Steven Soderbergh und ein Abschied ohne Wehmut

24.04.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Steven Soderbergh
Magnolia Pictures
Steven Soderbergh
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Mit der Ankündigung, keine Kinofilme mehr drehen zu wollen, präsentierte Steven Soderbergh sein Meisterwerk. 25 Jahre langweilte er das Kino mit gehaltlosen Filmen im ganz großen schludrigen Stil. Ein Abschiedstext der nicht-wehmütigen Art.

Wer schon für seinen Debütfilm mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wird, wer den Oscar und beinahe sämtliche Kritikerpreise der USA gewonnen hat, der darf auch im Alter von 50 stolzen Hauptes die Karriere an den Nagel hängen. Steven Soderbergh kündigte bereits vor einigen Jahren an, was er auf der Berlinale 2013 noch einmal öffentlich bekräftigte: Mit Kino soll nun Schluss sein. Zwar läuft im Wettbewerb beim Festival Cannes demnächst noch sein lediglich für HBO produziertes Liberace-Biopic Liberace, doch das ist wohl eher als wehmütiges Lebewohlzeichen des Festivals zu verstehen. 1989 nämlich begann genau dort seine Karriere, mit Sex, Lügen und Video. Von jetzt an will er, ähnlich wie einst Ingmar Bergman, nur noch für Fernsehen und Theater arbeiten, vielleicht eine TV-Serie entwickeln und inszenieren. Im Kino aber habe er alles gesagt, was er zu sagen habe. Und das war gottlob nicht viel.

Kritikerliebling und Star-Magnet
Der ab morgen auf deutschen Leinwänden zu bestaunende Psycho-Thriller Side Effects ist das Kinoabschlusswerk jenes Filmemachers, der als eine Art Hollywood-Kernkompetenz auf zwei Beinen innerhalb weniger Jahre zum Kritikerliebling und Cinephilen-Aushängeschild mutierte. Seine Arbeiten umfassen eine beachtliche thematische Bandbreite, wurden mal für sehr viel, mal für sehr wenig Geld hergestellt. Beachtung fanden sie allesamt, vom Low-Budget-Experiment (Voll Frontal) bis zum Kassenknüller (Ocean’s Eleven et al), nicht zuletzt Dank seiner legendären und zugkräftigen Schauspiel-Clique: George Clooney, Julia Roberts, Matt Damon, Catherine Zeta-Jones oder jüngst Channing Tatum haben nicht unerheblich Anteil an der Soderberghschen Erfolgsgeschichte. So viele Stars für so wenig Gage konnte kein anderer für sich vereinnahmen. In 25 Jahren Kino hat der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent dennoch vielleicht gerade einmal drei oder vier halbwegs erträgliche Filme auf den Weg gebracht.

Zwischen Unterhaltungs- und Autorenkino
Den ganz hübschen Out of Sight, den kraftvoll erzählten Erin Brockovich und die nett-belanglose Ocean’s-Trilogie außer Acht gelassen, hat Steven Soderbergh in seiner Funktion als Hollywood-Zwitter, als Jongleur (und Vermittler) zwischen Mainstream- und Independent-, Unterhaltungs- und Autorenkino vor allem hochachtungsvoll der Belanglosigkeit gedient. Kaum ein gefeierter Filmemacher positionierte sich in seinen Arbeiten so wenig wie er, kaum jemand hätte das Leben eines Che Guevara (Che – Revolucion und Che – Guerrilla) mit der gleichen banalen Nüchternheit inszeniert wie die verstrickte Drogenkriminalität in den USA (Traffic – Macht des Kartells). Und wohl keiner hätte mit einem Film wie The Good German so sehr sein vermeintliches Filmgeschichtsbewusstsein zum Abschuss freigegeben: Die auf dem Plakat großspurig an Casablanca gemahnende Liebesgeschichte im Zweiten Weltkrieg erzählte Steven Soderbergh in absoluter Unkenntnis des klassischen Stils als Pseudoversion eines 1940er-Jahre-Melodrams.

Schludrig, gedankenlos, unansehnlich
Trotz weiterer zahlloser Peinlichkeiten, etwa die intellektuelle Bankrotterklärung Kafka, das vollständig überflüssige Remake von Solaris oder der Mixed-Martial-Arts-Rohrkrepierer Haywire, gilt Soderbergh in Hollywood aus rätselhaften Gründen als kluger Kopf. Er ist auch gern gesehener Gast auf der cinephilen Hochburg der Criterion Collection und darf sein Wikipedia-Wissen regelmäßig in Dokumentationen zum Besten geben. Die Plattheiten seiner dort dargebotenen Analysen bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau wie die an Sidney Lumet, Alfred Hitchcock, William Friedkin, Costa-Gavras oder Jean-Luc Godard geschulten Inszenierungsstrategien seiner Filme. Diese sind bzw. waren gemäß Soderberghscher Arbeitsökonomie so schludrig und gedankenlos, teils auch massiv unansehnlich hingerotzt, dass es einen wahrlich schaudern konnte. Die potthässlichen Farbfilter, das moderate Standardgewackel der Kamera und der auf lässig geeichte Schnitt fügten sich da ganz dem Image einer coolen Regie-Sau, die auf schlaumeierhafte Art gehobenes US-Autorenkino zu schöpfen glaubte.

Ein ulkiges Abschiedsgeschenk
Tatsächlich aber ist das nun vorliegende Gesamtwerk Soderberghs ein bestenfalls spießiges, in seinen hellsten Momenten künstlerisch angeeignetes Gemisch aus Hollywoodeffizienz und ausgestellten Genresystematiken. Der überraschend vergnügliche Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen indes, sein angeblich und hoffentlich auch tatsächlich letzter Kinofilm, führt Soderberghs schlussendlich einfach nur erschreckend uninteressantes Schaffen zumindest eindrücklich vor: Als ein in der Pharmaindustrie verorteter Thriller angekündigt, entpuppt sich der herrlich besserwisserisch um langbärtige Twists und niedliche Plotverwirrspielchen herum konstruierte Psycho-Zirkus als Nineties-Thriller auf dem Twist-Niveau von Color of Night. Dessen Finale gereicht dann selbst Sleaze-Altmeistern wie Brian De Palma zu stocksteifen Ehren. Seine von Preisen und Lobhudeleien übersäte Kinokarriere kredenzt Soderbergh also mit einem unfreiwilligen (?) Ulk-Film, der seine wahre Identität verhüllt und das Publikum selbstverliebt an der Nase herumführt. Am Ende hat er es dann wohl doch eingesehen.


Als Mr. Vincent Vega polemisiert sich Rajko Burchardt seit Jahren durch die virtuelle Filmlandschaft, immer auf der Suche nach dem kleinstmöglichen Konsens. Denn “interessant ist lediglich Übertreibung und das Pathos – alles andere ist langweilig, leider.” (Christian Kracht). Wenn er nicht gerade auf moviepilot aneckt oder für uns fern sieht, bloggt Rajko für die 5 Filmfreunde und sammelt Filmkritiken auf From Beyond.

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