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Suicide Squad - Review

02.07.2017 - 00:22 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
"Nicht vergessen, wir sind die Bösen."
Warner Bros, DC
"Nicht vergessen, wir sind die Bösen."
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Für meinen MP-Freund Rocket Man :-)

Es ist gut möglich, dass ich den Fans des Marvel Cinematic Universe in den letzten vier bis fünf Jahren etwas Unrecht getan habe. Vielleicht habe ich sie über all die Jahre hinweg auch gar nicht richtig verstanden. Sie schwärmten von einem Filmuniversum, von Referenzen, von zusammenhängenden Geschichten. Sie schwärmten von ihrem größten (Kindheits)Traum, sie schwärmten davon, einen Teil ihrer Lieblingshelden gemeinsam auf der Leinwand zu sehen oder zumindest in einer höhergeordneten Relation zueinander wahrzunehmen. Auch wenn ich diese Begeisterung selbst in Ansätzen verspürte, blieb sie für mich doch etwas Fremdartiges. Zu oft missfielen mir die Einzelfilme, zu selten konnte ich mich mit den Charakteren identifizieren, als dass ich mich vollends dieser Begeisterung hingeben konnte. "Suicide Squad" lässt mich in dieser Hinsicht nun verstehen und hat mir die Augen geöffnet.

Vorweg gesagt, ich möchte hier nicht übertreiben. Ich bin kein Comicleser und habe von dem DC Extended Universe im Prinzip überhaupt keine Ahnung. Von der Suicide Squad las ich zum ersten Mal, als die ersten Filmartikel im Internet erschienen und danach dauerte es lange, bis das Projekt überhaupt mein Interesse gewann. Bis auf Harley Quinn, Batman, den Joker und Killer Croc war dieses Ensemble komplettes Neuland für mich. Die mittelmäßigen Kritiken ließen mich nach "Batman v Superman" zwar unbeeindruckt, jedoch stellte die zwiespältige Trailerpolitik einen Kinobesuch in Frage. Letztendlich hatte ich doch Bock darauf, zum Glück!

Denn der Kinobesuch gab mir ein Gefühl, erfüllte einen Traum der letzten drei Jahre, welcher über das alleinige Zusammentreffen von Batman und Superman hinausgeht. Es ist die oben beschriebene Begeisterung für ein Universum voller Geschichten und Charaktere, mit denen man sich identifizieren kann. Mehr noch, es ist die Erkenntnis, dass Warner Bros trotz aller Unkenrufe sehr wohl einen funktionierenden Plan für ihr DCEU hat und sich damit Stand jetzt tatsächlich auf erfrischende Weise vom MCU unterscheidet. Im MCU laufen mehrere Filme zeitlich parallel und münden schließlich in einem großen Finale. "Suicide Squad" dagegen ist wider Erwarten kein Spin-Off, sondern die direkte Fortsetzung von "Batman v Superman". Alles baut aufeinander auf und daraus entsteht ein Fluss, welchen ich im MCU so noch nicht verspürt habe. Natürlich weiß ich, dass dieser Fluss durch "Wonder Woman" unterbrochen wird (Edit aus heutiger Sicht: wird er nicht!), aber ich freue mich jetzt schon ungemein auf die "Justice League"! Des Weiteren sei gesagt, dass "Suicide Squad" trotzalledem für sich alleine steht und auch ohne Kenntnis des Vorgängerfilms verstanden werden kann, allerdings entfaltet sich das volle Potential eben nur im Zusammenhang mit "Batman v Superman". Von der Post-Credit-Szene ganz zu schweigen!

