Show Me a Hero mit Oscar Isaac - Das Serienfinale

01.09.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Show Me a HeroHBO
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Im Finale von Show Me a Hero treffen Politik und Bürger endlich aufeinander und die HBO-Serie findet ihren optimistischen Höhepunkt inmitten einer schrecklichen Tragödie. Der Boss ist natürlich auch dabei.

Es gibt eigentlich keinen grausameren Todesstoß für eine Serie über Politik als die offen bekundete Zuneigung durch Politiker. Wenn also US-Präsident Barack Obama seine Liebe zu House of Cards offenbart (No Spoilers!), dann wird die Authentizität von Beau Willimons Washington DC derart in Frage gestellt, dass Francis Underwood ebenso gut ein Drachenei in Freddy's BBQ Joint hätte finden können. Denn wer will schon nach Feierabend die Arbeit mit nach Hause nehmen, geschweige denn im Fernseher wiedersehen? Von Scandal über Madam Secretary bis Veep - Die Vizepräsidentin geistert die US-Politik zur Zeit in variierenden Graden der Überzeichnung über die Mattscheibe, mal gleicht sie einer Seifenoper auf Speed, mal einer absurd komischen Übung im Nichtstun. Show Me a Hero spielt in der Peripherie, in den späten 80er und 90er Jahren und verfolgt einen unspektakulären Ansatz, in dem Gespräche über Stadtplanung und Mehrheitsverhältnisse im Rathaus tödliche Intrigen ersetzen. Der Rahmen ist dezidiert klein gewählt, das Erzähltempo ab Folge 3 trotz der in sechs Episoden gepressten fünf Jahre relativ gemächlich. Vor allem unterscheidet sich die Serie von David Simon und William F. Zorzi durch ihren offen progressiven Ansatz von den genannten. Das humanistische Wunder dieser historischen Begleitnotiz zur amerikanischen Gegenwart bleibt, dass sich der Fortschritt in Show Me a Hero ausgerechnet aus einer politischen und juristischen Zwickmühle heraus zu entwickeln vermag. In den letzten Minuten der Serie, die am Sonntag nach sechs Episoden bei HBO zu Ende ging, ist Yonkers eine bessere Stadt.

Anteil an diesem Fortschritt in ein paar kleinen Nachbarschaften hat Nick (Oscar Isaac), ehemals jüngster Bürgermeister der USA. So optimistisch das Bild zweier lachender Frauen im Vorgarten eines Hauses gegen Ende von Show Me a Hero ist, trägt es doch die Krux von Nicks Tragödie in sich. Denn Nick, der eher durch die Gunst der Stunde zum Verfechter des sozialen Wohnungsbaus wurde, schafft es zu keinem Zeitpunkt in diesen letzten beiden Folgen von Show Me a Hero, sein Vermächtnis wertzuschätzen, Befriedigung darin zu finden, wie die glücklichen Gewinner bei der Verlosung der neuen Wohnungen aufspringen und einander umarmen. Es ist bezeichnend, dass Nicks Karriere wie auch sein Geisteszustand in genau den beiden Episoden aus den Fugen geraten, in denen sich die Handlungsstränge von Politikern, Protestlern und Bewohnern der "Projects" erstmals und intensiv überschneiden. Mary (Catherine Keener) wird von der Wohnungsbau-Initiative H.E.R.E. und deren Vertreter Robert (Clarke "Lester Freamon" Peters) in die Integration der neuen Nachbarn involviert, besucht erstmals die Sozialbauten und erkennt sich selbst in den dortigen Familien wieder. Doreen (Natalie Paul), bei ihren Eltern vom Crack losgekommen, mausert sich zur Repräsentantin ihrer Nachbarn und ringt Terry Kinneys Chef der Wohnungsbaubehörde Anerkennung für ihre Initiative ab. Und schließlich steht Nick nach einer zermürbenden Klingelrunde in der neuen Nachbarschaft vor der Tür der erblindeten Norma (LaTanya Richardson), um irgendeine Form von Anerkennung für seine Haltung in der Wohnungskrise zu bekommen. Ein verbaler Schulterklopfer vielleicht, der - so die Einsicht der letzten Episode - vielmehr aus ihm selbst kommen müsste. "Are you happy with the house? I'd like to think it was worth it", fragt er. "I could ask you the same thing", antwortet Norma stellvertretend für die Drehbuchautoren und uns Zuschauer.

