Trolljäger - Neue Animationsserie von Guillermo del Toro im Pilot-Check

24.12.2016 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
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Zum Start der neuen Netflix-Animationsserie Trolljäger von Guillermo del Toro haben wir uns den zweiteiligen Piloten einmal näher angesehen.

"Monster sind lebende, atmende Metaphern.", gab Guillermo del Toro gegenüber Big Think  einmal zu verstehen. Seine Nähe zu Fabelwesen aller Coleur färbte sein nunmehr über zwanzigjähriges Filmschaffen kräftig. In Hellboy ließ er etwa einen blutroten, gehörnten Ron Perlman auf Nazischergen los, während ein junges Mädchen durch Pans Labyrinth in einer märchenhaften, düsteren Fantasiewelt vor dem Hintergrund des Spanischen Bürgerkriegs irrte.

Seine neuste Kreation Trolljäger, nach der zusammen mit Daniel Kraus geschaffenen, gleichnamigen Vorlage, scheint seine cineastische Schöpfungsgeschichte auf den ersten Blick konsequent weiterzuführen: Die Animationsserie handelt vom 15-jährigen Jim (Anton Yelchins letzte Sprechrolle), der sich in seinem langweiligen Schulalltag mehr Aufregung wünscht. Als er auf ein magisches Amulett trifft, soll sein Schicksal als Trolljäger fortan mit einer bunten, von eben jenen Trollen bevölkerten, Märchenwelt verknüpft werden. Der Teenager gilt als letzte Rettung der sympathischen Riesenwesen.

Trolle? Märchenwelt? Das klingt nach einem fruchtbaren Acker für den mexikanischen Filmemacher. Nach der Sichtung des zweiteiligen Piloten "Das Amulett" bleibt jedoch ein wenig Ratlosigkeit zurück. Das soll del Toro sein? Seine sonst so klare, metaphorische Handschrift geht verloren zwischen einem Konflikt sich gegenüberstehender Narrative und einem wenig originellen Figurendesign.

Die Last der linearen Erzählung
Das Problem der für Netflix produzierten Trolljäger besteht dabei noch nicht einmal in der überaus konventionell erzählten Heldengeschichte. Diese feuert ihre expositorischen Erzählsalven Szene für Szene ab, sodass sich der Hauptkonflikt innerhalb weniger Minuten etabliert: Böse Trolle bedrohen die Welt guter Trolle, es gibt ein mächtiges Amulett und einen Unbeteiligten aus der Welt der Menschen, der sich als schicksalshafter Erlöser vor dem Dunklen beweisen muss. Es fügen sich einige Nebengeschichten ein, wie die ständig arbeitende, wenn auch liebenswerte Mutter Jims sowie sein "Crush" auf Schulkameradin Klara, die im weiteren Verlauf der Serie möglicherweise noch eine Rolle spielen könnten. Der für Jim, und für uns, nächstmenschliche Bezugspunkt stellt aber definitiv sein runder, sich immer schon auf Diät befindlicher bester Freund Toby (Charlie Saxton) dar, der mit kecken Sprüchen und seichten Slapstick-Momenten die klassische Rolle des Sidekicks einnimmt.

Trolljäger

Problematisch wird es für Mastermind del Toro genau dann, wenn ihm seine Schöpfung in der Hektik des raschen Erzähltempos entgleitet. Kaum einmal bleibt Zeit für einen Moment des Innehaltens, der Reflektion, der Ruhe. Dies gilt für die Figuren auf dem Bildschirm ebenso wie für uns vor selbigem und erinnert damit an das rasante narrative Tempo diverser Cartoon-Serien mit dem entscheidenden Unterschied, dass diese meist nach einem Fall-der-Woche-Schema angeordnet waren bzw. sind und ihre knackigen 20-30 Minuten ohne Vakuum zu füllen hatten. Die Trolljäger befinden sich jedoch im Versuch, das Gewicht einer linearen, fortlaufenden Geschichte zu stemmen, durch die sie sich bis hierin hetzen müssen. Ein Hauch von epischer Größe flaut trotz der abenteuerlastigen Geschichte mit ihrem mystischen Unterton (Wer sind diese Trolle? Was hat es mit dem Amulett auf sich?) so zu einem lauen, narrativen Lüftchen ab.