Zugegeben fällt es mir schwer, eine spoilerfreie Inhaltsangabe zu verfassen, daher möchte ich diesen Teil gerne überspringen. Hier folgen nun ein paar spoilerfreie Schilderungen, damit ihr Leser ungefähr einordnen könnt, womit ihr es hier zu tun habt. Die größte aller Fragen dürfte wohl sein: Ist das jetzt ein humorvoller oder ein ernsthafter Film? Nun, es ist beides. "Suicide Squad" enthält eine enorme Anzahl und Vielfalt an Popsongs, das selbst "Guardians of the Galaxy" dagegen alt aussieht. Für meinen Geschmack zu viele, oftmals werden sie sogar nur angerissen und/oder stehen im Widerspruch zur eigentlichen Atmosphäre der Bilder. Egal, ob dies nun Warner Bros oder Ayers Entscheidung war, aber einige der Popsongs erfüllen nur den Selbstzweck und schaden der Atmosphäre dadurch mehr, als dass sie sie unterstützen. Anders verhält es sich mit dem Dialoghumor. Auch wenn längt nicht jeder Witz zündet, fügt sich der Dialoghumor in die Handlung ein und belebt die Charaktere.

Die Charaktere sind jedoch keine reinen Gagmaschinen, stattdessen ist Ayer an einer inneren Dualität interessiert. "Suicide Squad" ist - zum Glück! - weder ein poppiges Feelgoodmovie voller cooler Charaktere wie "Guardians of the Galaxy", noch ein reiner Actioner voller menschenverachtender Arschlöcher wie "Sabotage". Ins Zentrum seiner Handlung stellt Ayer die Frage nach dem Guten im Menschen, nach seiner Wertigkeit. Er interessiert sich für die Freaks und die Aussetzigen der Gesellschaft, die nicht nur wegen ihrer Verbrechen sondern auch wegen ihrer Andersartigkeit weggesperrt werden. "Suicide Squad" als verkappter X-Men Film. "Nicht vergessen, wir sind die Bösen." ist ein Satz, der von verschiedenen Charakteren mehrmals wiederholt wird. Zunächt wirkt das wie eine innere Bekräftigung oder eine Erinnerung an den Zuschauer, die Charaktere bloß nicht zu cool zu finden, aber im Endeffekt schwingt mit dem Satz eine vielsagende Ironie mit. "Wenn die Gesellschaft uns schon als abgrundtief böse betrachtet, liefern wir ihr doch einfach klischeehaft Böses." Wichtig ist dabei natürlich die Frage nach der Gemeingefährlichkeit und dem tatsächlich Bösen, jedem würde wohl mulmig werden, würde er auf der Straße einem dieser Typen begegnen. Diese Grenzlinie lässt Ayer nicht aus den Augen, weswegen der Film stets die Gräueltaten der Protagonisten aufzeigt und auch nicht mit einem klassischen Happy-End endet. Nichtsdestotrotz können auch Verbrecher und Psychopathen Gefühle wie Liebe oder Freundschaft empfinden. Bei Metawesen wie Diablo oder Abnormalitäten wie Killer Croc kommt noch hinzu, dass sie von der Gesellschaft generell nicht verstanden werden wollen/können und diese sich auch selbst nicht wirklich verstehen können. Es bildet sich eine Abwärtsspirale, mündet in einer Katastrophe, die letztendlich den Tod von Unschuldigen zur Folge hat und für die Täter im Hochsicherheitsgefängnis endet. Obendrein ist die hier präsentierte Gesellschaft in Zeiten von Superman, General Zod und Doomsday ohnehin nicht gut auf Metawesen bzw. falsche Götter zu sprechen. All diese negativ geprägten Gefühle münden in der US-Regierungsbeauftragten Amanda Waller, die als wahrhaftige Anti-Nick-Fury-Inkarnation aus dem talentierten Abschaum der Gesellschaft eine Art Justice League zusammenstellen möchte, um terroristische Metawesen zu bekämpfen. Rick Flagg bezeichnet sie passenderweise als Gott, Harley Quinn als Teufel. Was würden Superman und Lex Luthor dazu wohl sagen? Batmans Antwort erfahren wir.