Die numerische Liebe der Wähler treibt Nick an und sobald diese versiegt, offenbart sich, wie sehr ihn sein Selbstverständnis als Politiker bis dahin ausgefüllt hat und wie wenig übrige Befriedigung er zu empfinden im Stande ist. "I'd like to think it was worth it", fragt Nick auch, weil ihn seine größte Leistung aus seiner Sicht die Karriere gekostet hat. Regisseur Paul Haggis und Kameramann Andrij Parekh (Blue Valentine) isolieren Nick in der letzten Episode räumlich, um seine wachsende Paranoia zu untermauern, bis er in der Abstellkammer seines Bruders in Tränen zusammenbricht und leise um Hilfe bettelt. In Nicks Versuchen, in der Politik auf jede nur mögliche Weise wahrgenommen zu werden, äußert sich diese Sehnsucht nach der verlorenen Aufmerksamkeit so lange, bis er durch seine illoyalen und kopflosen Manöver Freunde und Verbündete entfremdet hat. Dass die abschließende Montage seiner Beerdigung als tieftraurige Begleitung der Erfolgsgeschichte der Sozialbauten erscheint, verdankt Show Me a Hero Oscar Isaac. Die Autoren scheuen sich nicht, Nicks selbstmitleidige Seite zu zeigen, seinen Hang, allen die Schuld zuzuschieben, außer sich selbst. Doch ebenso findet Isaac in Nicks abstoßendsten Handlungen jene Menschlichkeit, welche die Serie ausmacht. Da lässt es sich über die eindimensionale Darstellung seines unmittelbaren Umfelds hinwegsehen.

Wenn Show Me a Hero eines gutgetan hätte, dann vielleicht mehr Zeit. Vor allem mehr Zeit mit Marys alten und neuen Nachbarn, wirken manche der "Helden" doch in ihrer Anlage wie Musterbeispiele eines Figurentypus, allen voran die zum sozialen Wohnungsbau bekehrte weiße Mittelschichtlerin selbst. Und gelegentlich reden sie in der Serie auch so. Mit Dialogzeilen wie "You can't confuse votes with love" werden Charakterentwicklungen allzu handlich zusammengefasst. Vielleicht wünsche ich mir aber auch nur viele Szenen mit Alfred Molina, der New York Times-Journalisten zusammenfaltet, oder weitere, die Clarke Peters im platonischen Flirt mit Catherine Keener zeigen. Man darf ja noch träumen! In jedem Fall sei hier HBO ein ausdrückliches Lob dafür ausgesprochen, dass zwischen Eiszombies, Footballmanagern und wahren Detektiven auch Platz für 330 teils arg didaktische Serienminuten über die bürgerliche Selbstverwaltung geschaffen wurde. Show Me a Hero endet schließlich nicht mit den Politikern, die einfach nicht loslassen können von der Macht: Hank Spallone, Angelo Martinelli, Vinnie Restiano oder Nick Wasicsko. Tatsächlich liegt Show Me a Hero einem Deadwood oder Parks and Recreation näher, was die Perspektive auf Politik und deren Auswirkungen anbelangt. Im Verlauf von sechs Episoden offenbart sich der Fortschritt weniger im Rathaus als in Bürgerversammlungen und Vorgärten. Nick mag den Public Housing-Plan im Stadtrat durchgeprügelt haben, ohne die Marys, Normas, Billies, Doreens und Carmens wäre er nur das: ein Plan. Show Me a Hero, das sei als letztes Lob angemerkt, ist schließlich die einzige Serie, die einem mit einer Aufnahme von ein paar nigelnagelneuen Töpfen die Tränen in die Augen treiben kann.

Anmerkungen am Rande:

  • 10/10 Punkte für die Pudel-Lady, die meine zweitliebste Szene des Finales zu verantworten hat.
  • Oscar Isaac verdient einen Emmy. LaTanya Richardson auch.
  • "Will the white folks have to learn how to be good neighbors, too?"
  • "We are not a project."
  • "Mrs. Dorman, you're a good neighbor."


Hier etwas zum Weinen:


Hier etwas zum Nachdenken:


Alle Recaps zu Show Me a Hero:

Show Me a Hero Folge 1 & 2

Show Me a Hero Folge 3 & 4

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