Wo sind del Toros Monster?
Diese Inkonsequenz im Auffinden eines mitreißenden Erzählrhythmus' schlägt sich im Entwurf insbesondere der Trolle wieder. Erinnern die menschlichen Charaktere ans altbekannte Aussehen diverser Animationsfilme aus dem Hause Dreamworks und stechen so zumindest nicht per se als störendes Element hervor, wirken die im Auftakt zu sehenden ersten vier Vertreter der Fabelwesen der Resterampe entnommen. Während das Studio in seinem letzten Hochkaräter, Drachenzähmen leicht gemacht, dem feuerspeienden, beinahe gänzlich schwarzen Drachen Nachtschatten noch wortlos und durch simpelste Gestik und Mimik zur lebendigen Kreatur auferstehen ließ, geben sich hier zwar bunte, gehörnte, wahlweise auch durch gleich sechs Augen auffallende, aber furchtbar farblose Monster die wenig einprägsame Ehre. Ihnen wohnt nur innerhalb des arg konventionellen Drehbuchs Leben inne, sodass sie ihre dramaturgische Funktion bitte ohne allzu auffällige Spitzen ausführen mögen.

Trolljäger

Ein Eigenleben entwickeln die Trolle in dieser Form nicht. Zum Teil geht das Klischee sogar soweit, dass eines der Ungeheuer, ein besonders muskulöser Vertreter seiner Zunft, auf die Frage hin antwortet, warum er denn nicht selbst gegen die Bedrohung kämpfe, mit: "Pazifist." Das mag ein geneigter Zuschauer als charmant und knuddelig naiv ansehen. Freilich vertritt die Serie damit auch überaus humane Werte. Gleichzeitig aber saugt sie an längst ausgelaugten Rollenklischees und nimmt sich in solchen Momenten den Raum für größere Konflikte, den die kontinuierliche Erzählweise dringend nötig hätte. Von den faszinierend-ambivalenten, weder einfarbig furchteinflößenden noch rein sympathietragenden Monstern aus dem Filmuniversum Guillermo del Toros fehlt unter den Trolljägern anfänglich jede Spur. Für den appetitlosen Animationssnack im Nachmittagsprogramm mag das reichen, doch einem Filmemacher solch fantasiegeladenen Kalibers kann dies kaum gereichen.

Die Krux des Alleinstellungsmerkmals
Dem Piloten zu Trolljäger geht schlicht die knisternde Überraschung ab, die ins kindliche, neugierige Staunen versetzen und sie von anderen Vertretern ihres Metiers abheben würde. Vereinzelte Referenzen an große Vorbilder, wie der Artussage, der anhand einer sympathischen Persiflage gedacht wird, wenn Jim gleich zweimal das symbolträchtige Schwert aus massiven Felsbrocken im häuslichen Garten zieht, wirken nicht mehr wie vereinzelte Einschübe postmoderner Metaspielerei, denn in der Geschichte verankertes Erzählelement.

Anstelle eines in modernem Gewand daherkommenden, sagenumwobenden Märchens werden wir damit Zeuge eines kaum originellen, in überaus bekannten Pfaden verlaufenden Beginns einer Reise, dessen Weg mit dem Erreichen der farbenfrohen Trollwelt endet. Er unterhält, verläuft ohne Pausen, fühlt sich gleichzeitig aber wie das spannungsarme Déjà vu einer immergleichen Wanderung an. Guillermo del Toro und Dreamworks müssten im Folgenden einen entschlossenen, von Mut getragenen Richtungswechsel vornehmen, wenn aus ihrem Trip mehr werden soll, als ein müder, verkaterter Sonntagsausflug in einen zweitklassigen Märchen-Themenpark.

Habt ihr euch Trolljäger, die neue Animationsserie von Guillermo del Toro auf Netflix angeschaut?

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