Trickserei und Täuschung in Orson Welles' F wie Fälschung

10.05.2016 - 09:10 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
F wie FälschungArthaus Filmverleih
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Mein Herz für Klassiker geht heute an F wie Fälschung, Orson Welles' Dokumentation über Kunstfälschung, die ihre Zuschauer genauso hinters Licht führt, wie es ihre verschlagenen Protagonisten mit anderen taten.

Eigentlich verstehe ich nicht viel von Malerei. Ich kann mir vielleicht bei Comics oder Online-Künstlern ein Urteil bilden, das von "cool" zu "nicht cool" reicht, und bei Zeichentrick habe ich ein gewisses Faible für Komposition, Design und Ästhetik entwickelt, aber mir fehlt die Möglichkeit, mir längere Zeit ein Gemälde anzusehen und wirklich viel Sinn darin zu erkennen.

Ein Aspekt, mit dem ich mich dagegen ausführlich beschäftigt habe, ist die Kunst des Fälschens. Der Prozess, ein Werk oder den Stil eines Werkes perfekt zu kopieren und zu verkaufen, sowie die Gegebenheiten, die das überhaupt ermöglichen. Altmeister Orson Welles widmet sich in seinem Meisterwerk F wie Fälschung diesem Handwerk und drei seiner wichtigsten Vertreter: dem Kunstfälscher Elmyr, dem Autor Clifford Irving und sich selbst.

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Kurz zu unseren Hauptdarstellern: Elmyr de Hory ist der vielleicht erfolgreichste Kunstfälscher aller Zeiten (wenn es einen mit mehr Erfolg gab, wurde er nie erwischt). Durch seine Fähigkeit, Künstler zu kopieren, und die schiere Dreistigkeit, mit der er seine Fälschungen verkaufte, finanzierte er sich lange Zeit ein Leben in Luxus und Verschwendung, auch wenn er sich später vor den Polizeikräften mehrerer Nationen verstecken musste. Während seines Aufenthalts auf Ibiza bot sich Clifford Irving an, seine Biographie zu schreiben, die unter dem Namen FAKE!  veröffentlicht wurde. Kurz nach Veröffentlichung der Biographie war Irving selbst Mittelpunkt eines Betrugsskandals. Er gab vor, exklusive Interviews mit dem Hollywood-Produzenten Howard Hughes geführt zu haben, zu einer Zeit, als Hughes komplett von der Außenwelt abgeschottet in seinem Haus lebte und selbst fraglich war, ob er überhaupt noch am Leben war. Die darauf folgende Klage und Gefängnisstrafe machten Irving weltweit bekannt. Welles drehte eine Dokumentation über die beiden, war aber selbst eine Schlüsselfigur in dieser Dokumentation. In einem eigenen Segment lässt er die Anfänge seiner Karriere Revue passieren, in der er unter der Vorgabe, ein berühmter Star aus New York zu sein, an einen Job auf irischen Theaterbühnen kam. Dabei war Welles zu der Zeit ein mittelloser Maler, konnte sich aber wie Elmyr durch Betrug eine Karriere sichern. Es folgte eine ergiebige Arbeit in Radio, Theater und Film, die nach Citizen Kane aber nie wieder die Höhepunkte seiner bisherigen Karriere erreichte. Welles ist sich dessen bewusst und fasst seinen Werdegang perfekt zusammen:

Started at the top. And I've been working my way down ever since.

Damit war Orson Welles eigentlich perfekt für die Welt des Films geschaffen, denn das Medium an sich ist grundsätzlich eine Art von Täuschung. Erfundene Geschichten werden auf Sets erzählt, die echte Schauplätze darstellen sollen, während die Filmemacher genau kontrollieren, was wir sehen. Doch Dokumentationen unterscheiden sich durch ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen Macher und Zuschauer. Hier wird einem indirekt versichert, dass nur die Fakten präsentiert werden, und alles auf wahren Begebenheiten beruht. Natürlich regulieren Schnitt und Kamera immer noch, was der Zuschauer tatsächlich sieht, doch Zuschauer werden sich eher auf die Fakten einer Dokumentation als die eines Spielfilms verlassen. Dadurch bieten Dokumentarfilme mehr als genug Möglichkeiten, das Publikum hinters Licht zu führen, die Welles schamlos ausnutzt.

