The Leftovers - Wir schauen Staffel 3, Folge 7

30.05.2017 - 08:55 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
The Leftovers - Down Under Land Unter
HBO
The Leftovers - Down Under Land Unter
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Es ist die Folge, auf die alle gewartet haben. Die Welt endet - oder nicht. Kevin ist verrückt - oder doch nicht? The Leftovers bietet kurz vor Schluss ein Meisterwerk aus Verwirrung und Empathie, das vor allem visuell begeistert.

Achtung, Spoiler für das Ende von Birdman: Am Ende von Birdman oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit steht Michael Keaton auf der Bühne und erschießt sich selbst. Er erwacht in einem Krankenhaus als gefeierter Theaterstar. Seine Figur, der gescheiterte Hollywoodstar Rigga Thomson, ist plötzlich wieder am Puls der Zeit angekommen, Paparazzi wie Filmstudios fragen nach ihm, selbst seine schwierigen Familienverhältnisse sind plötzlich verflogen. Doch dann steht er auf und geht ins Bad. Wortlos sitzt dort die Comicfigur Birdman auf dem Klo, ein buchstäblicher Scheißhaufen namens Depression, der die neuen Erfolge kurz mit einem Schnaufen verhöhnt, bevor er sich wieder seinem Geschäft widmet. Thomson geht zum Fenster, beobachtend neidvoll die Freiheit eines Vogelschwarms und springt hinunter. Spoiler Ende.

Sorry für den Spoiler, aber der Film lohnt sich auch mit dem Wissen um das Ende. Der Weg ist das Ziel; wie auch The Leftovers in dieser Woche beweist. Das Serienfinale in der nächsten Woche ist schon gar nicht mehr wichtig, die Charakterstudie ist abgeschlossen. Wie Birdman kommt The Leftovers zum gleichen Urteil: Psychische Probleme werden nicht durch willkürliche Siege überwunden, sie begleiten uns auf unserem Weg, verhöhnen uns und kosten uns viel Kraft. Am Ende vielleicht sogar unser Leben.

Kevin Garvey (Justin Theroux) ist in dieser Woche immerhin sehr besessen darauf, zu sterben. Der geflüchtete Polizeichef hat bereits eine Serie an Selbstmordversuchen überwunden, nun scheint aber der perfekte Zeitpunkt mit dem siebten Jahrestag des Plötzlichen Verschwindens gekommen zu sein. Bereits zum Beginn seiner wilden Reise versucht er sich selbst im Teich auf Graces Grundstück zu ertränken, doch sein Vorhaben wird von seinem Vater unterbrochen. Nicht, weil er ihn davon abwenden will, sondern weil dieser verdammte Narzisst dabei sein will, nichts verpassen darf, weil ja nur er, Kevin Garvey Sr., die Welt mit einem Regentanz retten kann, den er von seinem Sohn aus der Nachwelt erlernen muss. Kevin kann einem nur leidtun.

Doch bevor Kevin sich mehrfach in der spektakulär betitelten Folge The Most Powerful Man in the World (and His Identitcal Twin Brother) ertränkt, sehen wir Nora und Kevin kurz nach dem Ende der 1. Staffel von The Leftovers. Das Liebespaar sitzt glücklich und gemeinsam in einer Badewanne, lauscht über ein Babyphon Lilys Lauten und spricht gemeinsam über ihre Vorlieben hinsichtlich der eigenen Bestattung. Sexy. Doch die Szene zeigt uns tatsächlich kleine Momente, die nicht nur ironisch (Nora "I burn up good" Durst könnte inzwischen schließlich wirklich von der LAD-Strahlung weggeblasen worden sein), sondern mit viel Herz die kleinen Veränderungen kommentieren, die wir für unseren Partner machen und die Liebe für die Person unterstreichen. Nora findet, dass Kevin ein Bart gut stünde. Also lässt sich Kevin einen Bart wachsen. Es scheint ihm egal zu sein, so oder so (Ich bin eindeutig #TeamBeard), aber er macht es für sie. Könnte es auch sein, dass Kevin Garvey sich nun versucht, für Nora umzubringen?

Die Frage ist gar nicht mal so abwegig. Nach dem Gespräch mit Laurie aus der letzten Woche muss Kevin nun annehmen, dass seine Exfreundin wohl in einer anderen Dimension ist oder womöglich unter den Toten weilt. Mit der restlichen Welt hat er abgeschlossen und wie wir später herausfinden, bereut er den Abschied von Nora schwer. "We fucked up with Nora", sagt er in einem der herzzerbrechendsten Momente der Serie. Jeder, der schon einmal eine Beziehung in die Brüche gehen hat lassen, aus Sturheit, Stolz oder sonstigen Gründen, kennt diesen Schmerz und die Reue. Alleine für diesen Moment hat Justin Theroux einen Emmy verdient. Doch bevor er den abstauben kann, folgen wir Kevin in die Welt der Toten – zumindest trifft er, sobald er ertrinkt, auf so ziemlich jede tote Figur aus der Serie. Bis auf Nora. Die ist in der Folge nicht zu finden und dennoch völlig zentral für das Verständnis. Bis auf die Frage, wie Kevin die Vorfälle überlebt, scheint das Rätsel um die Hotelwelt nämlich für mich in dieser Folge gelöst. Es handelt sich nicht um den Himmel oder die Hölle und auch nicht um eine Vorwelt für die Nachwelt. Es handelt sich tatsächlich nur um eine gegenteilige Projektion von Kevin Garveys Innenleben. Die Toten leben wieder. Ein Machiavelli-Zitat besagt das exakte Gegenteil wie in unserer Realität. Die Guilty Remnant reden und sind aktiv. Kevin ist Präsident. Genau. Der Mann, der vor allen Verantwortungen in seinem alten Leben davongelaufen ist, wird in seinem fieberhaften Alptraum zum mächtigsten Mann der Welt. Doch bevor Kevin als Präsident den Menschen erzählt, dass wir die Familie nicht mehr brauchen und die Ehe die schlimmste Erfindung der Menschheit ist, muss er sich am Strand vor russischen Attentätern wehren, wo er als sein identischer Zwilling erwacht und von Hundejäger Dean gerettet wird. "It’s weird. Just go with it." Die absurden Entwicklungen können zumindest für eine Folge Twin Peaks Konkurrenz machen. Regisseur Craig Zobel gibt sich sichtlich Mühe, sein Meisterstück International Assassin aus der letzten Staffel von The Leftovers zu wiederholen.

So bierernst diese mit Depression und Suizid gefüllte Episode auch erscheinen mag, so komisch kann sich diese Spannung auch entladen. Da wäre zum Beispiel der Penisscanner, mit dem der Präsident sich Zugang zu seinem geheimen Bunker beschaffen kann. Natürlich kommentiert die Serie hier augenzwinkernd das Fandom um eine gewisse Szene aus der 1. Staffel mit Justin Theroux in einer sehr verräterischen Jogginghose , gleichzeitig aber reflektiert die Unsicherheit auch seine Zweifel gegenüber der Beziehung mit Nora, die in dieser Staffel fast ausschließlich über Sex definiert wurde. Ist Kevin nicht mehr als nur sein bestes Stück? Als er aus der Welt zum ersten Mal erwacht, sieht er kurz sein Leben vor seinen Augen vorbeifliegen. Da wäre zwar Sex mit Nora, aber auch so ziemlich jeder gequälte Moment seiner Existenz vor und nach dem Plötzlichen Verschwinden. Dieser Mann ist geprägt von Zweifeln, von Angst und einer tiefen Depression. Nicht einmal ein Kompliment bezüglich seines Penis kann er ertragen.

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