Und dann turnt neben der Suicide Squad und sontigen Charakteren (kurz, aber eindrucksvoll: Ben Affleck als Batman) irgendwo ja auch noch der Joker herum. Auf Basis der Trailer hätte ich mit einer größeren Rolle gerechnet, letztendlich fungiert er als Getriebe im Character arc Harley Quinns, was ziemlich gut funktioniert. Ansonsten tut er genau das, was der Joker immer tut. Er pfeift aus gesellschaftliche Normen und tritt ihnen gehörig in den Arsch. Die US-Regierung will Harley Quinn auf eine Selbstmordmission schicken? Nicht mit dem Joker!

Nun habe ich lang und breit über die Charakterzeichnung der Protagonisten geschrieben, aber noch nichts über die Charaktereinführung oder gar den Antagonisten. Prinzipiell ist die Einführung sehr interessant gestaltet, nacheinander werden die Mitglieder der Suicide Squad vorgestellt und es wird kurz erläutert, wie jeder von ihnen im Bau landet. Danach konzentiert sich Ayer aber zunächst nur auf Deadshot, Harley Quinn und Rick Flagg, was bedeutet, dass der Rest des Teams ins Hintertreffen gerät und erst nach und nach an Profil gewinnt. Dieses charakterliche Ungleichgewicht hat zur Folge, dass sich "Suicide Squad" streckenweise wie (großartiges) Pulp-Kino anfühlt. Eine Gruppe von Typen in lustigen Kostümen verkloppt reihenweise Monster, die von einer verrückten Hexe losgeschickt werden. So schön, so unterhaltsam, nur beißt sich dies alles zwangsläufig mit dem enormen Budget und den zahlreichen CGI-Effekten. Pulp mit praktischen Effekten wirkt bedeutend authentischer. Aber wie gesagt gewinnen auch die Nebencharaktere nach und nach an Profil, die Geschichte wird ernsthafter und relativiert damit die CGI-Effekte. Über den Antagonisten braucht man nicht viele Wort zu verlieren, man hätte ihn auch "MacGuffin" nennen können. Beliebig und zu keiner Zeit bedrohlich, aber im Bezug auf "Man of Steel" und "Batman v Superman" zumindest interessant. Siehe Amanda Waller und ihre terroristischen Metawesen.

Zu den Schauspielern bleibt zu sagen, dass der Ensemblecast ungemein von sich selbst profitiert. Im Zentrum stehen gemäß ihren Rollen Will Smith, Margot Robbie und Joel Kinnaman. Von Will Smith habe ich persönlich in seinen Filmen noch keine schlechte Leistung gesehen, aber sollte die Kritik an ihm je berechtigt gewesen sein, dann kehrt er hier bravourös zu seinen alten Stärken zurück. Ein Star, der Action, Humor und Emotonalität perfekt meistern kann. Gleiches gilt für Joel Kinnaman, der mich schon in Robocop überzeugte und hier begeisterte. Margot Robbie befindet sich auf dem momentanen Höhepunkt ihrer Karriere, Harley Quinn mit ihren wechselhaften Gefühlsausbrüchen vermag sie dementsprechend nuanciert darzustellen. Diesen drei (mehr oder weniger) Hauptdarstellern gelingt es, auch den Rest der weniger talentierten Schauspieler mit hochzuziehen, da straft selbst Jai Courtney all seine Kritiker Lügen. Jared Leto leidet meines Erachtens nach unter der deutschen Synchro, er macht einen tollen Job, dürfte im Original aber noch deutlicher zur Geltung kommen. Über allen thront letztendlich Viola Davis als fiese, gefühlskalte Amanda Waller. Gruselig!

Eine Bewertung der "Suicide Squad" hängt wohl davon ab, wie man die Stärken und Schwächen gewichtet. Auf der pro-Seite stehen der herausragende Cast, die humanistische Auseinandersetzung mit der Antihelden-Thematik und die logische Fortführung des DCEUs. Auf der contra-Seite stehen das Ungleichgewicht zwischen Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit, zwischen der Entwicklung verschiedener Charakter sowie zwischen Pulp und CGI-Bombast. Für mich überwiegt die pro-Seite, was sich in der Bewertung wie folgt wiederspiegelt: 7/10 Punkten.


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