Die Irreführung beginnt schon in den ersten Minuten von F wie Fälschung. Welles versichert uns: "For the next hour, everything you hear from us is really true and based on solid fact". Allein der Fakt, dass der Film länger als eine Stunde andauert, ist ein Hinweis auf die eigentliche Bedeutung der Aussage, doch auch so ist dieses Statement nur teilweise richtig. Ja, soweit ich das beurteilen kann, basiert die folgende Stunde auf wahren Ereignissen. Die Vermutungen über Elmyrs Herkunft, sein Schaffen als Kunstfälscher ebenso wie Clifford Irvings Skandal durch die gefälschten Interviews mit Howard Hughes sind wirklich passiert. Doch der Film benutzt die gefilmten Interviewschnipsel, um unsere Wahrnehmung zu täuschen, und präsentiert durch Montage Dialoge und Reaktionen, die so eigentlich nicht passiert sind. Nichts davon ändert wirklich die Fakten, rückt die Interaktion der Beteiligten aber in ein neues Licht. Diese Tricks fallen einem erst nach mehrmaligen Anschauen auf, denn der Film legt ein unglaubliches Tempo an den Tag, zwischen der eigentlichen Dokumentation, einem Blick auf die Kulissen und die Filmcrew hinter François Reichenbach sowie Sprünge in den Schnittraum mit Orson Welles. Aber dieses Chaos ist perfekt koordiniert und lässt nicht zu, dass sich das Publikum verliert.

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Trotzdem macht es mir diese Strukturierung schwerer, die Punkte von F wie Fälschung in der richtigen Reihenfolge zu besprechen, daher an dieser Stelle die eigentlich Handlung: Elmyr de Horys Karriere ist sehr eng mit dem Feindbild der Dokumentation verknüpft: dem Experten. Der Experte hat sich ausgiebig mit seinem Thema beschäftigt und wurde dadurch zu einer Autorität seines Fachs, der viele Leute vertrauen. Sein Urteil kann den Unterschied zwischen einem millionenschweren Künstler und einem schlechtverdienenden Brückenmaler ausmachen. Der Name des Künstlers ist dabei entscheidend, und als Elmyrs Werke letzteres Urteil traf, entschied er sich, den Namen anderer zu leihen. Denn Elmyr hatte ein Talent dafür, den Stil von Künstlern wie Amedeo Modigliani und Pablo Picasso perfekt zu kopieren, und verkaufte seine Imitationen als "verlorene Werke" für viel Geld an Kunsthändler und Museen. So Orson Welles:

[...] wenn ihre Anwälte es uns nur erlauben würden, könnten wir ihnen ein hoch angesehenes Museum nennen, das mit einer wichtigen Sammlung von Post-Impressionisten prahlt, jeder einzelne von Elmyr gemalt.

Welles und Co. amüsieren sich sichtlich über die Demütigung der Experten, die den Hauptgrund für die Entstehung des Fälschermarktes darstellen, und der Selbstverständlichkeit, mit der sie Fälschungen erkennen, sobald sie jemand darauf hinweist.

Als einer von Orson Welles' letzten fertiggestellten Filmen bildet F wie Fälschung zusammen mit Citizen Kane den Rahmen für eine langwierige und vielseitige Filmkarriere, deren Einfluss bis heute zu spüren ist. Neben meiner persönlichen Schwäche für seine Thematik ist der Film für mich eines der besten Beispiele für guten Schnitt und Pacing, und eine faszinierende Abhandlung über Täuschung, Fälschung und Scharlatanerie.

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