannucci ist trotzdem ein präziser Kommentar zur Politikverdrossenheit unserer Zeit.

Politik ist in, zumindest im US-Seriengeschäft. Von den gewissenlosen Washingtoner Intriganten in House of Cards und Scandal zu den Idealisten der Lokalpolitik in Parks and Recreation reicht das Spektrum und irgendwo dazwischen ist Veep – Die Vizepräsidentin anzusiedeln. Der Veep, wie der Vizepräsident der USA auch genannt wird, bewegt sich im Dunstkreis des POTUS (Präsident der Vereinigten Staaten) und bleibt trotzdem abgeschlagen. Er agiert nur einen Herzschlag vom Chefsessel entfernt. Seine Daseinsberechtigung aber ist das Warten auf einen Aussetzer, der idealerweise nicht kommen wird. In dieser Position findet sich Selina Meyer (Julia Louis-Dreyfus) wieder, die, wie die meisten Politiker, wohl nie davon geträumt hat, Vize zu sein. Als Senatorin hatte sich Selina um die Präsidentschaft beworben und wurde mit dem Posten des Veeps abgespeist. Gemeinsam mit ihrem Team versucht sie, das Beste aus dem Trostpreis zu machen, nur – und hier versteckt sich das komödiantische Gold von Veep – resultiert das oft im Gegenteil. Da kann der repräsentative Besuch eines Frozen-Yogurt-Ladens zu einem ebenso großen Desaster auswachsen wie eine Geiselnahme in Usbekistan.

“When I grow up, I want to be vice president just like you.” –
“No, you don’t, you want to be president.”

Zu Beginn der mittlerweile zwei Staffeln umfassenden Serie von Armando Iannucci (The Thick of It, Kabinett außer Kontrolle) hat Selina den bisherigen Gipfel ihrer Karriere erklommen. Aus der Sicht so ziemlich jedes Kollegen in Washington ist sie ganz unten angekommen. Als Veep ringt sie verzweifelt um die Aufmerksamkeit ihres Vorgesetzten (Did the president call?) und ist konstant Anlass für Witze über ihre Machtlosigkeit. Nie bekommen wir POTUS zu sehen. Nur sein schlacksiger Laufbursche Jonah (Timothy Simons) platzt regelmäßig ins Büro des Vizes, immer mit einem angeberischen Spruch auf den Lippen, immer mit dem Fingerzeig: “I’m gonna get back to the White House. God, I love saying that!”

Soviel Verachtung Jonah von Selinas Team erntet, eine Underdog-Mentalität suchen wir bei diesem vergebens. Amy (Anna Chlumsky), Sue (Sufe Bradshaw) und Dan (Reid Scott) würden beim ersten Anzeichen wie Ratten das sinkende Veep-Schiff verlassen. Gary (Tony Hale), persönlicher Assistent Selinas, verbindet eine krankhafte Zuneigung zu seiner Vorgesetzten, während Mike (Matt Walsh) allenfalls aus Gewohnheit und der Angst vor dem Jobverlust an ihrer Seite klebt. Sympathie, Kameradschaft und Loyalität sind Fremdworte für die meisten in diesem Büro, das abgekapselt ist vom Zentrum der Macht. Oder: Wenn es im Veep-Büro schon Fucks regnet, was geht dann erst im Oval Office vor sich?

“Cause I’ve met some people. Okay, real people. And I gotta tell ya a lot of ’em are fucking idiots.”
Aber Veep ist mehr als eine Office Comedy, in der sich schlecht gelaunte Leute blumige Metaphern an den Kopf werfen. Selina ist weder die Zynikerin auf dem Weg nach oben, noch ein Trottel, der zufällig an diesen Posten gelangt ist. Als Produkt ihrer Umgebung hat sie sich vielmehr dem Politikbetrieb angepasst, sodass die verdörrten Blüten ihrer Ideale noch erahnbar, aber kaum wieder zu beleben sind. Politik wird in Veep nicht als ein (tödliches) Ringen um Macht überhöht. Ein Francis Underwood (House of Cards) ist in dieser Welt nicht denkbar, denn Underwood, so gewissenlos er ist, agiert in einem System, in dem Zielstrebigkeit zu Ergebnissen führt. Veep dagegen ist eine Serie über als Kompromisse getarnte Umleitungen, die so lange aneinander gereiht werden, bis keiner mehr weiß, wo er eigentlich hin wollte. Das erzählt die erste Staffel an Hand der schrittweisen Deformierung von Selinas Clean Jobs Initiative und die zweite mit Hilfe ihrer Versuche, sich außenpolitisch zu profilieren.

Dabei erfährt der Veep keinerlei Idealisierung. Das nämlich ist die grandiose Leistung der mehrfach mit dem Emmy ausgezeichneten Julia Louis-Dreyfus: Die Gratwanderung zwischen Kompetenz und situativer Blödheit, mit der sich Selina in so manches Fettnäpfchen manövriert. Seine komödiantische Energie zieht Veep in solchen Szenen aus den an den Schmetterlingseffekt erinnernden Reaktionen ihrer Mitarbeiter, die jeden Triumph in Sekundenschnelle in eine viral verbreitete Katastrophe verwandeln. In Veep zieht nämlich jeder an einem Strang: seinem eigenen.

Was haltet ihr von Veep?

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