The Punisher erstmals als restaurierte Unrated-Fassung

08.09.2016 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Dolph Lundgren als The PunisherKoch Media
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The Punisher stammt aus einer Zeit, in der Marvel-Vorlagen noch nicht zu milliardenschweren Kinohits taugten. Grund zur wehmütigen Rückbesinnung liefert nun die Veröffentlichung des Films in einer restaurierten Unrated-Fassung auf DVD und Blu-ray.

Marvel, dieser Name stand im Kino tatsächlich einmal für abseitige Unterhaltung, die mit sprechenden Enten entweder spektakulär am Publikum vorbei oder gleich von Independentlegende Roger Corman als B-Movie-Material für Videoregale produziert wurde. Bevor aus dem Comicverlag also ein mittlerweile zum Disney-Konzern gehörendes Multimediaunternehmen hervorging, entstanden – wenn auch eher unfreiwillig – obskure Filme, die seiner von Pleiten, Pech und Pannen bestimmten Geschichte an Ausweitungsversuchen des eigenen geistigen Eigentums durch Film- und Fernsehproduktionen sowie Unterlizenzierungen zu verdanken sind. Vielleicht hätten wir es schon viel früher mit einem brav durchkalkulierten Cinematic Universe zu tun bekommen, wenn der in Kooperation zwischen Marvel, Lucasfilm und Universal entstandene Howard, ein tierischer Held nicht zum legendären Flop geraten wäre. Und unabhängige Produktionsschmieden die Marvel-Vorlagen nicht in wunderbar sorglose Filme wie Captain America oder den heute im Giftschrank liegenden The Fantastic Four verwandelt hätten.

The Punisher, von Cormans New World Pictures produziert, war nach dem kommerziellen Howard-Debakel die zweite Marvel-Kinoadaption – oder sollte es zumindest werden: Eine Pointe ihrer Veröffentlichung bestand darin, dass die amerikanisch-australische Koproduktion nach weltweiter Kinoauswertung in den USA nur auf Video erschienen ist (für international kinotauglich hielt man auch die auf Marvel-Comics basierenden Superheldenserien Der unglaubliche Hulk und Spider-Man - Der Spinnenmensch, die in ihrem Herstellungsland nur im Fernsehen zu sehen waren). Als hasserfüllter Antiheld, der seine Gegner rücksichtslos zu foltern und ermorden bereit ist, nimmt der in den Comics zunächst nur als Gast bei ungleich weniger rabiaten Kollegen auftretende Punisher eine Sonderstellung im Universum des Comicverlags ein. Bislang haben sich die auf familienfreundliche Blockbuster spezialisierten Marvel Studios nicht an eine kinogerechte Re-Integration ihrer populären, aber zweifellos auch problematischen Figur gewagt. Lediglich auf TV-Bildschirmen lassen sie ihn seit Kurzem in der Netflix-Serie Daredevil sein Vigilantenwerk verrichten.

Jon Bernthal als Punisher in Marvel's Daredevil

Gemessen an der Beliebtheit, die die Darstellung des Punisher dort durch Jon Bernthal erfährt, dürfte es der (auch im Vergleich zum 2004 entstandenen Remake) übel beleumundete Film mit Dolph Lundgren heute vermutlich noch schwerer haben. An den für Comicfiguren nunmehr so unverzichtbaren Ambivalenzen, die ihr eigentlich nicht sonderlich mehrdeutiges Handeln gegen moralische Einwände versichern sollen, interessiert sich die 1989er-Version des Stoffes allenfalls am Rande. Zwar befragt ein von Louis Gossett Jr. gespielter Polizist den nach der Ermordung seiner Familie buchstäblich im Untergrund lebenden Frank Castle nach der vermeintlichen Rechtmäßigkeit seiner brutalen Taten, insgesamt aber geht es dem Film weniger darum, Selbstjustiz als kritisches Wesensmerkmal von Comichelden zu verhandeln (und würde ein Film das tatsächlich mit aller Ernsthaftigkeit tun, wäre er ohnehin nicht länger als multiplextaugliche Unterhaltung präsentierbar). Das kann man The Punisher freilich zum Vorteil auslegen: Es geht nicht darum, Komplexität vorzutäuschen, sondern die Prämisse genüsslich und darin nicht ohne Konsequenz auszukosten.

Dass Film und Protagonist keine Gefangenen nehmen, stellt Regisseur Mark Goldblatt entsprechend ostentativ in der Exposition unter Beweis. Der Punisher wird – nach einen tollen Titelsequenz im Stil von Saul Bass – zunächst indirekt über eine Nachrichtensendung eingeführt, die verkündet, er habe bereits 125 Menschen auf dem Gewissen (mit für 80er-Jahre-Actionfilme so typischen Schlagworten wie "organisiertes Verbrechen" und "Drogenhandel"). Kurz darauf schreitet die Figur, deren Hintergrundgeschichte mit sekundenschnellen Flashbacks abgehakt ist, zur Tat: Weil es die Justiz versäumt habe, sie zu bestrafen, werden Schergen eines Syndikats erdolcht, aufgehängt, verbrannt. Seine im ironisierten Comickino unserer Tage gar nicht mehr denkbaren Brutalitäten haben dem Film nicht nur in Deutschland viel Ärger mit der Zensur eingebracht. Bis zur jetzigen Veröffentlichung durch Koch Media gab es weltweit keine vollständige Unrated-Fassung in ansehnlicher Qualität. Sie zeigt, schlicht gesagt, noch mehr Schergen, die erdolcht, aufgehängt, verbrannt werden.

Kein ironisiertes Comickino: The Punisher (1989)

Ein selbstredend aus allerhand Genreklischees rekrutiertes Bösewichtarsenal reicht dabei von der italienischen Mafia bis zur Yakuza – und irgendwie kämpft hier, was der Vergnüglichkeit sehr zuträglich ist, jeder gegen jeden (auch Babysitterinnen werden, politisch ziemlich unkorrekt, vor Kinderaugen erschossen). Die Titelfigur wirkt in diesem Kräftemessen verbrecherischer Energien wie ein fatales Verbindungsstück: Sie agiert als selbstermächtigte Vergeltungsinstanz, deren gezieltes Eingreifen in ein aus den Fugen geratenes Wertesystem ihrerseits neue kriminelle Formen produziert. Der Punisher trägt hier auch nicht sein berühmtes Erkennungsmerkmal, den Totenkopf, auf der Brust, sondern scheint mit blassem Gesicht und herausstehenden Wangenknochen selbst eine Personifizierung dieses Symbols zu sein. Das frühere Leben als Polizist ist der nunmehr namenlos und totgeglaubt in der Kanalisation hausenden Figur sichtbar ausgetrieben. Stünden ihre Taten nicht auf der gleichen Stufe wie die ihrer Gegner, könnte man sie vielleicht bemitleiden. Doch selten wirkte das von derartigen Ambivalenzen befreite Porträt eines Comichelden so angemessen wie hier.

The Punisher ist ab dem 08.09.2016 im Steelbook mit DVD und Blu-ray erhältlich. Hintergründe zur Restaurierung der Unrated-Fassung gibt es bei Schnittberichte.com .

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