Third-Person Filmer - Wie Spiele das Actionkino verändern

13.05.2016 - 10:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Assassin's Creed (2016)20th Century Fox
1
6
Statt auf hyperaktive Schnitte setzen immer mehr Actionfilme auf minimalinvasive Plansequenzen und eine insgesamt flüssigere Kamera. Das ist nicht zuletzt auf den Einfluss von Computerspielen zurückzuführen.

Bisher haben wir das Wechselspiel zwischen Games und Filmen anhand zweier konkreter Beispiele betrachtet. Heute untersuchen wir, wie Computerspiele das Actionkino der letzten Jahre beeinflusst haben.

Verspielte Filme I : Egoperspektive im Film - Mehr Hardcore geht nicht

Verspielte Filme II : Ratchet & Clank - Ein Universum zwischen PS4 und Film  

Nachdem das Chaoskino  der Nullerjahre maßgeblichen Einfluss auf den Actionfilm genommen hat, können wir inzwischen wieder etwas verschnaufen. Statt den Zuschauer mit einem audiovisuellen Overkill in die Fassungslosigkeit zu bomben, setzen heutige Blockbuster für ihre Actionszenen vermehrt auf Kohärenz und eine nachvollziehbare Dramaturgie, die ihre Figuren im Gewusel nicht verliert. Selbiges lässt sich von den adrenalindurchtränkten Bourne-Treibjagden eines Paul Greengrass, den Zerschrottungseskapaden eines Michael Bay oder dem cineastischen Action Painting von Tony Scott nur bedingt behaupten. Hier wirbelt die Kamera oft hemmungslos um die Figuren herum, was beim Zuschauer ein Gefühl von Verwirrung, wenn nicht sogar Übelkeit hervorruft. Hinzu kommen die teils hyperaktiven Schnitte: Während die meisten Filme durchschnittlich mit etwa 1250 auskommen, zerschreddern die genannten Regisseure ihre Werke nicht selten in über 3000 Einzelteile. Als Paradebeispiel dieses Stils kann folgende Szene aus Das Bourne Ultimatum gelten, deren Choreographie vermutlich sogar einen mit Ritalin vollgepumpten Kolibri überfordern würde:

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

YouTube Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung


Als Kontrast einige Kampfszenen aus The Revenant - Der Rückkehrer, in denen Alejandro González Iñárritu und sein Kameramann Emmanuel Lubezki größtenteils auf lange Plansequenzen vertrauen, um dem Zuschauer den Passionsweg von Trapper Hugh Glass vor Augen zu führen:

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

YouTube Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung


Auch James Bond 007 - Spectre hebt sich stilistisch sehr von vorangegangenen Bond-Filmen ab. Dessen Eröffnungsequenz sollte jedem vertraut vorkommen, der schon einmal ein Computerspiel aus der dritten Person gezockt hat. Darin schauen wir Daniel Craig als 007 zu, wie er seine Zielperson inmitten der Knochenparade des Día de Muertos bis über die Dächer von Mexiko-Stadt verfolgt, wobei die geschickte Kameraführung den Eindruck vermittelt, als käme die Sequenz ohne Schnitte aus:

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

YouTube Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung


Vergleichen wir dies mit der frenetischen Action von James Bond 007 - Ein Quantum Trost, fällt auf, wie wenig Gemeinsamkeiten der Stil von Regisseur Sam Mendes mit dem chaotischen Kino eines Bay oder Greengrass aufweist. Die Kamera scheint direkt am Protagonisten zu kleben, wobei häufig über dessen Schulter gefilmt wird. Das stattet die obige Szene mit einer mobilen Präsenz aus, als ob wir Bond auf Schritt und Tritt verfolgen würden. Ähnliche Tendenzen lassen sich auch in Filmen wie The Raid (2011), Snowpiercer (2013) und John Wick (2014) beobachten, die gleichfalls die stets auf Immersion bedachte Ästhetik von Computerspielen zu imitieren scheinen. Immer geht es in diesen Filmen um visuelle Klarheit, weshalb die Handlungen der Figuren selbst inmitten der rasanten Action kenntlich bleiben.

Die Plansequenz katapultiert den Zuschauer mitten ins Bild

Als einer der ersten Filme dieses computerspielartigen Action-Stils kann Oldboy von 2003 gelten. Die exzessive Gewaltdarstellung des südkorianischen Rachedramas von Chan-wook Park lässt sich vor allem an dieser berühmten Szene festmachen, die sehr an einen Sidescroller-Beat 'em Up erinnert:

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

YouTube Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung


Mittlerweile ist die Technik der elaborierten Plansequenz so Mainstream, dass sie selbst in Serien regelmäßig zum Einsatz kommt. Denken wir an diese Reminiszenz  des obigen Handgemenges in Marvel's Daredevil oder an True Detective, wo das Geschehen gleich auf einen ganzen Häuserblock  ausgeweitet wird. An dieser Stelle darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass die hier genannten Beispiele Computerspielen mindestens ebenso viel zu verdanken haben wie dem Hong Kong-Kino  eines John Woo, der sich wiederum auf den Meister aller Handkantenschläge, Bruce Lee, beruft.

Die Plansequenz dient dazu, den Zuschauer direkt ins Leindwandgeschehen zu katapultieren. So gesehen nimmt es nicht Wunder, dass vermehrt ein Einfluss von Computerspielen auf das Kino auch abseits halbgarer Tie-Ins zu erkennen ist. Ebenso wie viele Spiele-Genres, vom Egoshooter bis zum Plattformer , vertrauen auch Actionfilme bei der Wahl ihrer Darstellungsmittel auf einen möglichst hohen Grad an Dynamik, um die Szenerie zu beleben. Da kommt die Plansequenz gerade recht.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News